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Waffe am Rücken (Symbolfoto) © un-perfekt @ pixabay.com (Lizenz), bearb. MiG

„Unbegreiflich“

Im Südwesten bekommen Rechtsextremisten weiter Waffenscheine

Trotz schärferer Überwachung vergibt Baden-Württemberg weiterhin Waffenscheine an Rechtsextreme und Reichsbürger. Mehr als jeder zweite Antrag wurde zuletzt genehmigt – „unbegreiflich“.

Von Montag, 13.10.2025, 10:33 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 12.10.2025, 13:34 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Waffenscheine und Waffenbesitzkarten werden in Baden-Württemberg immer wieder an Rechtsextremisten sowie sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter ausgegeben – auch wenn der Staat seit Jahren für die Entwaffnung solcher Extremisten kämpft. Warum ist das so? Und wie groß ist das Problem? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie viele Extremisten im Land besitzen derzeit Waffen?

Nach Angaben des Innenministeriums waren zum Stichtag 31. Dezember 2024 im Südwesten insgesamt 181 Personen aus rechtsextremistischen oder staatsfeindlichen Milieus im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis – darunter 122 Rechtsextremisten, 48 „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ sowie elf Personen, die der sogenannten „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ zugeordnet werden.

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Davon besaß rund die Hälfte einen sogenannten Kleinen Waffenschein. Dieser berechtigt laut Innenministerium zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen. Eine Waffenbesitzkarte erlaubt den Erwerb und den Besitz von Schusswaffen, nicht aber das Führen in der Öffentlichkeit.

Steigt die Zahl bewaffneter Extremisten?

Das ist schwierig zu sagen, da die Zahlen fließend sind, die Behörden heute genauer hinschauen und sich Waffenbesitzer im Zeitverlauf radikalisieren können. Ende 2024 waren 181, Ende 2023 nur 169 Rechtsextremisten, „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ im Besitz einer Waffenerlaubnis. „Dass die Anzahl im Vergleich zum Vorjahr nochmals angestiegen ist, ist mir unbegreiflich“, kritisiert der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Boris Weirauch. „Ich fordere den Innenminister auf, dem Einhalt zu gebieten: Jede Waffe in den Händen von Extremisten ist eine zu viel.“

Insgesamt 43 Waffen wurden im vergangenen Jahr von Rechtsextremisten, „Reichsbürgern“ und Selbstverwaltern eingezogen.

Aber auch die statistische Erhebung spielt eine Rolle. Seit Ende 2023 werden erstmals alle vom Verfassungsschutz als Extremisten eingestuften Waffenbesitzer erfasst – unabhängig davon, ob die Erkenntnisse für einen Entzug der Waffen ausreichen oder ob die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes offen gerichtsverwertbar sind.

Aber nicht nur die Entwaffnung der Extremisten ist schwierig – in Baden-Württemberg werden weiterhin neue Waffenscheine und Waffenbesitzkarten an Rechtsextremisten, Reichsbürger und Selbstverwalter ausgegeben.

Wie viele Extremisten haben zuletzt Waffenerlaubnisse beantragt – und bekommen?

Im vergangenen Jahr haben 19 Extremisten aus den oben genannten Phänomenbereichen einen Antrag auf eine waffenrechtliche Erlaubnis gestellt. 12 davon wurden von den Waffenbehörden positiv beschieden – also mehr als jeder zweite Antrag. Im Jahr 2023 sind von 13 Anträgen immerhin 4 bewilligt worden. Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums an die SPD-Fraktion hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Warum stellt der Staat Waffenscheine für Extremisten aus?

Eine Person kann zwar vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft sein, aber nach dem Waffengesetz trotzdem als zuverlässig gelten – solange keine vom Gericht verwertbaren Belege für verfassungsfeindliche Aktivitäten vorliegen. Mit anderen Worten: Nicht jede Erkenntnis, die für den Geheimdienst besorgniserregend ist, reicht rechtlich für ein Waffenverbot aus. Und: „Zum Teil lagen die Erkenntnisse auch zu lange zurück oder die Antragsteller haben sich glaubhaft von den Vorwürfen distanziert“, teilte das Innenministerium in der Antwort auf die Anfrage mit.

Der Verfassungsschutz darf zudem viele Informationen über Extremisten nicht an die Waffenbehörden weitergeben, wenn sie aus geheimen Quellen stammen, etwa von V-Leuten. Solche sogenannten eingestuften Erkenntnisse sind in Verwaltungsverfahren nicht verwertbar. Sonst besteht die Gefahr, dass diese Quellen offengelegt und Menschen gefährdet werden. V-Leute, also sogenannte Vertrauenspersonen, sind Informanten, die dem Verfassungsschutz Informationen aus dem inneren Umfeld extremistischer oder krimineller Gruppen liefern. Das Innenministerium spricht von einem rechtlichen Dilemma. (dpa/mig) Aktuell Panorama

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