
Brandenburg
Schulleiter untersagt AfD-Schülerpraktikum – dann: Hetze im Netz
Ein Schulleiter verhindert ein AfD-Praktikum und sieht sich danach einer Welle aus bösen Kommentaren und Drohungen ausgesetzt. Es entbrennt eine Debatte um Neutralitätspflicht. Was sagen Bildungsministerium und eine Bildungsexpertin dazu?
Mittwoch, 15.10.2025, 16:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 15.10.2025, 17:01 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Eine Bildungsexpertin der Universität Potsdam hält die Haltung eines Schulleiters, der einem Schüler ein Praktikum bei der brandenburgischen AfD-Landtagsfraktion untersagte, für richtig und nachvollziehbar. „Der Schulleiter ist seinem Bildungs- und Schutzauftrag nachgekommen, indem er die Würde des Menschen als obersten Maßstab ernst nimmt und Schülerinnen und Schüler vor menschenfeindlichen Ideologien schützt“, sagte die Universitätsprofessorin für Erziehungs- und Sozialisationstheorie, Nina Kolleck, der Deutschen Presse-Agentur in Potsdam.
Ein Schulleiter aus dem Kreis-Potsdam-Mittelmark untersagte ein Schülerbetriebspraktikum für einen Schüler einer 10. Klasse in der AfD-Fraktion des Landtages, wie das Bildungsministerium bestätigte. Die AfD-Landtagsfraktion hatte dies als inakzeptabel kritisiert und den Fall vergangene Woche in sozialen Medien öffentlich gemacht.
Es folgte eine Flut von Hasskommentaren und auch Drohungen gegen den Schulleiter: Er solle sofort entlassen werden, er gehöre an den Pranger, solle abgeschoben werden, auch von „aufhängen“ war zu lesen. „Die Eltern sollten sich den Typen mal vornehmen“, hieß es. Laut Bildungsministerium in Potsdam gab es auch E-Mails mit „unangemessenen verbalen Angriffen“. Mehrere Medien berichteten über den Fall. Der besagte Schüler hatte nach Angaben der AfD-Fraktion bereits ein Praktikum bei der AfD gemacht und wollte nun noch ein weiteres absolvieren.
Bildungsministerium unterstützt Schulleiter
Die Behörde des brandenburgischen Bildungsministers, Steffen Freiberg (SPD), hält die Entscheidung der Schulleitung gegen das Praktikum für richtig. Sie sei mit der Einstufung des AfD-Landesverbandes Brandenburg durch den Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistische Bestrebung begründet.
Lehrkräfte müssten sich an der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, dem Grundgesetz sowie den Schulgesetzen der Länder orientieren, sagte die Universitätsprofessorin Kolleck. Da die AfD in Brandenburg vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft werde, könne eine Schulleitung im Rahmen ihres pädagogischen Ermessens und zur Wahrung des Schulfriedens entscheiden, ein solches Praktikum nicht zu genehmigen und dies fachlich begründen.
Gibt es eine Neutralitätspflicht?
Eine gesetzlich normierte allgemeine Neutralitätspflicht für Lehrkräfte gebe es nicht, so Kolleck. Es gelte das parteipolitische Neutralitätsgebot des Staates und für Lehrkräfte eine Pflicht zu professioneller Zurückhaltung im Amt. Indoktrination – etwa Werbung für Parteien oder die Vorgabe, eine bestimmte Partei zu wählen – sei unzulässig.
Im Unterricht gehe es darum, kontroverse Meinungen abzubilden, Lehrkräfte müssten aber auch Haltung zeigen, wenn Grundwerte verletzt würden. Es sei für Lehrkräfte aber auch schwierig, im Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und Schutzauftrag der Schule zu agieren.
Bildungsministerium prüft juristische Schritte
Das Bildungsministerium teilte am Dienstag weiter mit, die verbalen Angriffe gegen den Schulleiter könnten nicht hingenommen werden. Die Schulaufsicht habe die Polizei informiert und behalte sich vor, „gegen beleidigende und ehrabschneidende Aussagen juristische Schritte einzuleiten“.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion Dennis Hohloch sagte am Dienstag, wenn eine bestimmte Partei ausgeschlossen werde, sei Schule auf dem Kurs der Unterdrückung der Meinungsfreiheit und der Bildung der eigenen Persönlichkeit von Schülern. Ein Praktikant lerne in der Faktion, wie der Landtag aufgebaut sei, wie Anträge geschrieben werden und wie ein Gesetzgebungsverfahren laufe. Der Schulleiter müsse sich der Kritik aussetzen. „Wenn Kritik Bedrohung bedeutet, ist die Grenze natürlich überschritten“.
AfD setzt Lehrkräfte unter Druck
Dem halten AfD-Kritiker entgegen, dass die AfD im schulischen Kontext selbst nicht um Neutralität bemüht ist, sondern gezielt Stimmung macht. Zuletzt sorgte ein Meldeportal der AfD für Aufsehen, mit der Gewaltvorfälle gesammelt werden, die vermeintlich von Schülern mit Migrationserfahrung ausgehen. Zuvor hatte die AfD ein Meldeportal betrieben, über das Schüler und Eltern angebliche Verstöße von Lehrkräften melden sollten, wenn sie der Meinung sind, dass das Neutralitätsgebot verletzt wird. Das Portal wurde als Einschüchterungsinstrument verstanden. Das Portal wurde später verboten, und das Verwaltungsgericht Schwerin bestätigte dieses Verbot.
Auch neuere Varianten des Portals werden als Reaktivierungen dieser Strategie gewertet. Lehrkräfte berichten, dass sie durch solche Plattformen, durch öffentliche Kritik oder durch parlamentarische Initiativen der AfD verunsichert oder unter Druck gesetzt wurden. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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