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Dr. Marc Ntouda © privat, Zeichnung MiG

Aufruf

Feiertage im Westen. Bombennächte in Gaza.

Dieser Text ist kein Aufruf zur Betroffenheit, sondern ein Spiegel: Wir wissen alles und tun nichts – wer schweigt, stimmt zu. Wer Muttertag feiert, während Mütter und Kinder sterben, verrät. Und bald ist Pfingsten.

Von Dienstag, 13.05.2025, 14:04 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 13.05.2025, 14:04 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Feiern ist kein Verbrechen. Aber zu feiern, während Kinder sterben, ist ein Verrat.

Am 11. Mai war Muttertag. Wir verschenkten Blumen. Posteten Fotos. Schrieben: „Für die beste Mama der Welt.“ In Gaza schrieben sie Namen auf Leichensäcke.

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Während wir feierten, starben mindestens fünfzehn Menschen – Frauen, Kinder, ganze Familien. In Khan Yunis traf eine Bombe ein Zelt. Ein Vater starb mit seiner Tochter. Zwei weitere Kinder mit ihren Eltern. Kein Schutz. Kein Grab. Kein Abschied. Nur Staub.

Ich sehe sie. Vielleicht hieß sie Nour. Vielleicht trug sie ein rosa Kleid. Jetzt liegt sie unter Trümmern. Neben ihrem Vater. Unter der Welt.

„Ich bin Vater. Und ich kann nicht mehr wegsehen.“

Eine Mutter schreit, aber kein Laut kommt. Sie hat nichts mehr. Nicht einmal Trost.

Ich bin Vater. Und ich kann nicht mehr wegsehen.

Während wir feiern, sterben andere. Nicht an Krankheit. Nicht bei einem Unfall. Sondern durch Bomben. Durch gezielte Gewalt. Und durch unser Schweigen.

Gaza ist kein ferner Ort. Es ist ein Spiegel. Wir sehen alles – in Echtzeit. Und scrollen weiter. Wir zünden Kerzen und löschen das Licht, sobald Netflix lädt. Wir posten Frieden und leben Komfort. Wir sagen: „So schlimm“ und machen weiter.

„Wir führen keine Kriege. Aber wir beenden auch keine.“

Wir führen keine Kriege. Aber wir beenden auch keine. Wir werfen keine Bomben. Aber wir wissen, wer sie bezahlt. Wir sagen, wir könnten nichts tun. Das ist eine Lüge.

Was wäre, wenn wir aufhören, so zu tun, als sei alles normal? Wenn wir aussteigen aus diesem Theaterstück namens Alltag? Ein Streik gegen das Wegsehen. Kein Konsum. Kein Streaming. Keine Likes. Keine Partys.

Ein System, das Kinder sterben lässt, verdient keine Klicks. Keine Geschenke. Kein Mitmachen.

Pfingsten steht vor der Tür. Ein Feiertag des Geistes, der Verbundenheit, der Hoffnung. Vielleicht ist genau jetzt der Moment, diesen Geist zu zeigen.

Keine Geschenke. Kein Brunch. Nur eine Kerze im Fenster. Ein Bild davon. Mit einem Satz: Nicht in meinem Namen. Mit einem Hashtag: #NichtInMeinemNamen

Wird das einen Krieg beenden? Nein. Aber vielleicht bricht es etwas: unser Schweigen, unsere Routine, unsere Abstumpfung.

Wir sind nicht ohnmächtig. Wir sind nur satt. Wir wissen alles und tun nichts. Weil es bequemer ist, das Mitgefühl abzugeben: an NGOs, an Politiker, an Gott.

Aber Verantwortung lässt sich nicht auslagern. Wer weiterlebt, als gäbe es das alles nicht, trifft eine Entscheidung: Für sich. Gegen die anderen.

Ich streike. Für jedes Kind, das noch lebt. Für jedes, das nie hätte sterben dürfen. Ich streike, weil Feiertage nichts wert sind, wenn sie mit Leichen gepflastert sind.

„Wir haben kein Erkenntnisproblem. Wir haben ein Rückgratproblem.“

Feiern ist kein Verbrechen. Aber zu feiern, während Kinder sterben, ist ein Verrat.

Wir haben kein Erkenntnisproblem. Wir haben ein Rückgratproblem.

Das hier ist kein Aufruf zur Betroffenheit. Das ist ein Aufruf zur Konsequenz.

  Meinung

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