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Stop Islamophobia (Symbolfoto) © de.depositphotos.com

Studie warnt

Kränkung von Muslimen ernst nehmen, Identität stiften

Laut einer Studie fühlen sich knapp 20 Prozent der Muslime in Deutschland gekränkt oder zurückgewiesen. Das begünstige Radikalisierung. Forscher fordern Konsequenzen für die Präventionsarbeit.

Donnerstag, 12.06.2025, 12:06 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 12.06.2025, 13:18 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Antimuslimischer Rassismus ist in Deutschland verbreitet. Beobachtungs- und Meldestellen zufolge erleben Musliminnen und Muslime regelmäßig Diskriminierung oder werden Opfer rassistischer Übergriffe. Experten, Verbände und Muslime fordern seit Jahren Abhilfe und mehr Schutz. Reagiert hat die Politik darauf bisher kaum. Geht es doch mal um Muslime, dann oft im Kontext von Gefahr, die vermeintlich von ihnen ausgeht. Das könnte ein Schuss nach hinten sein, wie aus einer aktuellen Studie der Universität Münster hervorgeht.

Danach verspüren viele Muslime in Deutschland Ressentiments, die sie anfälliger für eine Radikalisierung machen. Knapp 20 Prozent der Befragten fühlten sich gekränkt oder zurückgewiesen, heißt es in den am Mittwoch veröffentlichten Studienergebnissen. Dies könne in Kombination mit anderen Faktoren eine Radikalisierung begünstigen, erklärte der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie (ZIT) an der Universität Münster, Mouhanad Khorchide. Als Konsequenz forderten die Forscher Maßnahmen, die das Zugehörigkeitsgefühl von Musliminnen und Muslimen stärken.

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Diskriminierungserfahrungen im Alltag entscheidend

Für die Studie waren zwischen Juli 2023 und April 2024 knapp 1.900 Musliminnen und Muslime mit Migrationshintergrund ab 18 Jahren befragt worden. Bei jedem fünften Befragten stellt die Studie ein verfestigtes Gefühl des Gekränktseins fest. Das bedeute, dass positive Alltagserfahrungen heruntergespielt und negative Erlebnisse ins Zentrum gerückt würden, sagte Khorchide. Folge sei ein Gefühl der Benachteiligung, für das die Mehrheitsgesellschaft verantwortlich gemacht werde.

Grund für dieses Gefühl seien einerseits tatsächliche Diskriminierungserfahrungen im Alltag, sagte Khorchide. Fast die Hälfte der Befragten machte nach eigenen Angaben innerhalb der vorausgegangenen zwölf Monate mindestens eine Diskriminierungserfahrung als Muslim. Andererseits spielte bei jungen Menschen aber auch eine Identitätsverunsicherung eine Rolle. Sie identifizierten sich unabhängig von ihren persönlichen Erfahrungen mit Erzählungen über die Benachteiligung von Muslimen. Islamistische Organisationen seien bestrebt, diese Botschaft von der Kränkung der Muslime zu etablieren und zu verbreiten.

Khorchide kritisiert Konzentration auf sicherheitspolitische Aspekte

Die Autorinnen und Autoren der Studie warnten jedoch davor, den 20 Prozent der Muslime mit Ressentiments pauschal eine mögliche Radikalisierung zu unterstellen. „Alleine die Kränkung reicht nicht aus für eine Radikalisierung“, betonte Khorchide. „Nicht jeder Mensch mit einem Ressentiment muss in die Radikalisierung abgleiten oder gar Extremist werden.“ Dennoch zeigten die Ergebnisse eine gefährliche Nähe zu religiös motivierten Ansprachen von „Islamisten“, die sich gezielt an Menschen mit Ressentiments wenden, um sie gegen die deutsche Gesellschaft zu mobilisieren.

Als Konsequenz aus der Studie forderte Khorchide, die „einseitige Konzentration auf die sicherheitspolitischen Aspekte von Radikalisierung zu überwinden und stärker die emotionale Ebene zu berücksichtigen.“ Um Radikalisierung zu verhindern, sei es wichtig, „positive Gegenerzählungen“ zu schaffen.

Experten fordern Identitätsstiftung

Unter anderem empfahlen die Wissenschaftler, „Maßnahmen auszubauen und gezielt zu fördern, die Muslime in ihrer Zugehörigkeit zur Gesellschaft bestärken und positiv sowie identitätsstiftend wirken“. Dazu zähle etwa der Ausbau des islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen. Ebenso wichtig sei die Förderung von Projekten in den Sozialen Medien, um positive Erzählungen über das Zusammenleben von Muslimen und Nicht-Muslimen in einer pluralen Gesellschaft zu verbreiten.

Die Moscheegemeinden und islamischen Organisationen hätten ihrerseits die Aufgabe, ein Islambild zu etablieren, das gegen Fundamentalismus agiert, forderte Khorchide. Zudem müssten sie positive Erfahrungen von Musliminnen und Muslimen sichtbar machen und die Chancen betonen, die das Leben in Deutschland biete. „So kann sich langfristig eine positive Grundhaltung gegenüber der Gesamtgesellschaft entwickeln, die Ressentiments entgegenwirkt.“ Die Studie war vom Bundesbildungsministerium gefördert worden. (epd/mig) Leitartikel Panorama

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