
ZDF-Umfrage irritiert
Merz‘ „Stadtbild“ treibt Menschen auf die Straße
Die Kritik an der „Stadtbild“-Äußerung von Kanzler Merz ist auf der Straße angekommen. Bei Kundgebungen in zahlreichen Städten wird ihm Rassismus vorgeworfen. Eine ZDF-Umfrage zum Thema verzerrt das Stimmungsbild – und sorgt für Irritationen.
Sonntag, 26.10.2025, 17:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 26.10.2025, 17:22 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Merz „Stadtbild“ treibt Menschen auf die Straße
Auch wenn die politische Debatte langsam etwas abebbt: Demonstranten in Hamburg, Bonn und anderen Städten haben am Wochenende erneut gegen die Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zu Migration und dem „Stadtbild“ protestiert. In Hamburg versammelten sich bei regnerischem Herbstwetter nach Polizeiangaben am Samstag rund 2.600 Demonstranten. Auf Transparenten forderten sie „Zusammenstehen gegen Rassismus und Spaltung“ und „Merz raus aus unserem Stadtbild!“.
Bei einer Kundgebung in Magdeburg, an der sich am Samstag etwa 300 Menschen beteiligten, sagte die Vertreterin eines afghanischen Frauenvereins, die Äußerungen von Merz, „haben viele von uns tief betroffen“. Migration werde dabei nicht als selbstverständlicher Teil Deutschlands verstanden, sondern als etwas Störendes.
Auch im Wohnort des Kanzlers, dem sauerländischen Arnsberg, demonstrierten am Samstag rund 150 Menschen. In Bonn waren es am Sonntag rund 200. In der Stadt am Rhein wurde zudem in der Nacht zum Samstag die CDU-Kreisgeschäftsstelle mit den Worten „Maßnahme zur Verschönerung des Stadtbildes“ beschmiert. Der Staatsschutz ermittelt.
Hessischer Minister fühlt sich gemeint
Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori, dessen Eltern aus dem Iran stammen, sagte bei einem Parteitag der Hessen-SPD: „Wenn ich zu Hause bei mir in Frankfurt kein Sakko trage und auf der Straße unterwegs bin, machen wir uns nichts vor, dann bin ich mit diesem sogenannten veränderten Stadtbild mitgemeint.“
Der Grünen-Vorsitzende Felix Banaszak schrieb in einem Beitrag für die Funke Mediengruppe, die Art und Weise, wie Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) über Migration und das „Stadtbild“ spricht, lehne er ab. Zur Wahrheit gehöre aber, dass es mancherorts „Angsträume“ gebe – „an Kleinstadtbahnhöfen herumlungernde Faschos und sturzbesoffene grölende Fußballfans in Zügen“. Ebenso gebe es „kriminelle Gruppen auch aus migrantischen Familien, die am Freitagabend Leute abziehen oder Frauen belästigen“.
Teil der Realität in Deutschland sei aber auch, dass Menschen Rassismus erlebten und zwar „ganz egal, wie viele Jobs oder Universitätsabschlüsse sie haben“.
Banaszak wirft Merz „Stammtisch-Gerede“ vor
Über all diese Themen müsse man sprechen – ehrlich und unmissverständlich, fordert der Grünen-Vorsitzende, der aus Duisburg stammt. Merz habe dies allerdings nicht getan. Denn es sei unehrlich, „die Zustände zu beklagen, die seine Partei mitzuverantworten hat“. Wer Integrationsarbeit an Ehrenamtliche auslagere, Frauenhäuser chronisch unterfinanziere und die öffentliche Infrastruktur vernachlässige, dürfe sich nicht durch „Stammtisch-Gerede“ aus der Verantwortung stehlen.
Merz hatte am 14. Oktober gesagt, die Bundesregierung korrigiere frühere Versäumnisse in der Migrationspolitik und mache Fortschritte, „aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen“. Später sagte er auf Nachfrage: „Fragen Sie mal Ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte.“
Am Mittwoch konkretisierte er dann, Probleme würden diejenigen Migranten machen, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus hätten, nicht arbeiteten und die sich auch nicht an die in Deutschland geltenden Regeln hielten.
ZDF-Umfrage sorgt für Diskussionen
Für die konkretisierte Aussage bekommt Merz laut einer Umfrage überwiegend Zuspruch von der Bevölkerung. 63 Prozent der Befragten im ZDF-Politbarometer gaben dem CDU-Vorsitzenden recht, dass es im Stadtbild Probleme mit denjenigen Migranten gebe, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus haben, nicht arbeiten und gegen Regeln verstoßen. 29 Prozent halten die Aussage nicht für berechtigt.
Für Irritationen sorgte das ZDF allerdings mit der Darstellung der Umfrage. In der Chart-Grafik wird der Eindruck erweckt, 63 Prozent der Befragten hätten der ursprünglichen, nicht konkretisierten Aussage von Merz zugestimmt. ZDF-Korrespondent Andreas Kynast postete die Grafik im Kurznachrichtendienst „X“ und kommentiert sie mit den Worten: „Stadtbild-Debatte: 63 Prozent finden, Merz hat recht.“ Im Netz sorgt das für Diskussionen, in rechten Bubbles zieht die Grafik weite Kreise.
Stadtbild-Debatte:
63 Prozent finden, Merz hat recht pic.twitter.com/kAehEO4EEC
— Andreas Kynast (@andikynast) October 24, 2025
Kritik an der ZDF-Umfrage
Der Grünen Europapolitiker Erik Marquardt kritisiert: „Überraschend, dass das ZDF-Politbarometer diese Umfrage so verzerrt darstellt: Statt nach der Originalaussage von Merz zu fragen, die tagelang diskutiert wurde, wird in der Umfrage seine späte Rechtfertigung ergänzt. In der Grafik wird das aber gar nicht erwähnt. So geht Framing.“
Ähnlich sieht es Ruprecht Polenz, früherer CDU-Generalsekretär. Er schreibt: „So kann man mE nicht vorgehen. Die Diskussion wurde durch die erste Aussage ausgelöst. Die ‚präzisierte Aussage‘ hätte überhaupt keine Diskussion ausgelöst. Die Grafik des Politbarometers suggeriert, es sei nach Zustimmung zur ursprünglichen Merz-Äußerung gefragt worden.“ (dpa/mig) Gesellschaft Leitartikel
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