Friedrich Merz, Politik, CDU, Politiker, Rede
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bei der CDU-Klausur © John MacDougall/AFP

Keine Entschuldigung

Merz will AfD mit „Stadtbild“ besiegen

Kanzler Merz streicht die Brandmauer aus dem Sprachgebrauch der CDU. Der AfD sagt er erneut den Kampf an – mit einem positiven „Deutschlandbild“. An seiner „Stadtbild“-Aussage hält er aber fest – trotz anhaltender Kritik.

Montag, 20.10.2025, 17:44 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 20.10.2025, 16:56 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Die CDU geht mit einer deutlichen Kampfansage an die AfD in die fünf Landtagswahlen im nächsten Jahr. „Wir werden uns von diesen Leuten nicht zerstören lassen. Den Beweis werden wir in den nächsten Monaten erbringen“, sagte der Parteivorsitzende und Bundeskanzler Friedrich Merz nach einer zweitägigen Strategietagung des CDU-Präsidiums in Berlin. Er kündigte erneut einen klaren Abgrenzungskurs gegenüber der AfD an, distanzierte sich aber vom Begriff der Brandmauer.

Seine umstrittene Äußerung zu Problemen im Stadtbild in Deutschland verteidigte Merz in einer Pressekonferenz mit CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann vehement. „Ich habe gar nichts zurückzunehmen“, sagte er. „Im Gegenteil, ich unterstreiche es noch einmal: Wir müssen daran etwas ändern und der Bundesinnenminister ist dabei, daran etwas zu ändern und wir werden diese Politik fortsetzen.“ Wer seine Töchter frage, werde auf die Frage, was er mit seinen Äußerungen gemeint habe, vermutlich „eine ziemlich klare und deutliche Antwort“ bekommen.

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Der Kanzler war am Dienstag bei einem Termin in Potsdam von einem Reporter auf das Erstarken der AfD angesprochen worden. Er sagte daraufhin unter anderem, dass man frühere Versäumnisse in der Migrationspolitik korrigiere und Fortschritte mache. „Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.“ Die Äußerung war von der Opposition, aber auch aus der SPD kritisiert worden.

Demonstranten fordern Vielfalt

Zu einer Demonstration gegen seine Äußerung am Sonntag sagte Merz: „Wer dann meint, dagegen demonstrieren zu müssen, der soll es tun. Der setzt sich dann allerdings auch der Frage aus, ob er ein Interesse daran hat, ein Problem zu lösen oder ob er eher ein Interesse daran hat, möglicherweise den Keil in unsere Gesellschaft zu treiben.“

Am Sonntag hatten nach Merz‘ „Stadtbild“-Aussage Hunderte am Brandenburger Tor in Berlin für Vielfalt und gegen Rassismus demonstriert. Mit Feuerzeugen und Handy-Taschenlampen bildeten die Demo-Teilnehmer am Abend ein Lichtermeer und skandierten „Wir, wir, wir sind das Stadtbild!“ Redner auf einer Bühne direkt vor dem Wahrzeichen warfen dem CDU-Chef und Bundeskanzler eine mangelnde Abgrenzung zur AfD vor.

Auf zum Teil selbstgemalten Plakaten und Transparenten war zu lesen „AfD-Verbot jetzt!“, „Lieber Menschenrechte als rechte Menschen“, „Wir freuen uns über alle Menschen“ oder „Friedrich Merz – ist das ein Scherz?“ Andere betonten kurz und knapp: „Berlin ist bunt!“ Ein Redner sagte: „Ich stehe hier als jemand, dessen Vater Kurde ist. Ist mein Vater ein Problem im Stadtbild – oder bin ich es?“ Im Grundgesetz heiße es: „Die Würde des Menschen ist unantastbar – nicht des Deutschen.“ Wer die Sprache der extremen Rechten übernehme, stärke sie, kritisierte der Redner.

Brantner: Millionen unter Generalverdacht

Auch aus der Politik ebbt die Kritik an Merz nicht ab. Grünen-Chefin Franziska Brantner hat mit Unverständnis auf die wiederholten Aussagen von Merz reagiert. Es sei nicht akzeptabel und unverantwortlich für einen Kanzler, „einfach mal pauschal Millionen Deutsche unter Generalverdacht zu stellen“, sagte Brantner in Berlin.

