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Dr. Zeyneb Sayılgan © bearb. MiG

Zum Muttertag

Die Rolle der Mutter im Islam

Zum Muttertag blicken viele auf Blumen und Brunch – doch was bedeutet Mutterschaft aus muslimischer Sicht? Eine persönliche Reflexion über Fürsorge, Einsamkeit und spirituelle Stärke.

Von Donnerstag, 08.05.2025, 10:16 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 08.05.2025, 10:16 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Mom, Anne, Mutti, Daye – ich habe „Mutter“ in all den vier Sprachen gesagt, mit denen ich aufgewachsen bin. Doch erst als ich selbst Mutter wurde, habe ich die Tiefe und Bedeutung dessen wirklich verstanden, was Mutterschaft heißt. Es ist und bleibt die tiefgründigste Erfahrung meines Lebens. Mutter zu werden war die körperlich, emotional, mental und spirituell herausforderndste Veränderung meines Daseins. Es scheint, als würden Mütter, während sie einen Menschen großziehen, führen und nähren, zugleich selbst durch ihre Kinder wachsen und sich verändern. Auch wer keine eigenen Kinder hat, trägt dennoch die Fähigkeit in sich, die nächste Generation zu begleiten und zu fördern.

So schön Mutterschaft auch sein kann – sie kann zugleich eine zutiefst einsame und traurige Erfahrung sein: der Schmerz und die Erschöpfung des Körpers, die postnatale Betrübsamkeit und seelische Belastung, die schlaflosen Nächte, die Tränen, die ständigen Sorgen und die nie endenden Selbstzweifel und Schuldgefühle, ob man diesem kleinen Menschen wirklich das Beste gibt. Als Gesellschaft würdigen wir die selbstlose Opferbereitschaft von Müttern – besonders am Muttertag. Doch in vielen Lebensbereichen fehlt es weiterhin an umfassender Unterstützung und Fürsorge.

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„Gottesdienst bedeutet auch, den Eltern mit Liebe und Fürsorge zu begegnen.“

In jenen Momenten, in denen ich mich allein fühle und von den endlosen Anforderungen der Mutterschaft überfordert bin, wende ich mich den spirituellen Ressourcen meines muslimischen Glaubens zu. Sie stärken mein Herz und nähren meine Seele. Die Lehren des Propheten Muhammad zur Fürsorge für Mütter und sein liebevoller Umgang mit seiner eigenen Mutter – selbst nach ihrem Tod – spenden mir in schwierigen Zeiten Trost. Einige Aussagen sind mir besonders nah:

Jede Mühe einer Mutter wird belohnt – so betonen es viele Verse im Koran, die der Prophet Muhammad seiner Gemeinschaft überbrachte: „Und Wir haben dem Menschen anbefohlen, gütig zu seinen Eltern zu sein. Seine Mutter hat ihn unter Mühen getragen und unter Schmerzen geboren. Dreißig Monate dauert seine Schwangerschaft und Entwöhnung. Und wenn er seine volle Reife erreicht und vierzig Jahre alt wird, sagt er: ‚Mein Herr, gib mir ein, für Deine Gnade zu danken, die Du mir und meinen Eltern erwiesen hast. Gib mir ein, rechtschaffen zu handeln, wie es Dir gefällt. Und mache meine Nachkommenschaft rechtschaffen. Ich kehre reuevoll zu Dir zurück und bin einer der (Dir) Ergebenen.‘“ (Koran 46:15)

Und weiter in Koran 31:14: „Und Wir haben dem Menschen im Hinblick auf seine Eltern anbefohlen – seine Mutter trug ihn in Schwäche über Schwäche, und seine Entwöhnung erfordert zwei Jahre –: ‚Sei Mir und deinen Eltern dankbar. Zu Mir ist die Heimkehr.‘“

Diese Verse zeigen: Gottesdienst bedeutet auch, den Eltern – insbesondere der Mutter – mit Liebe und Fürsorge zu begegnen, die so viele Belastungen auf sich nimmt. Solche ehrenvollen Worte haben mich in Momenten aufgerichtet, in denen ich mich einsam fühlte und meine Anstrengungen für die Außenwelt unsichtbar waren. Sie erinnern mich daran: Ein Kind großzuziehen ist ein zutiefst spiritueller Akt. Ein prophetisches Wort sagt sogar: Wenn eine schwangere Frau bei der Geburt stirbt, so stirbt sie den Märtyrertod. (Hadith)

„Das Paradies liegt zu Füßen der Mütter.“

Die Mutter verdient am meisten gute Behandlung. Ein Mann fragte den Propheten Muhammad: „O Gesandter Gottes, wer verdient meine gute Gesellschaft am meisten?“ Der Prophet antwortete: „Deine Mutter.“ Der Mann fragte: „Und dann?“ Er sagte: „Deine Mutter.“ Der Mann fragte erneut: „Und dann?“ Er antwortete: „Deine Mutter.“ Der Mann fragte ein viertes Mal: „Und dann?“ Da sagte der Prophet: „Dann dein Vater.“ (Hadith)

„Das Paradies liegt zu Füßen der Mütter“ – wahrscheinlich die bekannteste prophetische Überlieferung in der muslimischen Gemeinde. Diese Aussage unterstreicht die enorme Bedeutung von Mutterliebe, Respekt und Zuwendung. Gibt es eine stärkere Ermutigung, als dass die gute Behandlung der Mutter ein Tor zum ewigen Glück und zur Seligkeit sein kann?

In der von Frauenverachtung geprägten Gesellschaft des 7. Jahrhunderts in Arabien waren diese Aussagen revolutionär. Und auch heute noch gelten sie – und rufen uns auf individueller wie kollektiver Ebene zum Handeln auf. Viele Mütter – und in gewisser Weise auch Väter – sehnen sich nach echter Verbindung und regelmäßiger Zeit mit ihren erwachsenen Kindern, die oft im Strudel des Alltags gefangen sind. Die weitverbreitete soziale Isolation und Vernachlässigung älterer Menschen – besonders von Frauen – ist gut dokumentiert. (Missbräuchliche und belastende Eltern-Kind-Beziehungen sind davon selbstverständlich ausgenommen und bedürfen einer gesonderten Betrachtung.)

In Zeiten von Migration und Mobilität leben biologische Eltern oft weit entfernt. Und doch können wir Zeit mit mütterlichen oder väterlichen Figuren in unserer Nähe verbringen, die sich nach Gesellschaft sehnen. Die Lehren des Propheten Muhammad laden uns dazu ein, unser Leben – und auch unsere gesellschaftlichen Strukturen – so zu gestalten, dass Mütter, Eltern und alle bedürftigen Menschen sich wirklich gesehen, unterstützt und liebevoll umsorgt fühlen.

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