ÖRR trifft Rechtsaußen

Während sich in Hessen die neue Höcke-Jugend formt, um das rechtsradikale junge Vorfeld stärker an die AfD zu binden, kam auch ein brisantes Detail zu deren nicht minder extremistischem Sprachrohr „Nius“ (sprich: Noise, engl. für Lärm) an den Tag.

Vor der Tür hatten sich trotz Polizeirepression einige Zehntausend Menschen versammelt, um für Demokratie, Rechtsstaat und Menschenwürde zu demonstrieren, als sich drinnen eine Handvoll Frauen und ein paar hundert Männer – die sich weiterhin nicht erklären können, warum sie eigentlich keine Frau finden – versammelt hatte, die verfassungsfeindliche „Junge Alternative“ endgültig zu beerdigen und durch eine neue „Generation Deutschland“ zu ersetzen, deren Verfassungsfeindlichkeit vermutlich schon in den kommenden Wochen und Monaten bewiesen werden wird und welche im Wesentlichen auch aus dem alten Personal besteht. Wesentlicher Unterschied: Konnte der alte Verein noch einfach durch das Innenministerium verboten werden, lässt sich die neue Organisation nur durch jenes Parteiverbotsverfahren verbieten, für das die aktuelle Bundesregierung nicht die Eier hat.

Und während man sich drinnen gerade angeregt über die Systempresse austauschte, die lüge und betrüge, statt die universellen Wahrheiten von Putins Hofberichterstattern zu teilen, hörte man draußen, dass Studio Hamburg (100-prozentige Tochter des NDR) für die konsequent gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hetzende Kulturkampf-Klitsche „Nius“ das Studio bereitet hat – derweil der NDR behauptet, er habe von nichts gewusst.

„Wenn der NDR sich nun durch die Kooperation an einer Normalisierung der Rechtspostille „Nius“ beteiligt, dann wertet er sie damit nicht nur weiter auf, sondern auch sich selbst ab.“

Von rechts ist derartige Heuchelei Alltag. Stringenz, Konsequenz, Werte – das sind Begriffe, deren Bedeutung in größeren Teilen der CDU und rechts davon sowieso niemand kennt.

Doch gerade für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sollten sie eine große Rolle spielen, muss sich dieser doch für seine Berichterstattung ständig vor seinen Zuschauern rechtfertigen – zunehmend auch gegenüber böswilligen Agenten, die seine Glaubwürdigkeit gezielt untergraben und keine ehrliche Diskussion führen wollen.

Wenn der NDR sich nun durch die Kooperation an einer Normalisierung der besagten Rechtspostille beteiligt, dann wertet er damit aber nicht nur „Nius“ weiter auf, sondern auch sich selbst ab. Unterstellt man ihm dann noch, zu glauben, er könne so auf die Rechtspopulisten einwirken, dass die ihr niederträchtiges Trommelfeuer gegen „Zwangsgebühren“ und „Lügenpresse“ reduzierten, weil sie jetzt ja selbst mit ihm kooperieren, dann wird es sehr plötzlich sehr düster um den ÖRR.

Es gehört immerhin zum Wesen dieser neuen Form von Rechtsextremismus, den Staat, die Gesellschaft überall da auszunehmen, wo ihr das ermöglicht wird, durch Fördergelder, durch falsche Toleranz und durch milliardenschwere „Familienunternehmer“, die jetzt schon für die Zeit nach der Machtübernahme planen, um dann genau darüber zu höhnen und ermutigt weiter zu hetzen. Es ist ja kein Wunder, dass die AfD sich so gern an den Talkformaten abarbeitet, in denen sie ständig sitzt. Ist sie ausnahmsweise mal nicht eingeladen, heult sie hierüber, ist nur ein Vertreter eingeladen, verlangt sie zwei. Und im Studio wird dann weiter darüber gejault, dass man nie eingeladen wird und man nichts sagen dürfe.

Vielleicht, und damit kommen wir zum heutigen Service-Teil, könnte aber genau da eine sinnvolle Strategie des ÖRR im Umgang mit der AfD anknüpfen. Statt die AfD in die Talkrunden mit den „Systemparteien“ einzuladen, wo sie keine Stellung beziehen müssen, sondern sich auf eine Fundamentalopposition zurückziehen können, lädt man sie von dort in Zukunft einfach konsequent aus. Die angemessene Repräsentation im ÖRR, die der Staatsvertrag vorsieht, könnte natürlich einfach durch investigative Reportagen über das Innenleben der Partei abgedeckt werden, aber warum sie nicht mit ihren eigenen Waffen schlagen?

„Wollen wir doch mal sehen, wie AfD-Politiker auf offener Bühne vor Millionenpublikum verhandeln, wenn es ans Eingemachte geht und sie sich nicht bei jeder Frage einfach herausreden können.“

Entsprechend ihrer Relevanz wird die weiter zu Polittalks eingeladen, aber in diesen sitzen dann nebst Moderation zukünftig jeweils nur noch zwei Vertreter der AfD – und dann diskutiert man mal ganz ergebnisoffen über Wehrpflicht, Russlandtreue und NSDAP-Parolen. Wollen wir doch mal sehen, wie AfD-Politiker auf offener Bühne vor Millionenpublikum verhandeln, wenn es ans Eingemachte geht und sie sich nicht bei jeder Frage einfach herausreden können. Werden sie sich gegenseitig für ihre Positionen als Systemhuren oder Vaterlandsverräter beleidigen? Werden sie dem anderen sein Deutschsein oder seinen „Patriotismus“ absprechen? Kommt es zu offenener Gewalt? Und sollte der Sender dann eingreifen oder mit der Kamera draufhalten?

Wenn man die AfD schon unbedingt weiter „entzaubern“ will, statt sie mit der gebotenen Härte vor den Kadi zu ziehen, dann so. Und nicht anders. Dafür darf Studio Hamburg dann meinetwegen auch gern die Bühne bereiten.

Ich würd’s gucken. Dafür ginge ich auch in die Mediathek. Ok, ich würd maximal die Highlights in der heute-show sehen. Aber das ist ja bisher auch nicht anders. (sb) Meinung