
Klima-Risiko-Index
Wetterextreme treffen arme Staaten am härtesten
Vor allem ärmere Länder haben in den letzten Jahrzehnten viele Tote und hohe Schäden wegen Extremwettern verzeichnen müssen. Wer sich dem entziehen will, hat oft nur eine einzige Option: Flucht.
Von Silvia Vogt Mittwoch, 12.11.2025, 10:52 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 12.11.2025, 10:52 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Nahezu 10.000 Wetterextreme mit mehr als 830.000 Toten und Billionen an Schaden: Die Bilanz für die vergangenen drei Jahrzehnte ist dem Klima-Risiko-Index 2026 zufolge verheerend. Die Rangliste der besonders betroffenen Länder führen in dem Bericht der Organisation Germanwatch vor allem ärmere Staaten an, aber auch Industrieländer landen im oberen Bereich. Auch Deutschland gehört auf Platz 29 mit dazu, heißt es in der am Dienstag auf der Weltklimakonferenz in Brasilien veröffentlichten Bestandsaufnahme.
An der Spitze des Index über die vergangenen 30 Jahre steht Dominica, ein kleiner karibischer Inselstaat, der mehrfach von verheerenden Wirbelstürmen getroffen wurde. Dominica nehme vor allem wegen der enormen Schäden im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt Rang eins ein, erklärte Germanwatch. Auf Platz zwei folgt Myanmar. In dem südostasiatischen Land habe allein der Zyklon „Nargis“ im Jahr 2008 fast 140.000 Menschen getötet und Schäden in Höhe von 5,8 Milliarden US-Dollar angerichtet.
Viele Hitzeopfer in Europa
Auch Deutschland stehe mit Rang 29 auf dem Langzeit-Index weit oben, heißt es weiter. In der EU seien nur Frankreich, Italien, Spanien und Griechenland noch stärker betroffen. Neben den Sachschäden seien die Todesopfer für die Platzierung Deutschlands verantwortlich – vor allem durch Hitzewellen, die auch andere europäische Länder schwer getroffen hätten. Insgesamt seien in Deutschland seit 1995 mehr als 24.400 Menschen durch Wetterextreme ums Leben gekommen, fast 1,1 Millionen weitere seien zum Beispiel durch Gesundheitsschäden oder Verlust des Eigentums direkt betroffen gewesen. Die Schäden beliefen sich inflationsbereinigt auf fast 130 Milliarden US-Dollar (112 Milliarden Euro).
„Bei Wetterextremen stellen Hitzewellen und Stürme die größte Gefahr für Menschenleben dar“, fasste Co-Autorin Laura Schäfer die Auswirkungen zusammen. „Stürme verursachten zugleich die mit Abstand größten Sachschäden. Überflutungen hingegen waren für die meisten direkt von Extremwetter Betroffenen – zum Beispiel durch Verlust ihres Eigentums – verantwortlich.“ Dabei würden Länder wie Haiti, die Philippinen oder Indien – allesamt in den Top Ten – teilweise in so kurzen Abständen von Überflutungen, Hitzewellen oder Stürmen getroffen, dass sich ganze Regionen kaum noch von den Katastrophen erholen könnten, erklärte Germanwatch.
Flucht oft die einzige Option
Für die Menschen in diesen Regionen ist Flucht oft die einzige Option, wenn sie überleben wollen. „Überschwemmungen im Juli 2024 trieben tausende Menschen in die Flucht, während im April und Mai eine Hitzewelle mit biszu 47 °C den Tod von 50 Menschen zur Folge hatte“, heißt es in der deutschen Zusammenfassung des Berichts über Myanmar. Ein weiteres Beispiel aus Papua-Neuguinea: „Im Mai 2024 tötete ein großer Erdrutsch in der Provinz Enga 670 Menschen, zwang 1.250 Menschen zur Flucht.“
In der Wissenschaft herrscht Einigkeit: Der Klimawandel gehört inzwischen zu einem der größten Fluchtursachen. Um dem entgegenzuwirken fordern Experten von reichen Industriestaaten, mehr Engagement und Hilfe. Doch das Gegenteil ist derzeit auf der Weltklimakonferenz in Brasilien zu beobachten. Entwicklungshilfe sowie Klimaschutz werden immer weiter zurückgefahren. Dass die reichen Länder sich zugleich abschotten, ihre Grenzen für Geflüchtete schließen, bezeichnen Menschenrechtler als perfide und zynisch. Die Folgen des Klimawandels seien akut, mit bloßem Auge sichtbar und aktuell.
Deutschland für Einzeljahr 2024 auf Rang 50
Bei der Auswertung allein bezogen auf das vergangene Jahr führen die karibische Inselgruppe St. Vincent und die Grenadinen sowie Grenada die Liste an. Sie wurden im Sommer 2024 von einem Hurrikan verwüstet. An dritter Stelle folgt der Tschad. Das zentralafrikanische Land litt unter verheerenden und teils über Monate anhaltenden Überflutungen. Deutschland steht im Index für 2024 auf dem 50. Rang.
Seit 2006 erfasst der Klima-Risiko-Index von Germanwatch die Zahl der Todesopfer, der betroffenen Menschen und die wirtschaftlichen Schäden durch Extremwetter weltweit. Seit 2025 wird er nach einer methodischen Überarbeitung auf der Basis der International Disaster Database (EM-DAT) sowie sozioökonomischer Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) erstellt. (epd/mig) Aktuell Panorama
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