
Ohne Hoffnung in Kabul
Abgeschoben statt aufgenommen
Eigentlich hatte Husna Rahmani schon eine Aufnahmezusage aus Deutschland. In Pakistan wartete die afghanische Menschenrechtlerin auf ihre Ausreise – bis sie vor wenigen Wochen abgeschoben wurde. Zurück in Kabul fürchtet sie nun um ihre Sicherheit.
Von Julian Busch Sonntag, 14.09.2025, 11:14 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 14.09.2025, 11:35 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Stimme von Husna Rahmani klingt hektisch und müde zugleich. Sie meldet sich an einem frühen Septembermorgen per Telefon von einem sicheren Ort in Kabul. Seit ihrer Abschiebung aus Pakistan nach Afghanistan vor wenigen Wochen habe sie den kleinen Raum in ihrer Unterbringung mit ihren Kindern nicht verlassen, aus Angst, die Taliban könnten sie entdecken. Im Internet kursierten überall Videos von ihren Reden und Aktivitäten für die Menschen- und Frauenrechte in Afghanistan. „Sie können mich jeden Moment identifizieren und verhaften. Sie müssen nur meinen Namen googeln“, sagt die 30-Jährige.
Am 16. August wurde Rahmani mit ihren beiden Kindern von Pakistan zurück nach Afghanistan abgeschoben – trotz einer Aufnahmezusage aus Deutschland. Rahmani, deren richtiger Name aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich genannt werden kann, ist eine von 248 Afghaninnen und Afghanen, die davon betroffen sind.
Seit Herbst 2023 hat die pakistanische Regierung den Kurs gegen die afghanische Exil-Gemeinde im Land deutlich verschärft. Hunderttausende Menschen wurden seitdem in ihre alte Heimat abgeschoben.
2.300 Menschen mit deutscher Aufnahmezusage
Gefährdet sind auch die rund 2.300 Menschen mit einer Aufnahmezusage aus Deutschland, die unter der Ampel-Regierung erteilt wurden. Viele der Afghaninnen und Afghanen mit einer Zusage, darunter ehemalige Ortskräfte, Menschenrechtsaktivisten, Journalistinnen oder Künstler, sind in Gästehäusern untergebracht, die von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) betreut werden. In der Hauptstadt Islamabad sollte ihre Identität überprüft und Sicherheitschecks durchgeführt werden, bevor Visa erteilt werden.
Rahmani war knapp sechs Monate nach der Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 mit ihren beiden Kindern nach Pakistan geflohen. Die Menschenrechtsaktivistin und ehemalige Journalistin wurde im April 2024 in das deutsche Aufnahmeprogramm aufgenommen, das bereits ihre Mutter und Geschwister erfolgreich durchlaufen hatten.
Bearbeitung ohne Entscheidung
Die deutschen Behörden erfassten die Familie in Pakistan biometrisch und führten im März ein Interview für ein Visum. Doch zu einer endgültigen Entscheidung kam es nie.
Die Bundesregierung aus SDP und Union hatte die Bearbeitung der Anträge zunächst ausgesetzt. Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, Aufnahmeprogramme „soweit wie möglich“ zu beenden. Zwar betonte Außenminister Johann Wadephul (CDU) wiederholt, dass verbindliche Zusagen eingehalten würden. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) pocht aber darauf, nur diejenigen aufzunehmen, die eine rechtsverbindliche Aufnahmezusage haben und eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen haben. Deshalb wird jetzt erneut jeder Einzelfall geprüft.
Festgenommen und abgeschoben
Dabei war klar, dass die Uhr in Pakistan tickt. Monatelang hatte die Regierung mit Razzien und Abschiebungen in den Gästehäusern gedroht, sollten Drittländer wie auch Frankreich oder die USA ihre Ausreiseprogramme nicht schneller beenden. Vergangenen Monat schließlich wurden innerhalb weniger Tage Hunderte Menschen festgenommen und zum Teil später nach Afghanistan abgeschoben, darunter Husna Rahmani.
Die Menschenrechtlerin erinnert sich noch gut an den Morgen des 13. August. Die pakistanischen Polizisten hätten die Tür ihres Zimmers aufgebrochen und die Familie zusammen mit anderen Afghaninnen und Afghanen in die Abschiebeeinrichtung Haji-Camp in der Hauptstadt Islamabad transportiert. Stundenlang habe sie mit ihren beiden Kindern auf engstem Raum ausharren müssen, es habe kaum Verpflegung oder Wasser und nur zwei Toiletten für mehr als 80 Menschen gegeben. „Wir wurden behandelt, als seien wir die gefährlichsten Terroristen auf der Welt“, erzählt Rahmani. Immer wieder hätten Polizisten die Menschen geschlagen und beschimpft.
Depressionen und Panikattacken
Viele der Abgeschobenen hätten in Afghanistan Depressionen und Panikattacken entwickelt, nähmen Beruhigungstabletten, weil sie ihre Zimmer aus Sicherheitsgründen nicht verlassen dürften und weil unklar sei, was mit ihnen geschehe, sagt Rahmani. Wie sie hätten viele bei ihrer Abreise nach Pakistan alles zurückgelassen und niemanden mehr in Afghanistan, an den sie sich wenden könnten.
Hoffnung, dass die deutschen Behörden sie nach Pakistan zurückholen, hat Rahmani nicht. „Wenn sie sich richtig gekümmert, mit der pakistanischen Regierung verhandelt und unsere Visa gültig gehalten hätten, wäre heute keiner von uns abgeschoben worden.“ Erst vor wenigen Tagen habe sie eine E-Mail von der GIZ erhalten, in der es hieß, es gebe leider weder neue Informationen noch Entscheidungen darüber, was nun geschehen solle. (epd/mig) Aktuell Ausland
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