„Ich will nicht meine Tochter fragen müssen, was Herr Merz meint. Herr Merz muss beantworten, was er mit diesen Aussagen denn wirklich meint“, sagte Brantner. „Wir brauchen einen Kanzler, der verbindet und nicht einen Kanzler, der in rätselhaften Sätzen spricht, die alle unter Verdacht stellen und dann auf irgendwelche Töchter verweist.“

Reichinnek: Merz kippt Benzin ins Feuer

Heidi Reichinnek, Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, erklärte: „Dieser Auftritt von Friedrich Merz war ein Offenbarungseid. Erst redet er über eine Abgrenzung von der AfD, nur um wenige Minuten später nicht nur seine rassistischen Stadtbild-Äußerungen zu verteidigen, sondern noch mehr Benzin ins Feuer zu kippen. Den Schutz von Frauen vor Gewalt als Argument gegen Migration ins Feld zu führen, kennen wir von Rechtsaußen nur zu gut“.

Merz behaupte zwar, sich von der AfD abgrenzen zu wollen, er übernehme aber immer deutlicher deren Rhetorik und Inhalte. „Ein Kanzler mit diesem Denken und Handeln wird die AfD nicht schwächen, er wird sie stärken. Die Regierung und damit auch die Union haben die Verantwortung, der AfD ihren Nährboden zu entziehen“, sagte Reichinnek.

CDU will AfD mit positivem „Deutschlandbild“ besiegen

Schwerpunktthema der Klausur war die Strategie der CDU für die fünf Landtagswahlen im kommenden Jahr. Die Ausgangslage ist düster. In bundesweiten Umfragen kommt die AfD inzwischen auf 25 bis 27 Prozent und hat mit der Union gleichgezogen. In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, wo nächstes Jahr neue Landesparlamente gewählt werden, ist die AfD mit Werten an die 40 Prozent in den Umfragen bereits mit Abstand stärkste Partei. Alle bisherigen Versuche, den Aufstieg der Partei durch Übernahme seiner Inhalte und Forderungen zu stoppen, sind gescheitert.

Die CDU will trotzdem keinen Kurswechsel. „Wir haben mit dieser Partei keinerlei Übereinstimmung – weder in den Grundüberzeugungen noch in den tagespolitischen Fragen, die es zu beantworten gilt“, sagte Merz. Mehrfach warf er der AfD vor, die CDU erklärtermaßen zerstören zu wollen. Der „Miesmacherrhetorik“ der AfD wolle er nun ein „anderes Deutschlandbild“ entgegensetzen, sagte Merz und kündigte ein positives „Deutschlandbild“ an.

Den Begriff der Brandmauer legte Merz ad acta. „Das ist nicht unser Sprachgebrauch. Das war er nicht und das ist er nicht“, sagte er. Der CDU-Chef hatte diesen Begriff in der Vergangenheit allerdings auch schon verwendet. So sagte er im Dezember 2021 dem „Spiegel“. „Mit mir wird es eine Brandmauer zur AfD geben.“

Merz will CDU bei fünf Wahlen zur stärksten Kraft machen

Unabhängig vom Sprachgebrauch erklärte Merz die AfD erneut zum „Hauptgegner“ für die Wahl. „Und ich kann jedem nur raten, es ernst zu nehmen, wenn wir jemanden als Hauptgegner bezeichnen. Dann bekämpfen wir ihn wirklich.“ Das hätten die Grünen bei der jüngsten Bundestagswahl erfahren.

Die CDU wolle und könne bei allen fünf Wahlen die stärkste politische Kraft werden, sagte Merz. Sie werde sich künftig noch klarer von der AfD abgrenzen. „Wichtig ist vor allem, dass wir dem eine erfolgreiche Regierungsarbeit entgegensetzen.“ Das sei nicht nur eine Aufgabe der Union, sondern auch des Koalitionspartners SPD. „Wenn wir gemeinsam erfolgreich regieren, dann wird es keine sogenannte Alternative für Deutschland mehr brauchen.“ (dpa/mig) Leitartikel Politik

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