
SEK stürmt Kindergeburtstag
Studie deckt auf: Antiziganismus bei der Polizei Alltag
Studie wertet Hunderte Vorwürfe der Diskriminierung von Roma und Sinti durch die Polizei aus. Das Spektrum reicht von nicht aufgenommenen Anzeigen bis zu Gewalt – sogar auf einem Kindergeburtstag. Experten fordern Anerkennung institutioneller Probleme in Polizeibehörden.
Von Markus Geiler Sonntag, 07.12.2025, 12:35 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 07.12.2025, 14:12 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Sinti und Roma sind einem Bericht zufolge bei der Polizei häufig Vorurteilen und Diskriminierung ausgesetzt. Die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) wertete für die am Donnerstag in Berlin vorgestellte Analyse 215 Fälle aus, die zwischen 2020 und 2024 von Betroffenen gemeldet wurden.
Demnach berichten Sinti und Roma häufig, dass ihre Anzeigen von der Polizei nicht aufgenommen, Vorfälle verharmlost oder geleugnet werden. Ermittlungen gegen Polizeikräfte nach entsprechenden Beschwerden würden eingestellt, hieß es. In einigen Fällen gerieten Betroffene, die eine Anzeige erstatten, selbst ins Visier von Ermittlungen.
Tagtäglich mit Diskriminierung konfrontiert
Zudem dokumentiere der Bericht wiederkehrende anlasslose Kontrollen, unverhältnismäßige Maßnahmen und eine niedrige Schwelle zur Anwendung von Zwangsmitteln, die teils in schwere Gewalt münden, hieß es. Besonders deutlich würden Diskriminierungen durch die Polizei in der Ermittlungskategorie „Clankriminalität“ zutage treten, wo regelmäßig antiziganistische Stereotype bedient würden.
„Die Ergebnisse unseres Berichts zeigen, dass antiziganistische Diskriminierung in polizeilichen Strukturen kein historisches Relikt ist, sondern eine gegenwärtige Realität, mit der Sinti und Roma tagtäglich konfrontiert sind“, kritisierte MIA-Geschäftsführer Guillermo Ruiz: „Wer den Schutz durch die Polizei nicht in Anspruch nehmen kann, weil ihm pauschal Misstrauen entgegengebracht wird, dem werden rechtsstaatliche Garantien verwehrt. Wir fordern daher entschlossene Reformen, die institutionellen Antiziganismus klar benennen, sichtbar machen und wirksam bekämpfen.“
Kategorie „Clankriminalität“ abschaffen
Die Innenministerien und Polizeibehörden müssten die bestehenden Probleme klar benennen und gezielt gegen Diskriminierung, unverhältnismäßige Gewaltanwendung, Racial Profiling, stigmatisierende Kommunikation nach außen und Sondererfassung vorgehen, sagte Ruiz. Gefordert werde, stigmatisierende Ermittlungskategorien wie „Clankriminalität“ abzuschaffen, weil sie sich insbesondere gegen Minderheiten richte. „Nach unserer Auffassung hilft das nicht weiter“, sagte der MIA-Geschäftsführer.
Gefordert wird zudem die Anerkennung institutioneller Probleme in den Polizeibehörden, die Überarbeitung von Abläufen und der Ausbau von Schulungen und Kooperationen. Dazu gehörten verpflichtende Trainings der Polizeikräfte zu Antiziganismus und der Geschichte der Sinti und Roma und antiziganismuskritische Inhalte in der Polizeiausbildung. Weiterhin müsse es unabhängige Beschwerdestellen mit klaren Befugnissen geben.
SEK stürmt Kindergeburtstag
In dem Bericht sind zahlreiche Beispiele aufgeführt, die das Vorgehen der Polizei dokumentieren sollen. So berichtet die Meldende, dass die Polizei mit einem Sondereinsatzkommando (SEK) angerückt sei, weil sich die Nachbarn über eine zu laute Kindergeburtstagsfeier beschwert haben. „Polizeibeamten verhielten sich nach Aussage der Betroffenen sehr gewaltvoll, das Auftreten war brutal und es wurden Beleidigungen ausgesprochen. Die Kinder mussten alles miterleben und waren extrem verängstigt“, heißt es in dem Bericht.
Als Positivbeispiel nannte Ruiz die Zusammenarbeit des Bundeskriminalamtes (BKA) mit dem Zentralrat der Sinti und Roma bei diesem Thema. Hier finde ein „guter Dialog“ statt, der ein Anfang sei, das Vertrauen in die Polizei zurückzugewinnen. Auch einzelne Polizeipräsidien gingen auf Kritik ein und suchten nach Vorfällen das Gespräch. Es gebe auch Regionen, wo es weiterhin systematisch Probleme mit dem Verhalten der Polizei gebe. (epd/mig) Leitartikel Panorama
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