
ElfBar-Boom
Wenn Nikotin zur Kostenfalle wird
Bunte Farben, süße Geschmacksrichtungen und der Schein einer billigen Alternative – Einweg-E-Zigaretten wie ElfBar sind längst ein Massenprodukt. Besonders Jugendliche mit Migrationsgeschichte greifen zu. Lifestyle oder Kostenfalle?
Donnerstag, 04.09.2025, 0:58 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 05.09.2025, 10:01 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Wer in diesen Tagen durch deutsche Innenstädte läuft, findet ElfBar an fast jeder Ecke: in Tankstellen, Kiosken, Shisha-Läden. Die kleinen, bunten Einweg-E-Zigaretten sehen harmlos aus, versprechen fruchtigen Geschmack und unkomplizierten Konsum. Kein Stopfen, kein Anzünden, kein Tabakgeruch – einfach ziehen und dampfen. Für viele Jugendliche wirkt das wie die unkomplizierte Alternative zur klassischen Zigarette.
Besonders erfolgreich ist das Modell „ElfBar 600“, das bis zu 600 Züge verspricht – angeblich so viel wie zwei Schachteln Zigaretten. Doch was zunächst günstig klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als teure Kostenfalle. Und sie betrifft vor allem Gruppen, die ohnehin mit knappen Budgets leben.
Rauchkultur als Teil des Alltags
Viele Menschen, die nach Deutschland kommen, bringen ein anderes Verhältnis zum Rauchen mit. In Herkunftsländern wie Syrien oder dem Libanon ist Tabak weit günstiger als in Deutschland. Shisha-Bars sind dort fester Bestandteil des Alltags, Zigaretten gehören oft ebenso selbstverständlich zum sozialen Leben wie Tee oder Kaffee.
Diese Kultur verschwindet nicht an der Grenze. Wer migriert, nimmt Gewohnheiten mit. Auch Geflüchtete, die in Deutschland ankommen, kämpfen mit Nikotinsucht – nur dass sie sich Tabakprodukte hier kaum leisten können. Besonders Geflüchtete in der Erstaufnahme oder Menschen, die von Asylbewerberleistungen leben, stehen vor einem Problem: Die Sucht bleibt, das Geld reicht nicht.
Die vermeintlich günstige Alternative
Genau an dieser Stelle kommt ElfBar ins Spiel. Für wenige Euro gibt es die bunten Einweg-Vapes in unzähligen Geschmacksrichtungen: Apfel-Pfirsich, Blaubeere-Himbeere oder klassisch Menthol. Zudem ist es bequem, ElfBar zu bestellen – Online-Shops bieten sie niederschwellig an. Das wirkt auf Jugendliche wie eine harmlose Süßigkeit für zwischendurch – nur eben mit Nikotin.
Die Realität sieht anders aus. Eine ElfBar enthält etwa zwei Milliliter Liquid mit 20 Milligramm Nikotinsalz – eine Dosis, die abhängig machen kann. Wer regelmäßig dampft, kauft bald mehrere Geräte pro Woche. Aufgerechnet kostet die angeblich günstige Alternative mehr als ein Päckchen herkömmlicher Zigaretten. Für Familien mit knappem Einkommen ist das eine zusätzliche finanzielle Belastung.
Jugendliche im Fokus
Besonders problematisch: ElfBar spricht eine Zielgruppe an, die ohnehin stark gefährdet ist. Studien zeigen, dass Jugendliche mit Migrationsgeschichte häufiger rauchen als ihre gleichaltrigen deutschen Mitschüler:innen. Gründe sind vielfältig: Tabakkonsum in der Familie wird weniger tabuisiert, Shisha gilt nicht als „echtes Rauchen“, und der Gruppendruck ist hoch.
Produkte wie ElfBar verstärken diesen Trend. Die bunten Verpackungen, die süßen Aromen und die einfache Handhabung wirken wie ein bewusstes Lockmittel. Während die klassische Zigarette in Deutschland längst ihren Coolness-Faktor verloren hat, wird das Vape-Stäbchen zum neuen Statussymbol. Für viele Jugendliche mit Migrationserfahrung ist es der Einstieg in eine Abhängigkeit, die sie finanziell und gesundheitlich teuer zu stehen kommen kann.
Politische Untätigkeit
Während Länder wie Frankreich und Großbritannien bereits ein Verbot von Einweg-E-Zigaretten vorbereiten, herrscht in Deutschland politische Zurückhaltung. Zwar wird über strengere Regulierung diskutiert, doch konkrete Maßnahmen lassen auf sich warten.
Dabei ist die Problematik offensichtlich: diese Produkte erzeugt riesige Mengen Elektroschrott, ist gesundheitlich riskant und spricht gezielt Jugendliche an. Trotzdem bleibt es bei Appellen und Warnungen. Schulen und Jugendzentren berichten, dass Präventionsarbeit kaum finanziert wird. Besonders in Stadtteilen mit hoher Migrationsdichte fehlt es an Aufklärung.
Integration und Prävention gehören zusammen
Die Diskussion über Integration konzentriert sich oft auf Arbeit und Sprache. Weniger Beachtung findet, dass auch Konsumtrends und Suchtprävention entscheidend für Teilhabe sind. Wer jung abhängig wird, verliert Chancen – im Bildungsweg, im Berufsleben, im sozialen Umfeld.
Produkte wie ElfBar zeigen exemplarisch, wie schnell neue Probleme entstehen, wenn Prävention verschlafen wird. Besonders Jugendliche mit Migrationserfahrung brauchen Angebote, die ihre Lebenswelt ernst nehmen und Alternativen aufzeigen. Denn wer nur mit Verboten reagiert, erreicht sie nicht. (eb) Panorama
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