Maschendrahtzaun, Abschiebung, Gefängnis, Grenze
Maschendrahtzaun © Free-Photos @ pixabay.com (Lizenz), bearb. MiG

Politischer Druck

Flüchtlinge aus „Dublin-Zentrum“ suchen Hilfe im Kirchenasyl

Aus Angst vor Abschiebung fliehen Flüchtlinge ins Kirchenasyl. Auch Menschen aus dem „Dublin-Zentrum“ sind darunter. Asylsuchende kritisieren den Umgang mit ihnen.

Von Montag, 30.06.2025, 14:14 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 30.06.2025, 17:52 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Flüchtlinge aus dem „Dublin-Zentrum“ in Eisenhüttenstadt sind aus Angst vor Abschiebung mittlerweile im Kirchenasyl. Das sagte Pfarrerin Josephine Furian, die in der Flüchtlingsarbeit aktiv ist und Migranten begleitet. Sie wisse von mindestens neun Menschen, die aus der seit März betriebenen Einrichtung in Eisenhüttenstadt im Kirchenasyl in Berlin und Brandenburg seien. Die Flüchtlinge wollen einer Zurückweisung nach Polen entkommen und suchen vorübergehend Schutz bei Kirchengemeinden.

In einem offenen Brief hatte eine Gruppe von Flüchtlingen vor kurzem die Zustände und Einschränkungen im „Dublin-Zentrum“ kritisiert, vor allem aber beklagt, dass sie in Polen in „Asylgefängnissen“ leben müssten. „Wenn wir nach Polen abgeschoben werden, ist das Risiko für uns sehr hoch, wieder ins Gefängnis zu kommen“, hieß es.

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Flüchtlinge kritisieren Bedingungen bei Unterbringung

Auch im „Dublin-Zentrum“ in Eisenhüttenstadt sei es verboten, die Einrichtung zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr zu verlassen, hieß es. Eine Unterstützung in Form vom Taschengeld gebe es nicht, so dass sie keine Anwälte oder Kleidung bezahlen könnten, kritisierten Flüchtlinge in einem Brief, den der Flüchtlingsrat Brandenburg veröffentlichte.

Das Innenministerium wies Kritikpunkte zurück. Es gebe kein generelles Verbot, die Einrichtung zu verlassen, teilte ein Sprecher mit. Für Menschen, bei denen die Ausreisepflicht festgestellt wurde, gelte aber die Anweisung, sich zwischen Montag und Freitag von 22.00 und 5.00 Uhr für „Rückführungsmaßnahmen“ bereitzuhalten. Diese Anordnung sei bereits gerichtlich überprüft und bestätigt worden. Leistungskürzungen für Flüchtlinge im „Dublin-Zentrum“ werden laut Ministerium im Einzelfall geprüft.

Zukunft des „Dublin-Zentrums“ ungewiss

Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos) hatte im Mai davon gesprochen, dass 25 Flüchtlinge „untergetaucht“ seien. Eingesperrt sei in der Einrichtung niemand, sagte er.

Aus seiner Sicht ist die Zukunft des Rückführungszentrums in Eisenhüttenstadt ohnehin offen. Er macht es davon abhängig, ob Zurückweisungen direkt an der Grenze weiterhin möglich sind. Wenn diese Praxis Bestand hat, verliert die Einrichtung dem Minister zufolge ihren Zweck.

Das sogenannte Dublin-Zentrum nahm im März den Betrieb auf mit dem Ziel, Asylsuchende ohne Bleiberecht schneller nach Polen zu überstellen. Es geht um Flüchtlinge, die ihr Asylverfahren in einem anderen EU-Staat durchlaufen müssen. Es waren bislang weit weniger Menschen in dem Zentrum untergebracht, als Plätze eingerichtet wurden.

Bislang drei Menschen aus Zentrum nach Polen überstellt

Bisher wurden laut Innenministerium drei Menschen aus dem Zentrum nach Polen überstellt. Flüchtlings-Organisationen hoffen auf ein rasches Ende der Einrichtung. Ein „Dublin-Zentrum“ wurde Anfang März auch in Hamburg eingerichtet – dort gab es unter anderem Vorwürfe, es gehe um reine Abschreckung.

Pfarrerin: Auch Flucht über das Meer riskiert

„Viele suchen Kirchenasyl, weil das im Moment der sicherste Ort ist“, zitiert die evangelische Seelsorgerin Furian eine Asylsuchende in Eisenhüttenstadt. Offen sprechen wollten Flüchtlinge nicht. Furian begleitet zusammen mit einer muslimischen Kollegin Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt. Auf dem Gelände ist auch das „Dublin-Zentrum“ angesiedelt.

Viele der dort Untergebrachten kommen laut Furian aus dem Bürgerkriegsland Sudan und wurden Opfer von Folter. Einige Flüchtlinge aus der Einrichtung seien auf dem gefährlichen Weg über das Meer nach Großbritannien geflohen, schilderte die Seelsorgerin.

Zahl der Kirchenasyl-Fälle gestiegen

Nach Angaben des Vereins Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg sind zum Stichtag 1. Mai 39 Fälle von Kirchenasyl mit 59 Menschen bekannt. Es sind überwiegend sogenannte Dublin-Fälle. Wo genau die Flüchtlinge aufgenommen wurden, sagten die Unterstützer nicht.

Die Kirchenasyl-Zahlen stiegen im vergangenen Jahr in Deutschland. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Nürnberg verzeichnete 2.386 Fälle, 2023 waren es 2.065.

Für das Kirchenasyl haben Vertreter der katholischen und evangelischen Kirchen und das Bamf 2015 eine Vereinbarung getroffen. Es sieht vor, dass in besonderen Härtefällen der Asylantrag eines Menschen erneut geprüft wird. Die Kirchen legen dem Bamf dazu ein Dossier vor, das den Härtefall ausführlich begründet. Das Kirchenasyl ist aber nicht in den geltenden deutschen Gesetzen geregelt. Es kam in der Vergangenheit immer wieder zu Abschiebungen auch aus einem Kirchenasyl.

EKD spricht von größerem politischen Druck auf Flüchtlingsschutz

„Mit dem generell wachsenden politischen Druck auf den Flüchtlingsschutz steigt auch der Druck auf das Kirchenasyl“, heißt es in einer aktuellen Broschüre der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). „Die Debatte um verstärkte Abschiebungen und das von rechten Gruppen und Parteien erzeugte Klima, das auf Ausgrenzung und Abschottung zielt, zeigen Wirkung.“

Dobrindt bleibt bei Zurückweisungen an der Grenze

Die Bundesregierung verfolgt einen verschärften Kurs in der Migrationspolitik. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte im Mai kurz nach seinem Amtsantritt intensivere Grenzkontrollen angewiesen. Er ordnete auch an, dass Asylsuchende gleich an der Grenze zurückgewiesen werden können. Das stieß in Polen auf Kritik.

An der Praxis hält die Bundesregierung aber auch nach einer Eilentscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts fest. Danach war die Zurückweisung von drei Somaliern bei einer Grenzkontrolle am Bahnhof Frankfurt (Oder) am 9. Mai rechtswidrig. Ohne eine Klärung, welcher EU-Staat für einen Asylantrag der Betroffenen zuständig sei, dürften sie nicht abgewiesen werden, so das Gericht. Die drei Betroffenen waren nach Polen zurückgeschickt worden, sind inzwischen aber in Berlin. (dpa/mig) Aktuell Panorama

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