
J7-Report
Jüdische Gemeinden melden weltweit mehr antisemitische Vorfälle
Ein neuer Bericht zeigt: Antisemitische Vorfälle haben in den sieben Ländern mit den größten jüdischen Diaspora-Gemeinden Ländern stark zugenommen – in Deutschland sind sie gemessen an der jüdischen Bevölkerung besonders häufig.
Donnerstag, 08.05.2025, 13:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 08.05.2025, 13:28 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die sieben größten jüdischen Gemeinden außerhalb Israels melden einen deutlichen Anstieg antisemitischer Vorfälle. Gemessen an der jüdischen Bevölkerungszahl ist Deutschland besonders stark betroffen, wie der am Mittwoch in Berlin veröffentlichte erste Jahresbericht der internationalen J7-Arbeitsgruppe gegen Antisemitismus zeigt. Hier wurden 2023 mehr als 38 antisemitische Vorfälle pro 1.000 jüdische Einwohner registriert. Zum Vergleich: In Großbritannien waren es 13 Vorfälle pro 1.000 Personen, in Australien, Argentinien und Frankreich jeweils vier, in Kanada zwei und in den USA einer.
Die J7-Gruppe, zu der die jüdischen Gemeinden in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den USA, Kanada, Australien und Argentinien gehören, warnte vor einem „besorgniserregenden“ Trend. Im Vergleich zwischen den Jahren 2021 und 2023 ist die Zahl der antisemitischen Vorfälle dem Bericht zufolge mit 227 Prozent in den USA am deutlichsten gestiegen. In Frankreich liegt der Anstieg bei 185 Prozent, in Kanada bei 83 Prozent und in Großbritannien bei 82 Prozent. Auch in Deutschland ist der Anstieg mit 75 Prozent deutlich zu sehen. In Argentinien (23 Prozent) und Australien (elf Prozent) war der Anstieg antisemitischer Vorfälle geringer.
„Tsunami des Antisemitismus“
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sprach von einer Front, die sich „von links bis rechts, von Islamisten bis in die Mitte der Gesellschaft“ gebildet habe. „Diese Allianz stellt die Selbstverständlichkeit jüdischen Lebens heute ebenso infrage wie die deutsche Erinnerungskultur“, erklärte er. Diese Entwicklungen überschnitten und beeinflussten sich gegenseitig, online wie offline.
Die Vizepräsidentin für internationale Angelegenheiten der US-amerikanischen Anti-Defamation League (ADL), einer Organisation gegen Antisemitismus und Hasskriminalität, Marina Rosenberg, sprach von einem „Tsunami des Antisemitismus“, den jüdische Gemeinden weltweit nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 erlebt haben.
Anstieg mit dem Gaza-Krieg
Beobachter führen den Anstieg antisemitischer Vorfälle aber auch auf die anhaltende militärische Offensive Israels im Gazastreifen zurück. Nach Angaben der palästinensischen Gesundheitsbehörde haben israelische Militärs dabei bislang über 52.000 Menschen getötet, darunter viele Frauen und Kinder – die Zahlen lassen sich nicht unabhängig prüfen. Im November 2024 erließ der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Zuletzt wurden Pläne bekannt, wonach die israelische Regierung plant, den Gazastreifen dauerhaft zu besetzen und Bewohner zu vertreiben. Weltweit kommt es deshalb immer wieder zu Protesten, bei denen auch antisemitische Äußerungen und Symbole auftreten.
Gleichwohl Experten davor warnen, legitime Kritik an staatlichem Handeln mit antisemitischer Hetze zu vermengen, verzeichnen Länder einen deutlichen Anstieg antisemitischer Vorfälle. In Australien etwa wurde dem Bericht zufolge 2024 ein Anstieg um 317 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnet. In den USA wurden fünf Prozent mehr Vorfälle gemeldet. Frankreich und Großbritannien meldeten hingegen einen leichten Rückgang der Vorfälle. Für die drei anderen Länder, inklusive Deutschland, liegen noch keine finalen Zahlen für 2024 vor.
Zielscheibe: Synagogen, Schulen, Gemeindezentren
Die Studie weist zudem auf ähnliche Entwicklungen in allen J7-Ländern hin. Demnach nehmen gewalttätige Übergriffe zu, jüdische Einrichtungen wie Synagogen, Schulen und Gemeindezentren werden verstärkt zur Zielscheibe, und auch antisemitischer Hass im Internet wächst. Viele Jüdinnen und Juden fühlten sich demnach zunehmend unsicher und verzichteten aus Angst auf sichtbare Zeichen ihrer Identität. Zugleich kritisiert der Bericht, dass staatliche Stellen vielfach nicht konsequent gegen antisemitische Gewalt vorgingen. In Deutschland wiederum wächst der Unmut, weil sogar legitime Kritik gegen Israels militärische Offensive unterbunden werde.
Die J7-Arbeitsgruppe hat sich nach eigenen Angaben im Juli 2023 gegründet, um die Zusammenarbeit zwischen den größten jüdischen Diaspora-Gemeinden vor dem Hintergrund des weltweit zunehmenden Antisemitismus zu fördern. (epd/mig) Aktuell Panorama
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