
„Völlig akzeptable Inhalte“
Studie widerlegt Mär von der Hasspredigt in deutschen Moscheen
Freitagsgebete in deutschen Moscheen handeln meist von Respekt, Umweltschutz und Nachbarschaft - von Hass keine Spur. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie. Dennoch werden in Debatten Vorurteile geschürt. Mit Folgen für die Betroffenen.
Donnerstag, 22.05.2025, 10:12 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 21.05.2025, 19:52 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Prediger bei Freitagsgebeten in deutschen Moscheen sprechen zu ihren Gemeinden einer wissenschaftlichen Untersuchung zufolge vor allem über religiöses Alltagsleben, zwischenmenschliche Beziehungen oder Spiritualität. Entgegen der Annahme würden die durchschnittlichen Moscheegänger keine Hasspredigten erleben, hat ein Forschungsprojekt an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen herausgefunden. Die Wissenschaftler am Forschungszentrum für Islam und Recht in Europa wollten wissen, ob die Predigt eine Quelle für Radikalisierung sei, teilte die Universität am Mittwoch mit.
Dazu hätten sie online veröffentlichte Predigtmanuskripte von den drei großen muslimischen Verbänden ausgewertet und bei Stichproben sichergestellt, dass die Predigten auch so gehalten wurden, wie sie schriftlich vorlagen, hieß es. Ob die türkische und die deutsche Fassung der jeweiligen Freitagspredigt gleich waren, sei ebenso geprüft worden ohne Auffälligkeiten.
Predigt-Themen: Bildung, Nachbarschaft, Umwelt
Die Predigten in den Moscheen hätten „völlig akzeptable Inhalte und beinhalten nichts, an was man sich reiben müsste“, stellte der Erlanger Islamwissenschaftler Jörn Thielmann fest, der das Projekt leitete. Er bedauerte, dass Medien und Politik nicht registrierten, „dass in den Predigten regelmäßig zum gesamtgesellschaftlichen Engagement aufgerufen wird“.
Thematisiert werde die Bildung der Kinder, Respekt in der Familie, gute Nachbarschaft, Umweltschutz oder der Einsatz für hilfsbedürftige Menschen, haben die Forscher festgestellt. Weniger häufig würden sich die Prediger mit Themen wie Krieg und Frieden, Terrorismus, Heimat, Integration, Diskriminierung und Islamfeindlichkeit befassen. Dann würden sie Erfahrungen ihrer Zuhörer aufgreifen, aber zugleich „zu einer konstruktiven und friedlichen Bewältigung dieser Erfahrungen“ aufrufen.
Folgen der Debatten über Hasspredigten
Die Ergebnisse der Studie widersprechen verbreiteten politischen und medialen Narrativen, wonach in Moscheen regelmäßig radikale Inhalte und Hassbotschaften verbreitet würden. Solche Behauptungen, oft ohne differenzierte Analyse oder Belege geäußert, prägten seit Langem die öffentliche Debatte und förderten ein Klima des Misstrauens gegenüber Muslimen in Deutschland, so die Kritik. Insbesondere Politiker haben sich wiederholt solcher Generalverdächtigungen bedient, etwa im Kontext von Sicherheits- oder Integrationsdiskursen.
Die Folge: Eine Zunahme antimuslimischer Ressentiments, wie sie sich auch in den steigenden Fallzahlen antimuslimisch motivierter Angriffe und Diskriminierungen widerspiegeln. Die jetzt vorliegende Untersuchung entlarvt Beobachtern zufolge solche Debatten als haltlos und unterstreicht die Notwendigkeit einer sachlicheren, faktenbasierten Auseinandersetzung. Entgegen dem Vorurteil, man wisse nicht, was in Moscheen gepredigt werde, zeige die Studie das genaue Gegenteil: Seit Jahrzehnten werden die Predigten in mehreren Sprachen und vollkommen transparent veröffentlicht.
Die drei größten Verbände, die Türkisch-Islamische Union DITIB, die Islamische Gemeinschaft Milli Görüş und der Verband der Islamischen Kulturzentren, sind den Angaben zufolge Träger von 1.500 von insgesamt etwa 2.300 Moscheen und Gebetsräumen in Deutschland, in die ein Großteil der Muslime in Deutschland gingen, teilte die Friedrich-Alexander-Universität mit. Die Untersuchung der Predigten sei ein Teilprojekt des Projekts „Wechselwirkungen“. Dieses habe von 2000 bis Ende 2024 betrachtet, wie sich gesellschaftliche Diskurse um Islamismus auf muslimische Communitys auswirken. (epd/mig) Aktuell Panorama
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- „Migrationsfeindliche Grundstimmung“ Sachsen schiebt Mutter und Kinder ab – Vater…
- Kopf gegen die Wand 12-Jähriges Mädchen bei rassistischem Angriff in…
- Umstrittene Zurückweisungen Innenminister wollen Asyl-Migration weiter erschweren
- Asyl-Streit Regierung will Dublin-Schnellverfahren an der Grenze
- Stefan Keßler im Gespräch Flüchtlingsdienst: „Wir haben keinen Notstand“
- Aufschrei Wir sind Geiseln eines Krieges, den wir niemals wollten