
„Willkommenskultur“ im Kino
Wenn plötzlich Syrer statt Ukrainer kommen
Ein bretonisches Dorf möchte ukrainische Geflüchtete aufnehmen. Doch als Syrer ankommen, kippt die Stimmung. Julie Delpy liefert in seinem neuen Kinofilm eine bissige Komödie über Vorurteile und Rassismus.
Mittwoch, 25.06.2025, 10:12 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 25.06.2025, 9:54 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Im bretonischen Paimpont lebt es sich gemütlich: Hier gibt es Aperitifs im Dorfladen, ein bisschen Klatsch, etwas Chauvinismus – alles charmant eingerahmt von dörflichem Gleichmut. Als die Gemeinde sich solidarisch zeigt und beschließt, ukrainische Geflüchtete aufzunehmen, ist der Enthusiasmus groß. Doch als nicht Ukrainer, sondern Syrer eintreffen, bröckelt die Fassade.
Mit „Die Barbaren – Willkommen in der Bretagne“ nimmt die französisch-amerikanische Regisseurin und Schauspielerin Julie Delpy („Before Sunset“) ein heikles Thema aufs Korn: Rassismus im ländlichen Frankreich.
Statt Drama satirische Komödie
Statt eines schweren Dramas entscheidet sich die 55-Jährige für eine satirische Komödie und legt dabei die unterschwelligen Ängste einer scheinbar offenen Gesellschaft offen. Die anfängliche Euphorie schlägt rasch in Misstrauen um: Es ist nicht mehr von Hilfsbereitschaft die Rede, sondern von Terrorverdacht und vermeintlichen Bedrohungen.
Als Schauplatz hat Delpy das echte Dorf Paimpont gewählt, weder arm noch reich, weder rechts noch links. Das Dorf erinnert in seiner Überzeichnung an das berühmte gallische Dorf aus den Asterix-Comics: voller skurriler, aber auch liebenswürdiger Eigenheiten und engstirniger Provinzlogik.
Asterix-Dorf und Sozialstudie
Ein überforderter Bürgermeister mit gutem Willen, ein kauziger Bauer, der keine „hässlichen Saisonarbeiter“ will, die dem Gemüse Angst machen, und ein lautstark rassistischer Klempner, der die neuen Nachbarn am liebsten wieder loswürde: Delpy greift tief in die Trickkiste der Karikatur, um ihr gallisches Dorf zwischen Groteske und Gesellschaftsspiegel zum Leben zu erwecken.
Delpy selbst spielt die idealistische Lehrerin, die einst das Hilfsprojekt für ukrainische Geflüchtete initiierte – und sich nun, da es auf dem „Flüchtlingsmarkt keine Ukrainer mehr gibt“, wie der Bürgermeister trocken bemerkt, ebenso für die syrische Familie engagiert.
Während die Einheimischen wie Karikaturen wirken, repräsentiert die syrische Familie die nüchterne Realität inmitten der Farce: Der Vater ist Architekt, die Mutter Grafikerin, die Schwester Ärztin. Gemeinsam mit den beiden Kindern und dem Großvater versuchen sie, sich im französischen Alltag zu behaupten – essen Galette, tanzen bretonische Folklore – und begegnen der ablehnenden Dorfgemeinschaft mit stillem Pragmatismus.
Zwischen Humor und Gesellschaftskritik
Mit „Die Barbaren – Willkommen in der Bretagne“ hat Delpy eine Komödie inszeniert, die mit satirischer Schärfe zeigt, wie schnell vermeintliche Toleranz an ihre Grenzen stößt, wenn das vermeintlich Fremde nicht ins eigene Weltbild passt.
Mit viel Witz entlarvt Delpy die Bruchstellen westlicher Willkommenskultur – doch wo die Karikatur pointiert ist, bleibt die Gesellschaftsanalyse oft an der Oberfläche. Eine gut gespielte Satire über Solidarität und Toleranz – unterhaltsam, engagiert – doch nicht ganz frei von bequemen Vereinfachungen. (dpa/mig) Aktuell Feuilleton
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Navid Kermani „Wer Respekt vor der Drecksarbeit hat, Bomben auf…
- „Migrationsfeindliche Grundstimmung“ Sachsen schiebt Mutter und Kinder ab – Vater…
- Landessozialgericht Asylbewerber darf nicht ohne jede Mindestsicherung sein
- Thüringer Zustände Nazi-Shirts im Klassenzimmer – gekauft von der Mama
- Wer ist hier der Dreck? Wenn „Drecksarbeit“ zur Staatsräson wird
- „Geschmacklose“ Meinungsfreiheit Rassistische Dachdecker-Anzeige laut Staatsanwalt…