Kind, Wasser, Dürre, Armut, Hunger, Feld, Klimawandel
Kind an einer ausgetrockneten Wasserstelle in Tansania © de.depositphotos.com

Jahresberichte

„Jeder elfte Mensch ist hungrig“

Eine Welt ohne Hunger ist in weite Ferne gerückt. Laut der Welthungerhilfe leidet aktuell jeder elfte Mensch auf der Erde an chronischem Hunger. „Brot für die Welt“ kritisiert deutsche Kürzungen scharf. Das wird die Lage weiter verschärfen. Die Organisationen legen ihre Jahresberichte vor.

Donnerstag, 31.07.2025, 15:34 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 31.07.2025, 15:35 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Weltweit leiden nach Angaben der Welthungerhilfe 733 Millionen Menschen an chronischem Hunger. „Das bedeutet, jeder elfte Mensch auf dieser Welt ist hungrig“, sagte die Präsidentin der Hilfsorganisation, Marlehn Thieme, vergangene Woche Donnerstag in Berlin bei der Vorstellung des Jahresberichts 2024. Wegen der Klimakrise, bewaffneter Kriege und zunehmender globaler Ungleichheit sei diese Zahl seit 2019 um 152 Millionen gestiegen. Gleichzeitig kürzten die größten Geber, etwa die USA und Deutschland, drastisch ihre Budgets für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe, kritisierte Thieme.

Kürzungen kosteten aber Menschenleben, warnte sie: „Was auf dem Papier wie ein Sparkurs aussieht, bedeutet für Millionen Menschen Hunger, Flucht oder sogar den Tod.“ Die Beseitigung des Hungers müsse politische Priorität bleiben. Auch brauche es für die Beendigung von Konflikten politische Initiativen und diplomatische Lösungen: „Investitionen in Waffen allein schaffen keine Sicherheit.“

___STEADY_PAYWALL___

Deutschland kürzt Entwicklungshilfe

Die Welthungerhilfe hat nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr in 37 Ländern und Gebieten 649 Auslandsprojekte unterstützt. Damit sei rund 18,7 Millionen Menschen geholfen worden. Insgesamt flossen laut Jahresbericht knapp 347 Millionen Euro in die Projektförderung (2023: 323,2 Millionen Euro), fast zwei Drittel davon in afrikanische Länder.

Angesichts der Abwicklung der Entwicklungsbehörde USAID durch die Trump-Regierung und Kürzungen von deutschen Entwicklungsgeldern warnt die Welthungerhilfe auch vor einem Zusammenbruch der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Der allgemeine Trend, nur noch auf das eigene Land zu schauen, sei sehr kurzsichtig, sagte Generalsekretär Mathias Mogge: „Internationale Partnerschaften auf Augenhöhe sind auch ein Beitrag zum Frieden.“

Die Bundesregierung will den Etat des Entwicklungsministeriums weiter kürzen. 2026 soll das Ressort 9,94 Milliarden Euro ausgeben dürfen, gut 330 Millionen Euro weniger als dieses Jahr. Das geht aus dem Haushaltsentwurf hervor, der am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossen wurde. Bereits von 2024 auf 2025 war der Entwicklungsetat im Regierungsentwurf um fast eine Milliarde Euro gekürzt worden.

„Brot für die Welt“ kritisiert deutsche Kürzungen

„Brot für die Welt“ hat die Einschnitte im Bundeshaushalt bei der Entwicklungspolitik scharf kritisiert. Angesichts des Stopps der US-Entwicklungshilfe sollte Deutschland stattdessen mehr Verantwortung übernehmen, forderte die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks, Dagmar Pruin, am Donnerstag bei der Vorstellung des Jahresberichts ihrer Organisation in Berlin. Deutschland müsse zu seinen internationalen Versprechen stehen und ein Vorbild sein: „Man lässt keinen Menschen verhungern.“ Pruin machte sich außerdem für eine globale Milliardärssteuer stark.

Die Ausgaben für Entwicklungshilfe sollen auch in den kommenden Jahren sinken. Deutschland wird dem Bundesfinanzministerium zufolge im Jahr 2025 voraussichtlich 0,56 Prozent des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungshilfe ausgeben. Diese sogenannte ODA-Quote (Official Development Assistance) soll bis 2029 auf 0,43 Prozent sinken. Das UN-Ziel liegt bei 0,7 Prozent.

Pruin nannte diese Prognosen „eine Katastrophe“. Die Einschnitte hätten bereits Auswirkungen auf die Arbeit ihrer Organisation: Es seien Projekte beendet worden, derzeit erwäge man den Rückzug aus ganzen Ländern. Viele Partner blickten mit „großer Sorge und Angst“ auf die Kürzungen, sagte sie. Zusätzlich verschärft wird die Situation Pruin zufolge, weil hunderte Partnerorganisationen von dem Stopp der US-amerikanischen Entwicklungshilfe betroffen sind. So musste etwa eine Partnerorganisation in Lesotho bereits zwei Projekte zur Unterstützung von schwangeren Frauen einstellen.

Lage der Menschen in Gaza: eine Katastrophe

Die Welthungerhilfe hat laut Mogge aktuell 41 institutionelle Geldgeber. Die größten seien die Bundesregierung und das UN-Welternährungsprogramm. Deshalb sehe man mit Sorge die deutschen Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit, etwa 18 Prozent bei den Geldern für langfristige Projekte, aber auch in der humanitären Hilfe. Dazu komme, dass der Zugang zu Menschen in Not weltweit immer mehr eingeschränkt werde. Helfer würden verstärkt bedroht, wie etwa im Gaza-Streifen, in Afghanistan oder im Sudan.

Die Lage für die Menschen in Gaza nannte Mogge eine Katastrophe. Die Welthungerhilfe habe das letzte Mal im Februar Nahrungsmittel verteilen können. Mittlerweile gebe es auch kaum noch Zugang zu sauberem Wasser, weil der Treibstoff für die Meerwasserentsalzungsanlagen knapp werde. „Humanitäre Hilfe muss die große Zahl an Bedürftigen in Gaza jederzeit und unmittelbar erreichen, unabhängig von politischen Umständen“, sagte Mogge.

Die Einnahmen der Welthungerhilfe lagen im vergangenen Jahr bei 383,5 Millionen Euro. Davon kamen knapp 292 Millionen Euro von institutionellen Geldgebern (2023: 266,5 Millionen Euro). Weitere Geldgeber waren vor allem Organisationen der Vereinten Nationen und die Europäische Kommission. Von Spenderinnen und Spendern kamen 86,5 Millionen Euro. Darunter waren 8,2 Millionen Euro Nothilfespenden. (epd/mig) Aktuell Panorama

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)