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Bundestag (Archiv) © Deutscher Bundestag / Kira Hofmann / photothek

Nach hitziger Debatte

Bundestag setzt Familiennachzug für Geflüchtete aus

Der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte wird erst einmal gestoppt. Das sei nur einer von mehreren Hebeln, die man umlegen werde, um Zuwanderung zu begrenzen, sagt der Bundesinnenminister. Linke, Grüne und Menschenrechtler kritisieren scharf.

Von Sonntag, 29.06.2025, 13:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 29.06.2025, 22:00 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Der Bundestag hat entschieden, den Familiennachzug zu Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus für zwei Jahre zu stoppen. Es ist das erste von mehreren geplanten Reformprojekten der Bundesregierung in der Migrationspolitik.

In der ersten Beratung des Parlaments über eine zweite Änderung – die Abschaffung der sogenannten Turbo-Einbürgerung – warfen Linke und Grüne der schwarz-roten Koalition vor, sie stoße damit gut integrierte Zuwanderer vor den Kopf. Die Koalition will die vor einem Jahr eingeführte Einbürgerung nach drei Jahren für Menschen mit besonderen Integrationsleistungen abschaffen.

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Die anderen Elemente der von der Ampel-Regierung beschlossenen Reform des Staatsangehörigkeitsrechts bleiben aber erhalten. Dazu zählen etwa die generelle Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft und eine Verkürzung der Wartezeit für normale Einbürgerungen von acht auf fünf Jahre.

Dobrindt will „Vielzahl von Maßnahmen“

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte, mit einer einzelnen Reform sei es nicht getan. Es gehe vielmehr um eine „Vielzahl von Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, damit wir die Migrationswende auch umsetzen können“. Das sei „kein Kurswechsel, es ist ein Frontalangriff auf unsere Leute“ sagte Ferat Kocak (Linke).

Die Aussetzung des Familiennachzugs betrifft vor allem Menschen aus Syrien. Laut Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow stimmten 444 Abgeordnete dafür. 135 Parlamentarier votierten mit Nein.

Hitzige Debatte im Bundestag – Ordnungsruf für „Lüge“

Dobrindt sagte, es gehe darum, den Zuzug nach Deutschland gleichermaßen zu steuern und zu begrenzen. „Das ist der Auftrag für diese Legislaturperiode“, fügte er hinzu. Seine Rede wurde von zahlreichen Zwischenrufen aus den Reihen der Opposition begleitet. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner erteilte dem Abgeordneten Luigi Pantisano (Linke) einen Ordnungsruf, weil dieser „Lüge“ gerufen hatte.

Der Nachzug für subsidiär Schutzberechtigte war – anders als für andere anerkannte Flüchtlinge – zuletzt schon auf 1.000 Angehörige pro Monat beschränkt gewesen. Künftig sollen subsidiär Schutzberechtigte nur noch in Härtefällen Ehepartner, minderjährige Kinder und im Fall unbegleiteter Minderjährige die Eltern nachholen dürfen.

AfD unterstützt die Änderung

Die AfD bezeichnete das Gesetzesvorhaben der Koalition als einen „klitzekleinen Schritt in die richtige Richtung“, den sie deshalb unterstütze. Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Bernd Baumann sagte, Dobrindt habe Ideen der AfD übernommen.

Die Aussetzung des Familiennachzugs sei „unbarmherzig“, kritisierte der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Marcel Emmerich. Ohne ihre Familien fehle Geflüchteten oft der emotionale Rückhalt, der für eine erfolgreiche Integration notwendig sei.

SPD tut sich mit dem Vorhaben schwer

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), konterte die Kritik von Grünen und Linken mit dem Satz, es gehe „um Zugang zu Personen, die ursprünglich illegal nach Deutschland gekommen sind“.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Natalie Pawlik (SPD), sagte, man müsse endlich wegkommen, von der „Negativdebatte“ über Migration. Schließlich biete diese auch Chancen für die deutsche Gesellschaft. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sebastian Fiedler, räumte ein, die Aussetzung des Familiennachzugs sei „ein Thema, das sich die SPD so nicht ausgedacht hätte“.

Scharfe Kritik von Linke, Grünen und Sozialverbänden

Die Linken-Abgeordnete Clara Bünger warf Dobrindt demgegenüber vor, einen der letzten legalen Wege für Schutzsuchende zu kappen. „Statt Menschen zu helfen, verschärfen Sie ihr Leid“, sagte Bünger. Der Grünen-Innenpolitiker Marcel Emmerich bezeichnete die Aussetzung des Familiennachzugs als „unbarmherzig“. Sie sei zudem „ein integrationspolitischer Irrweg“, sagte er.

Scharfe Kritik an der Aussetzung kam auch von Kirchen, Sozialverbänden und Menschenrechtsorganisationen, die unter anderem das Recht auf den Schutz von Ehe und Familie verletzt sehen. „Es ist ein Gebot der Nächstenliebe, dass alle Menschen, gerade auch Geflüchtete und subsidiär Schutzberechtigte, nicht über Jahre hinweg von ihren engsten Angehörigen getrennt bleiben“, sagte der Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Stäblein, dem „Tagesspiegel“.

Pro Asyl will rechtliche Schritte prüfen

Pro Asyl verwies darauf, dass einige der Betroffenen schon seit Jahren auf eine Einreise ihrer Angehörigen warteten. Die Flüchtlingsrechteorganisation kündigte an, sie werde rechtliche Schritte prüfen „und wenn nötig die Betroffenen darin unterstützen, gegen Rechtsverletzungen zu klagen“.

Kopp führte zur Begründung ein Rückwirkungsverbot an. „Es kann doch nicht sein, dass der Familiennachzug rückwirkend auch bei Menschen ausgesetzt wird, die in dem Glauben nach Deutschland geflohen sind, sie könnten ihre Familie nachholen.“ Die Entscheidung sei inhuman und produziere Leid. (dpa/epd/mig) Aktuell Politik

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