
Hamburg
Betrug mit Scheinvaterschaften im Fokus der Politik
Laut Bundesjustizministerin Hubig sind sogenannte Scheinvaterschaften in einigen Städten zum Geschäftsmodell geworden – es gehe um Aufenthaltstitel und Sozialbetrug. Fachleute warnen vor einem Wahrnehmungsproblem. Wird wieder skandalisiert, weil Ausländer im Fokus stehen?
Montag, 03.11.2025, 12:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 03.11.2025, 16:19 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die CDU in der Hamburgischen Bürgerschaft geht davon aus, dass es auch in Hamburg Sozialbetrug mit sogenannten Scheinvaterschaften gibt. Zugleich wirft der Abgeordnete Julian Herrmann dem rot-grünen Senat vor, zu wenig dagegen zu tun.
Hintergrund sind bundesweit bekanntgewordene Fälle, in denen Männer – mutmaßlich gegen Geld – vorgeben, Vater eines Kindes zu sein, damit die Mutter ein Aufenthaltsrecht in Deutschland und womöglich auch Sozialleistungen bekommt.
Scheinvaterschaften als „Geschäftsmodell“
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) hatte sich jüngst besorgt gezeigt. „Aus Gesprächen weiß ich: In einigen Städten ist das ein wirkliches Problem“, sagte sie Anfang Oktober der „Welt am Sonntag“. „Es gibt Männer, die Kinder von fremden Frauen gezielt und gerade zu dem Zweck anerkennen, um Mutter und Kind den Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen.“
Missbräuchliche Anerkennungen seien „teilweise zu einem ‚Geschäftsmodell‘ geworden“, sagte die Bundesministerin. Neu ist das Phänomen nicht. Bereits 2017 gab es Meldungen aus Berlin. Bis zu 7.000 Euro ließen sie Männer damals für eine Scheinanerkennung von ausländischen Frauen zahlen.
Hamburger Senat nennt keine Zahlen
Der Hamburger CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Herrmann wollte nun in einer Schriftlichen Kleinen Anfrage (SKA) vom Hamburger Senat wissen, wie viele Verdachtsfälle es in den vergangenen Jahren in Hamburg gegeben habe. Die Antwort des Senats: „Die abgefragten Daten werden statistisch nicht erfasst.“
Auch bei der Frage zur geschätzten Dunkelziffer winkt der Senat ab: „Hierzu liegen dem Senat keine belastbaren Zahlen vor, sodass hier keine Schätzung vorgenommen werden kann.“
Für Herrmann ist das zu wenig: „Hamburg beurkundet jedes Jahr tausende Vaterschaften. Gleichzeitig erfasst der Senat weder Mehrfach-Anerkennungen noch Verdachtsfälle systematisch“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe auch keine Prüf- oder Sperrvermerke bei Missbrauchsverdacht. Ebenso fehle eine länderübergreifende Zusammenarbeit.
Verzerrte Wahrnehmung
Fachleute weisen darauf hin, dass Sozialbetrug kein Phänomen ist, das auf einzelne Gruppen beschränkt ist. Missbräuchlicher Leistungsbezug oder Steuerbetrug gebe es in allen Teilen der Gesellschaft. Fälle, in denen Ausländer im Mittelpunkt stehen, finden nach Einschätzung von Expertinnen und Experten jedoch deutlich mehr mediale und politische Aufmerksamkeit. Dadurch entstehe mitunter der Eindruck, diese Form des Betrugs sei verbreiteter als sie tatsächlich vorkommt.
Auch die Anerkennung von Vaterschaften werde bei ausländischen Familien häufig strenger geprüft als bei deutschen. Behörden verweisen zwar auf gesetzliche Vorgaben, Fachleute sehen darin aber auch den Einfluss von Vorurteilen. Sie warnen vor Generalverdacht und betonen, dass der Großteil der Vaterschaftsanerkennungen regulär erfolgt – auch bei Eltern ohne deutschen Pass.
4.741 Vaterschaftsanerkennungen im laufenden Jahr
Laut Senat wurden in diesem Jahr bis Mitte Oktober allein von den Hamburger Standes- und Jugendämtern insgesamt 4.741 Vaterschaftsanerkennungen beurkundet. Im gesamten vergangenen Jahr waren es demnach 5.871.
Trotz vieler Beurkundungen gebe es keine Transparenz über das Ausmaß dieses Sozialbetrugs, sagte Herrmann. Dabei sei zu erwarten, dass Hamburg als Metropole stark betroffen sei. „Wenn man die Augen vor bekannten Betrugsmaschen verschließt und keine Transparenz schafft, öffnet das Tür und Tor für Missbrauch und untergräbt das Vertrauen in den Sozialstaat, gerade bei denjenigen, die diesen mit ihren Steuern finanzieren.“
Kritiker werfen Herman vor, mit seiner Rhetorik Vorurteile zu schüren. Obwohl es keine Zahlen gibt, dramatisiere er bewusst und erzeuge so eine Stimmung. Das gleiche Eifer wünsche sich der Steuerzahler, wenn es um Steuerbetrug geht, der der redlichen Bevölkerung ungleich mehr Schaden zufügt.
Senat verweist auf schwierige Gesetzeslage
Der Nachweis eines Missbrauchs ist schwierig. Nach geltender Rechtslage ist die Ausländerbehörde am Verfahren der Vaterschaftsanerkennung in der Regel nicht beteiligt. Zudem muss das Standesamt die Vaterschaft auch dann eintragen, wenn ihm schon bekannt ist, dass es sich nicht um den leiblichen Vater handelt.
Der Senat weist in seiner Antwort darauf, im vergangenen Jahr an einer Gesetzesinitiative der Bundesregierung mitgearbeitet zu haben, mit der missbräuchliche Anerkennungen der Vaterschaft besser verhindert werden sollten. Diese Initiative sei dann durch den Bruch der Ampelkoalition in Berlin nicht mehr umgesetzt worden. „Die Innenbehörde hat sich seitdem in Gremien und Gesprächen bei der Bundesregierung dafür eingesetzt, dieses Gesetzgebungsverfahren weiter zu betreiben“, heißt es in der Senatsantwort. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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