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Flugzeug am Frankfurter Flughafen (Archiv) © Mr_Worker @ pixabay.com (Lizenz), bearb. MiG

Hessen

Mehr Abschiebungen und weniger Asylsuchende

Laut Innenministerium ist die sogenannte „Migrationswende“ in Hessen sichtbar. Festgemacht wird das an deutlich mehr Abschiebungen. Der Innenminister fordert mehr Optionen – auch Richtung Afghanistan. Menschenrechtler warnen.

Mittwoch, 16.07.2025, 14:10 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 16.07.2025, 14:10 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die Zahl der Abschiebungen ausreisepflichtiger Menschen aus Hessen ist abermals deutlich gestiegen. 1.017 Menschen wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 2025 in ihren Heimatstaat oder in Drittstaaten abgeschoben – fast 30 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum, wie das Innenministerium in Wiesbaden mitteilte. Schon im gesamten Jahr 2024 habe Hessen die Zahl der Abschiebungen im Vergleich zum gesamten Vorjahr um rund 20 Prozent auf 1.661 steigern können.

Zugleich sank die Zahl der ankommenden Geflüchteten deutlich. 2025 registrierte Hessen im ersten Halbjahr 4.141 Asylsuchende – 40 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum, wie das Innenministerium weiter berichtete. Die „Migrationswende“ in Hessen sei damit sichtbar.

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Minister: Abschiebungen können auch persönliche Härten darstellen

Innenminister Roman Poseck (CDU) erklärte: „Hessen nimmt im Bundesvergleich bei den Abschiebungen weiter einen vorderen Platz ein. Wir haben mit den Schwerpunktsetzungen in der Bearbeitung sowie der modernen Abschiebehafteinrichtung in Darmstadt-Eberstadt sehr gute Strukturen aufgebaut.“

Der Innenminister fügte hinzu: „Ich bestreite nicht, dass Abschiebungen auch persönliche Härten darstellen können. Abschiebungen sind aber unerlässlich. Zu berücksichtigen ist dabei, dass alle humanitären Gesichtspunkte in rechtsstaatlichen Verfahren sorgfältig geprüft werden.“ Komme das Verfahren zum Ergebnis einer Ausreisepflicht, „ist diese auch umzusetzen. Ansonsten würden Rechtsordnung und Rechtsprechung ignoriert“, betonte Poseck.

Zahl der Duldungen leicht gestiegen

Zugleich würden die Regelungen zur Duldung etwa wegen eines Ausbildungs- oder Beschäftigungsverhältnisses umfassend umgesetzt: „So sind 2025 bis Ende Mai 118 Duldungen wegen bestehender Ausbildungsverhältnisse ausgesprochen worden. Im selben Zeitraum des Vorjahres waren es 108 Duldungen.“ Auch hier gebe es sorgfältige Prüfungen gemäß geltendem Recht. Zuletzt kritisierten Kommunen, dass Menschen in Ausbildung oder in Arbeit abgeschoben werden.

Poseck ergänzte: „Bund und Land arbeiten beim Zurückdrängen der illegalen Migration und der konsequenten Durchsetzung von Ausreisepflichten inzwischen Hand in Hand. Damit begegnen wir einer Überforderung von Staat und Gesellschaft.“ Mit „illegaler“ Migration ist die Einreise von Menschen gemeint, die mangels legaler Fluchtwege und geschlossenen Grenzen ohne gültige Visa in das Land kommen. Juristisch betrachtet sind Schutzsuchende nicht „illegal“, weil sie faktisch nur auf diesem Wege ihr Recht auf Asyl geltend machen können.

Minister: In der Migrationspolitik geht es auch um Signale

Poseck unterstütze die zahlreichen Maßnahmen der neuen schwarz-roten Bundesregierung wie Ausweitung von Grenzkontrollen, Reduzierung des Familiennachzuges, Stopp von Aufnahmeprogrammen, Ausweitung der Zahl sicherer Herkunftsstaaten und Vereinfachungen in Abschiebeverfahren. „Die Zahlen zeigen, dass diese Maßnahmen bereits Wirkung entfalten“, betonte der hessische Innenminister. Viele dieser Maßnahmen bewegen sich juristisch auf dünnem Eis. Das Verwaltungsgericht Berlin attestierte Zurückweisungen von Asylsuchenden an deutschen Grenzen zuletzt sogar ausdrücklich Rechtswidrigkeit. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU)  hält dennoch weiter an den Zurückweisungen fest. Poseck war einst höchster Richter in Hessen, wo ebenfalls Schwarz-Rot regiert.

In der Flüchtlingspolitik geht es laut Poseck auch um Signale: „Wir haben zu lange das Signal einer nahezu unbegrenzten Aufnahmebereitschaft in die Welt gesendet. Der Kurswechsel der neuen Bundesregierung zeigt international dagegen klare Grenzen auf; er ist auch in den Herkunftsstaaten angekommen.“

Kompromisse mit Taliban?

Ein weiterer Schwerpunkt muss laut Poseck sein, „Heimatstaaten zu einer besseren Kooperation bei der Rücknahme ihrer Landsleute zu bringen. Außerdem gilt es, die Lage in den verschiedenen Staaten fortlaufend neu zu bewerten und daraus zügig Schlussfolgerungen zu ziehen; dies gilt beispielsweise für Syrien.“

Eine Priorität muss Hessens Innenminister zufolge auch weiter auf der Abschiebung von Straftätern und Gefährdern liegen. Er begrüße es, dass der neue Bundesinnenminister Dobrindt dieses Ziel auch im Hinblick auf Afghanistan und Syrien in den Blick genommen und hierzu international Gespräche geführt habe. Dabei seien „auch Kompromisse mit problematischen Machthabern sinnvoll und notwendig, wenn es unseren Interessen, insbesondere im Bereich der Sicherheit, dient“, betonte Poseck. In Afghanistan herrschen die Taliban.

Menschenrechtler fordern Abschiebungsstopp für Afghanistan

Menschenrechtler indes fordern die Bundesregierung auf, jegliche direkte oder indirekte Gespräche mit der afghanischen Regierung sofort einzustellen und einen förmlichen Abschiebungsstopp für das Land Afghanistan zu verhängen. „Wer mit den Taliban über Abschiebungen verhandelt, sendet ein fatales Signal“, erklären PRO ASYL und die Flüchtlingsräte der Länder. Die Europäische Menschenrechtskonvention verpflichte Deutschland zum Schutz der Menschenwürde.

„Eine Kooperation mit einem Taliban-Regime, dessen Führung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit am Internationalen Gerichtshof angeklagt ist, bedeutet einen weiteren Schritt in Richtung dessen internationale Anerkennung, mahnt Mouhamed Adam Alazawe vom Flüchtlingsrat Thüringen e.V. Der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs werfe ein Schlaglicht darauf, was in Afghanistan täglich passiere. (dpa/mig) Aktuell Politik

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