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Trauer in Oldenburg nach dem Tod von Lorenz durch Polizeischüsse © Hesham Elsherif/AFP

Oldenburg

Rufe nach Reformen und unabhängigen Ermittlungen nach tödlichen Polizeischüssen

Die tödlichen Schüsse auf Lorenz in Oldenburg werfen weiter Fragen auf. Wird das Polizeigesetz jetzt geändert? Innenministerin Behrens bremst – doch es gibt parteiübergreifend Rufe nach einer Reform und Forderungen nach unabhängigen Ermittlungen.

Dienstag, 29.04.2025, 16:48 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 29.04.2025, 16:57 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Nach dem Tod des jungen schwarzen Mannes Lorenz A. in Oldenburg durch Polizeischüsse haben Politiker von Linken und Grünen Konsequenzen gefordert. „Erste Anhaltspunkte lassen Zweifel an der Verhältnismäßigkeit und Rechtmäßigkeit polizeilichen Handelns aufkommen“, sagte die Grünen-Innenpolitikerin Lamya Kaddor dem „Tagesspiegel“. Es sei daher grundsätzlich richtig, dass die Polizei aus dem Nachbarlandkreis die Ermittlungen übernommen habe, so die Bundestagsabgeordnete.

„Wünschenswert wäre es dennoch, eine unabhängige Behörde neben der Staatsanwaltschaft mit der Aufklärung zumindest mitzubetrauen“, sagte Kaddor. Die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara Bünger sprach sich für „eine wirklich unabhängige Ermittlungsbehörde mit umfassenden Befugnissen“ aus. Widerspruch kam von der CDU und der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Es gibt aber Rufe nach Reformen.

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„Keine Zweifel an professionellen Ermittlungen“

Ein Polizist hatte in der Nacht zu Ostersonntag fünfmal in Richtung des 21 Jahre alten Lorenz geschossen. Laut Obduktion wurde dieser an der Hüfte, am Oberkörper und am Kopf verletzt. Drei Schüsse trafen ihn von hinten, ein vierter Schuss soll ihn am Oberschenkel gestreift haben. Der 27 Jahre alte Polizist wurde vorläufig vom Dienst suspendiert. Gegen ihn wird wegen Totschlags ermittelt – das übliche Verfahren in solchen Fällen.

Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Oldenburg sagte, bisher gebe es noch keine neuen Erkenntnisse. „Die Ermittlungen dauern an“, sagte sie. Es müssten weiterhin Video- und Audioaufzeichnungen, der polizeiliche Funkverkehr sowie das sichergestellte Mobiltelefon des Polizeibeamten ausgewertet werden. Auch Zeugen werden nach wie vor befragt. Nach einem Zeugenaufruf am Donnerstag hätten sich weitere bei der Polizei gemeldet.

„Ich habe keine Zweifel, dass auch hier die Ermittlungen professionell und unparteiisch ablaufen“, sagte der CDU-Innenpolitiker Alexander Throm dem „Tagesspiegel“. Auch aus Sicht des GdP-Bundesvorsitzenden Jochen Kopelke braucht es „keine explizite unabhängige eigenständige Ermittlungsinstitution neben der Polizei“. Polizei und Staatsanwaltschaften träfen „ausreichend Vorsorge, um Interessenkonflikte, Befangenheit oder Intransparenz nicht entstehen zu lassen“, sagte Kopelke.

Nach Polizeischüssen: Ministerin zurückhaltend bei Bodycams

Daran gibt es aber immer wieder Zweifel. Aus Sicht von Kriminologen sind Ermittlungen von Polizisten in benachbarten Dienststellen eine problematische Konstellation. Ermittlungen gegen Kollegen würden in den allermeisten Fällen eingestellt. In Niedersachsens Landespolitik wird nun über mehr Videoaufzeichnungen bei Polizeieinsätzen diskutiert. „Wir prüfen intensiv eine automatisierte Auslösung von Bodycams beim Ziehen einer Dienstwaffe“, sagte der SPD-Landtagsabgeordnete Alexander Saade. Das berichtete die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“. Auch die Grünen als Koalitionspartner sowie die Oppositionsfraktionen von CDU und AfD sind demnach für eine Reform.

Innenministerin Daniela Behrens zeige sich dagegen zurückhaltend. Es sei „zu früh für politische oder gar gesetzgeberische Konsequenzen“, sagte die SPD-Politikerin der Zeitung. Sollte sich aufgrund der Ermittlungsergebnisse jedoch Handlungsbedarf ergeben, könnte dieser im parlamentarischen Verfahren Berücksichtigung finden. Notwendig wäre eine Änderung im Polizeigesetz.

Bodycams waren im Fall Lorenz nicht eingeschaltet

„Aus polizeilicher Sicht gibt es grundsätzlich keinen Grund, der gegen eine Dokumentation der Einsätze spricht“, sagte der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Kevin Komolka. „In vielen Fällen kann eine solche sogar wichtiges Beweismaterial darstellen.“ Der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Patrick Seegers, sagte: „Polizeiliches Handeln muss transparent sein.“

Der Einsatz in der Nacht zum Ostersonntag in der Oldenburger Innenstadt war hingegen nicht transparent. Aufnahmen der Bodycams der Polizisten stehen nicht zur Verfügung, weil die Geräte nicht eingeschaltet gewesen seien, hieß es von den Ermittlern. Am Wochenende hatten zahlreiche Menschen bei einer Demonstration vollständige Aufklärung gefordert. Eine Initiative von Menschen mit Migrationshintergrund sieht in den Schüssen auf den 21-Jährigen den Beleg eines systemimmanenten Rassismus in der Polizei. (dpa/mig) Leitartikel Panorama

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