
Hamburg
Kirchenasyl in jedem zweiten Fall erfolgreich
Wenn Abschiebung droht, findet mancher Flüchtling Aufnahme in einer Kirchengemeinde. In Hamburg führt das Kirchenasyl in vielen Fällen dazu, dass die Betroffenen in Deutschland bleiben können. Teile der Politik werfen Kirchen vor, sich auf die falsche Seite zu stellen.
Dienstag, 01.07.2025, 10:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 01.07.2025, 9:39 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Aufnahme in ein Kirchenasyl hat im vergangenen Jahr in gut jedem zweiten Fall eine Abschiebung verhindert. „In 2024 hatten wir insgesamt 111 Kirchenasyl-Meldungen und in 58 Fällen konnte die Abschiebung aufgrund des sogenannten Kirchenasyls nicht vollzogen werden“, teilte der Sprecher der Innenbehörde, Daniel Schaefer, mit. Ende Mai befanden sich nach Angaben der Innenbehörde 13 Personen im Asyl Hamburger Kirchengemeinden. In allen Fällen gehe es ausschließlich um Abschiebungen in andere EU-Länder nach der Dublin-III-Verordnung. Diese erlaubt Überstellungen nur innerhalb einer bestimmten Frist, in der Regel sechs Monate nach Zustimmung des anderen Mitgliedstaats. Wird die Frist überschritten, ist Deutschland für das Asylverfahren zuständig.
Nach dem jüngsten Lagebild der Stabsstelle Flüchtlinge des Hamburger Senats gelingt die Überstellung von Asylbewerbern an andere EU-Staaten nur in einem kleinen Teil der Fälle. 2024 sei die Überstellung von 1.567 Personen beantragt worden. In 927 Fällen hätten die angefragten EU-Länder zugestimmt. Letztlich kam es aber nur zu 290 Überstellungen.
Am 30. September 2024 war zum ersten Mal in Hamburg ein Betroffener aus einem Kirchenasyl abgeschoben worden. Der Afghane wurde nach Schweden gebracht, was bei den Kirchen auf scharfe Kritik stieß. Am 12. Oktober war der Mann nach Angaben des Amtes für Migration wieder illegal nach Deutschland eingereist. Am 19. November wurde er erneut nach Schweden abgeschoben.
Unions-Politiker Throm: Kirchen stellen sich auf falsche Seite
Kirchenasyl sorgt immer wieder für verbalen Streit zwischen Kirchenvertretern und Teile der Politik. Der innenpolitische Sprecher der Union-Bundestagsfraktion, Alexander Throm (CDU), etwa hat sich kürzlich kritisch zur Praxis des Kirchenasyls geäußert. „Das Bemerkenswerte dabei ist, dass es nahezu in allen Fällen dieses Kirchenasyls, es waren im vergangenen Jahr so 2.300, 2.400 Fälle deutschlandweit, um sogenannte Dublinfälle handelt“, sagte Throm.
Da gehe es nicht um die Abschiebung ins Heimatland, „sondern da geht es um die Rücküberstellung in das eigentlich für das Asylverfahren zuständige EU-Land, also ein sicheres Land, wo ein ordentliches Asylverfahren gewährleistet ist“. „Ich glaube, hier stellen sich die Kirchen auf die falsche Seite“, erklärte der CDU-Politiker. Kirchen widersprechen dieser Darstellung mit Verweis auf eigene Recherchen sowie Berichte unabhängiger Menschenrechtler. Danach erfahren Geflüchtete in vielen EU-Ländern unmenschliche Behandlung, werden eingesperrt, erleiden Gewalt oder werden mittellos auf sich gestellt.
Zahl der Abschiebungen aus Hamburg gestiegen
Offiziellen Angaben zufolge ist in Hamburg die Zahl der Abschiebungen Ausreisepflichtiger gestiegen. Im ersten Quartal wurden insgesamt 492 Menschen zurückgeführt. In den ersten drei Monaten des vergangenen Jahres waren es 454 – ein Plus von gut acht Prozent. 97 Menschen wurden den Angaben zufolge zwangsweise ihn ihr Herkunftsland zurückgebracht, 118 in einen anderen EU-Staat überstellt. 277 Personen seien freiwillig ausgereist.
„Besonders spürbar erhöht hat sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum die Zahl der Dublin-Rücküberstellungen“, sagte Schaefer. Mit 118 solcher Rücküberstellungen steigerte sich die Zahl um knapp 50 Prozent zum Vorjahreszeitraum. Hamburg hatte im Rahmen eines Pilotenfahrens Anfang März ein Dublin-Zentrum eingerichtet, um die Verfahren schneller abwickeln zu können. In der Vergangenheit scheiterten sie häufig an der Sechs-Monats-Frist zur Rücküberstellung.
Zugleich kamen in den ersten drei Monaten (892) dieses Jahres weniger Schutzsuchende in der Hansestadt an als im Vorjahreszeitraum (1.321), wie der Sprecher der Innenbehörde, Daniel Schaefer, der Deutschen Presse-Agentur sagte. Insgesamt wurden im ersten Quartal 3.282 Registrierungen gezählt. Das entspricht einem Rückgang von rund 25 Prozent.
Zehn Jahre Vereinbarung zum Kirchenasyl
Für das Kirchenasyl haben Vertreter der katholischen und evangelischen Kirchen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2015 eine Vereinbarung getroffen. Sie sieht vor, dass in besonderen Härtefällen der Asylantrag erneut geprüft wird. Die Kirchen legen dem Bundesamt dazu ein Dossier vor, das den Härtefall ausführlich begründet. Innensenator Andy Grote (SPD) hatte im Herbst im Zusammenhang mit dem Fall des Afghanen darauf hingewiesen, dass der Betroffene das Kirchenasyl verlassen müsse, wenn das Bundesamt die Einwände der Kirche nicht anerkenne.
Bei einer Mahnwache im vergangenen Oktober in Hamburg hatte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kirsten Fehrs, gesagt: „Kirchenasyl ist kein juristisches Schlupfloch.“ Es sei ein Signal. „Für eine Gesellschaft, die Menschlichkeit vor Bürokratie stellt.“ (dpa/epd/mig) Aktuell Panorama
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Deutschland soll helfen Überfordert: Griechenland setzt Asylverfahren aus
- Verfassungsschutzbericht In MeckPomm ist es „schick, rechtsextrem zu sein“
- 40 Jahre „Live Aid“ Meilenstein der Popgeschichte prägt…
- EU-Statistik Frontex-Zahlen zeigen: Abschottung Europas zeigt Wirkung
- Niels Espenhorst im Gespräch Paritätischer: Brauchen keine neuen Sprachtests für…
- „Anschläge ohne Ende“ Publizist Friedman kritisiert „Nie Wieder!“ als Plattitüde