
Baden-Württemberg
Hakenkreuz und Hitlergruß: Vorfälle an Schulen nehmen zu
An Baden-Württembergs Schulen häufen sich Hitlergrüße, Hakenkreuze und antisemitische Beschimpfungen. Während rechtsextreme Hintergründe klar umrissen sind, gibt es bei Antisemitismus unterschiedliche Blickwinkel.
Montag, 03.11.2025, 10:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 03.11.2025, 10:30 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Zahl rechtsextremistischer Vorfälle an Schulen in Baden-Württemberg hat in diesem Jahr deutlich zugenommen: Bis Mitte Oktober wurden laut Kultusministerium insgesamt 70 Vorfälle erfasst. Im gesamten Jahr 2024 waren es demnach 53, im Jahr zuvor 38. Dabei handele sich vor allem um das Zeigen des Hitlergrußes, die Verwendung nationalsozialistischer Symbole wie des Hakenkreuzes oder auch Schmierereien am und im Schulgebäude sowie judenfeindliche Sprüche.
„Im Nachgang des Überfalls der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 wurden vermehrt antisemitische Vorfälle gemeldet“, schreibt das Kultusministerium dazu. Dies dürfte zu einem großen Teil auf die erhöhte gesellschaftliche Sensibilität zurückzuführen sein. In den genannten Zahlen sind nur Vorfälle mit rechtsextremistischem Hintergrund enthalten – nicht aber solche mit etwa islamistischem Hintergrund. „Grundsätzlich ist jede Art von Gewalt oder Diskriminierung – egal ob gegenüber Schülerinnen und Schülern oder gegenüber Lehrkräften – absolut inakzeptabel“, erklärte das Ministerium.
„Jüdische Kinder brauchen heute Unterstützung“
Der Antisemitismusbeauftragte der Landesregierung verweist dagegen auch auf einen zunehmenden Antisemitismus: „Seit dem digital live gestreamten Hamas-Terrormassaker des 7. Oktober 2023 haben sich die digitale Polarisierung und der Antisemitismus an vielen Schulen und Hochschule enorm gesteigert“, sagt Michael Blume. „Jüdische Kinder brauchen heute Unterstützung, Beratung und manchmal auch Schutz.“
Er betont, wie wichtig die umfassende Medienbildung für Kinder und Jugendliche an Schulen sei. „Wir wissen seit Jahren, dass antisemitische Verschwörungsmythen vor allem über nichteuropäische Konzernmedien wie TikTok, X und Instagram massiv bis auf die Schulhöfe verbreitet werden.“
Jüdische Gemeinde hofft auf Rückgang durch Waffenstillstand
Die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden sieht neben dem rechtsextremistisch motivierten Antisemitismus ein anderes Thema stärker im Vordergrund: „Was bei mir (…) ankommt, ist dass jüdische Schülerinnen und Schüler in den vergangenen zwei Jahren verstärkt auf den Schulhöfen mit dem sogenannten importierten islamistischen Antisemitismus zu tun haben, der sie ängstigt“, sagt der Vorsitzende Rami Suliman.
Der häufig verwendete Begriff „importierter Antisemitismus“ ist umstritten. Experten zufolge verkürzt diese Bezeichnung den Gesamtzusammenhang, weil er andere gesellschaftliche Faktoren ausblendet und komplexe Reaktionsmechanismen auf den Nahostkonflikt auf eine Herkunftsfrage reduziert.
Andere Meinungen, gemeinsame Hoffnung
Auch zeigen Auswertungen diverser Monitoring-Stellen, dass die Zunahme antisemitischer Vorfälle nicht allein mit dem Terrorangriff der Hamas erklärt werden kann. Unabhängige Menschenrechtsorganisationen werfen israelischen Regierung schwere Kriegsverbrechen vor, darunter unverhältnismäßige Militärschläge, kollektive Bestrafung der Bevölkerung und Verstöße gegen das Völkerrecht. Nach Angaben internationaler Hilfsorganisationen wurden seit Beginn des Krieges rund 60.000 Menschen getötet, mehrheitlich Zivilisten, darunter Frauen, Kinder und Ältere.
In Deutschland blieb, anders als in weiten Teilen der Erde, öffentliche Kritik am israelischen Vorgehen jedoch weitgehend aus – auch vonseiten jüdischer und israelischer Organisationen, die sich angesichts der Härte der Angriffe nur verhalten oder gar nicht äußerten. Bei Jugendlichen mit familiären oder emotionalen Bezügen in die Region, die den Krieg über soziale Medien nahezu in Echtzeit verfolgen, habe die auf den Hamas-Terror folgende Gesamtsituation Frust aufgebaut, der sich teilweise in antisemitischen Handlungen entladen habe.
Suliman von der Israelitischen Religionsgemeinschaft bestätigt das indirekt: Mit dem vor wenigen Wochen vereinbarten Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas und der Chance auf Frieden bestehe die Hoffnung, dass diese Art des Antisemitismus stark zurückgehen werde. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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