
Häusliche Gewalt
BKA-Lagebild: Steigende Risiken für Frauen mit und ohne deutschen Pass
Häusliche Gewalt nimmt weiter zu – mehr als ein Drittel der Betroffenen hat eine ausländische Staatsangehörigkeit. Das Lagebild zeigt deutliche Belastungen in migrantischen Familien, während rechtliche Hürden zusätzliche Risiken schaffen.
Montag, 24.11.2025, 14:29 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 24.11.2025, 14:29 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Fälle häuslicher Gewalt haben im vergangenen Jahr erneut zugenommen. Wie aus dem am Freitag vorgestellten Lagebild des Bundeskriminalamts hervorgeht, gab es 2024 fast 266.000 Opfer häuslicher Gewalt, davon knapp 183.000 deutsche und gut 83.000 nichtdeutsche Opfer – insgesamt rund 10.000 mehr als im Jahr zuvor. Bei der Zahl der Tatverdächtigen zeigt sich ein ähnliches Bild: gut 139.000 Deutsche und knapp 77.000 Ausländer wurden erfasst.
Die weitere Aufschlüsselung zeigt, dass knapp 171.000 Fälle von Partnerschaftsgewalt registriert wurden. Hier waren rund 115.000 Deutsche und 56.000 Ausländer betroffen. Nach den deutschen Opfern nahmen türkische (3,8 %) den zweitgrößten Anteil an allen Opfern ein. Polnische, ukrainische, syrische, rumänische und afghanische Opfer folgen in absteigender Häufigkeit. „Insgesamt wurden 8.812 Opfer erfasst, die der Gruppe der Zuwanderer und Zuwanderinnen zugehörig sind. Sie machen somit 15,7 % aller nichtdeutschen Opfer aus“, heißt es im Lagebild.
Zwischen der Gruppe der deutschen und nichtdeutschen Opfer zeigen sich leichte Unterschiede hinsichtlich der Deliktsverteilung. So macht die vorsätzliche einfache Körperverletzung bei nichtdeutschen Opfern mit 60,8 % einen etwas größeren Anteil aus als bei den deutschen Opfern mit 56,8 %. Bedrohung, Stalking und Nötigung hingegen nimmt bei deutschen Opfern mit 27,2 % einen größeren Anteil an als bei nichtdeutschen Opfern mit 22,5 %.
Ausländer überrepräsentiert
Bei innerfamiliärer Gewalt ist der Anteil deutscher Opfer (71,4 %) vergleichsweise größer; der Anteil ausländischer Opfer beträgt hier 28,6 %. Auch hier nehmen nach deutschen Opfern türkische Opfer (4,2 %) den zweitgrößten Anteil an allen Opfern ein; es folgen syrische, ukrainische, polnische, rumänische Opfer. In der Deliktsverteilung gibt es bei innerfamiliärer Gewalt zwischen deutschen und ausländischen Opfern keine nennenswerten Unterschiede.
In der Gesamtbetrachtung fällt allerdings auf, dass im Bereich häuslicher Gewalt nicht-deutsche Tatverdächtige gegenüber dem Anteil in der Bevölkerung überrepräsentiert sind. Das gilt auch für die Opfer.
Probleme auch Hausgemacht
Die Gründe dafür sind laut Experten vielfältig. Ein Grund sei aber auch Hausgemacht und stehe im Aufenthaltsgesetz. Dort ist geregelt, dass das Aufenthaltstitel von Ehepartnern, die aus dem Ausland nach Deutschland gezogen sind, an den Fortbestand der Ehe gebunden ist.
Wenn beispielsweise eine Frau vor Ablauf von drei Jahren wegen Gewalterfahrung die Ehe beendet, verliert sie ihren Aufenthaltstitel und muss zurück in die alte Heimat. Bleiben darf sie laut Gesetz nur in begründeten Härtefällen. Experten monieren jedoch, dass diese in der Praxis oft nicht greifen und Betroffenen zu riskant erscheinen, um eine Anzeige zu wagen und aus der Ehe auszubrechen. Deshalb erduldeten Betroffene nicht selten die häusliche Gewalt.
Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) und Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) kündigten Konsequenzen aus den Zahlen an. Die Politik tue nicht genug für den Schutz von Frauen, sagte Dobrindt. Die Bundesregierung hatte in dieser Woche Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht, die unter anderem durch für Gewalttäter verpflichtende Fußfesseln Frauen vor Übergriffen schützen sollen. Man wolle aber auch darüber hinaus noch Maßnahmen ergreifen, sagten Dobrindt und Prien.
Eine Korrektur des Aufenthaltsgesetzes gehört allerdings nicht dazu. Vielmehr plant die Koalition, für Vergewaltigungen unter Einsatz von K.O.-Tropfen oder anderer Substanzen, die das Opfer handlungsunfähig machen, höhere Strafen zu verhängen. Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) kündigte außerdem an, dass Opfer häuslicher Gewalt ein Recht auf psychosoziale Prozessbegleitung bekommen sollen.
Prien stellte zudem eine stärkere Erforschung des Dunkelfelds in Aussicht. Bisherige Forschungen zeigen, dass häusliche Gewalt wahrscheinlich nur zu einem sehr kleinen Teil angezeigt und damit überhaupt bekannt wird.
Sozialverbände wollen Mittel für Frauenhäuser
Sozialverbände drangen angesichts des erneuten Anstiegs von Gewalt gegen Frauen auf eine sichere Finanzierung für Frauenhäuser. Noch vor der Bundestagswahl hatte der Bundestag das Gewalthilfegesetz verabschiedet, das ab 2032 einen Rechtsanspruch auf einen Schutz und bis dahin den entsprechenden Ausbau der Strukturen verspricht. Ohne massive Investitionen werde Gewalt gegen Frauen nicht zu stoppen sein, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Joachim Rock. Bundesweit fehlten noch mehr als 12.000 Frauenhausplätze.
Die Vorständin der Diakonie Deutschland, Elke Ronneberger, erklärte, man erlebe zurzeit sogar, „dass die Mittel für Frauenhäuser und Fachberatungsstellen gekürzt und steigende Personal- und inflationsbedingte Mehrkosten nicht ausreichend refinanziert werden“. Wenn die Bundesregierung es mit dem Gewaltschutz ernst meine, dürfe dies keine Frage der Haushaltslage sein, sagte sie. (dpa/mig) Aktuell Gesellschaft
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