
Studie
Migranten in Wohnungsnot: neuer Höchststand
Die Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe haben es immer öfter mit Menschen mit Migrationserfahrung zu tun – und erwerbstätigen Menschen sowie Familien. Der Verband warnt vor einer Verarmung größerer Bevölkerungsteile.
Donnerstag, 21.08.2025, 13:15 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 21.08.2025, 13:15 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Wohnungsnot trifft in Deutschland überdurchschnittlich oft Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. In einem am Donnerstag in Berlin von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) veröffentlichten Bericht heißt es, gut 38 Prozent aller Klienten der Wohnungsnotfallhilfe verfügten über keine deutsche Staatsangehörigkeit. Dies sei ein neuer Höchststand. Der Verband spricht von einem besorgniserregenden Trend.
Die Überrepräsentation von Personen ohne deutschen Pass ist dem Bericht zufolge nicht zufällig, sondern das „Resultat struktureller Benachteiligungen und Mechanismen gesellschaftlicher Ausgrenzung“, heißt es in dem Bericht. Beispiele für diese Benachteiligungen seien vielfältig: „Auf dem Wohnungsmarkt sehen sich Menschen mit (zugeschriebenem) Migrationshintergrund systematischen Diskriminierungen ausgesetzt. So berichtet jede*r dritte Wohnungssuchende mit Migrationshintergrund von rassistischer Diskriminierung“, schreiben die Studienautoren. Testing-Studien belegten benachteiligende Praktiken durch Vermieter.
Auch mehr Erwerbstätige von Wohnungsnot betroffen
Die BAGW stützt sich auf die Auswertung von mehr als 43.000 Beratungsgesprächen in 237 Einrichtungen aus dem Jahr 2023. Laut Statistik waren drei Viertel der Klienten „von Wohnungslosigkeit betroffen“ (74,6 Prozent), verfügten also über keinen „abgesicherten Wohnraum“. Fast jeder Zehnte (9,3 Prozent) war „unmittelbar von Wohnungslosigkeit bedroht“. 3,3 Prozent der Beratungen betrafen „unzumutbare Wohnverhältnisse“. Hinzu kamen Beratungen, bei denen kein aktueller Wohnungsnotfall vorlag.
Wie aus dem Bericht außerdem hervorgeht, sind zunehmend auch erwerbstätige Menschen von Wohnungsnot betroffen. Inzwischen seien 13,1 Prozent der Klienten erwerbstätig, fast zwei Prozentpunkte mehr als 2015 (11,3 Prozent; 2019: 12,4 Prozent). Beunruhigend ist laut BAGW der anhaltend hohe Anteil von Familien in der Wohnungsnotfallhilfe. So lebten elf Prozent aller erfassten Personen mit mindestens einem Kind im Haushalt.
Expertin fordert mehr Prävention
Die Vorsitzende der BAGW, Susanne Hahmann, forderte einen deutlichen Ausbau des sozialen Wohnraums, um Wohnungslosigkeit wirksam bekämpfen zu können. „Zentrale Stellschraube ist der bezahlbare Wohnraum“, sagte Hahmann dem Evangelischen Pressedienst: „Die Anzahl der Wohnungen mit Sozialbindung muss wieder steigen. Wir befinden uns heute in einer Krise, die absehbar war, und vor der wir schon vor 20 Jahren gewarnt haben.“
Hahmann forderte zugleich mehr Prävention. Dazu gehöre es, Zwangsräumungen zu vermeiden und höhere Mietobergrenzen in den Jobcentern. Zudem müsse der uneingeschränkte Zugang zu Hilfen gewährleistet werden, unabhängig vom Aufenthaltsstatus der betroffenen Personen. Hahmann ist Geschäftsführerin der Diakonie Michaelshoven Soziale Hilfen GmbH in Köln.
Kampf gegen Obdachlosigkeit „unrealistisch“
Das vom Europäischen Parlament und vom Bundestag ausgegebene Ziel, bis 2030 die Obdach- und Wohnungslosigkeit abzuschaffen, nannte sie unrealistisch. Es hänge nun an Bauministerin Verena Hubertz (SPD), inwieweit der Nationale Aktionsplan zur Beseitigung der Wohnungslosigkeit mit finanziellen Mitteln ausgestattet und konkreten Maßnahmen untermauert werde. „Nur dann kann sich etwas bewegen“, sagte die Diakonie-Geschäftsführerin: „Das Recht auf eine Wohnung ist ein wichtiges Menschenrecht.“
Das Statistische Bundesamt hatte im Juli einen erneuten Anstieg der Wohnungslosenzahlen in Deutschland gemeldet. Demnach waren zum Stichtag 31. Januar 2025 rund 474.700 Menschen in überlassenem Wohnraum, bei Freunden, in Sammelunterkünften oder Einrichtungen für Wohnungslose untergebracht, acht Prozent mehr als im Vorjahr. (epd/mig) Gesellschaft Leitartikel
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