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Mangelnde Sprachflexibilität

Deutsche Unternehmen bestehen öfter auf Sprachkenntnisse als ihre europäischen Konkurrenten

Jahrelang galten Sprachkenntnisse als der Schlüssel zum Arbeitsmarkt. Jetzt wird das zum Problem: Trotz Fachkräftemangel bestehen deutsche Unternehmen im europäischen Vergleich öfter auf Deutschkenntnisse. Diese mangelnde Sprachflexibilität verschenkt Chancen.

Montag, 28.10.2024, 12:17 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 28.10.2024, 12:17 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Über viele Jahre haben Politiker Deutsch als Schlüssel für die Integration in den Arbeitsmarkt gepriesen. Eine aktuelle Analyse der Jobplattform Indeed offenbart nun, dass sich diese Vorstellung nachhaltig verfestigt hat: Deutsche Unternehmen verlangen im europäischen Vergleich häufiger Sprachkenntnisse, selbst in Berufen, in denen die Landessprache nicht unbedingt notwendig wäre. Trotz des Fachkräftemangels bleibt die deutsche Wirtschaft damit hinter der Flexibilität anderer europäischer Staaten zurück, was zunehmend als Wettbewerbsnachteil gewertet wird.

Indeed hat Stellenanzeigen in sieben großen europäischen Volkswirtschaften ausgewertet und dabei den Anteil an Anzeigen verglichen, die auf Sprachkenntnisse der Landessprache verzichten. Während in den Niederlanden 7,8 Prozent der Anzeigen auf diese Anforderung verzichten, sind es in Spanien 5,8 Prozent, in Frankreich 4,1 Prozent und in Italien 3,9 Prozent. Deutschland hinkt mit nur 2,7 Prozent dieser Anzeigen hinterher und zeigt damit eine deutlich geringere Flexibilität im Vergleich zu anderen Ländern.

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Politik reagiert mit Appellen: Sprache nicht so wichtig

Die Indeed-Ökonomin Lisa Feist kommentiert dies so: „Die deutsche Wirtschaft würde von einer größeren Flexibilität in Bezug auf Sprachanforderungen profitieren, da dies den Fachkräftemangel abfedern und die Integration von Migrantinnen und Migranten erleichtern könnte.“ Dies sei insbesondere in Branchen relevant, in denen der Fachkräftemangel gravierend ist und in denen die Arbeit problemlos auch auf Englisch geleistet werden kann, wie zum Beispiel in der Softwareentwicklung.

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Das ist inzwischen auch in der Politik angekommen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil etwa appellierte jüngst an deutsche Unternehmen, keine perfekten Deutschkenntnisse zu erwarten. „Wir brauchen Unternehmen, die Geflüchtete auch mit Grundkenntnissen in Deutsch einstellen“, so Heil schon vor einem Jahr. Auch die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, konstatiere Anfang Oktober, dass man von anderen Ländern wie etwa den Niederlanden lernen könne. Dort werde beim Ersteinstieg in den Beruf auf Sprache nicht so großen Wert gelegt.

Sprachliche Flexibilität nur im Niedriglohnsektor verbreitet

Weniger problematisch werden mangelnde Sprachkenntnisse in Deutschland im Niedriglohnsektor gesehen. Hier verzichten Arbeitgeber häufiger auf Deutschkenntnisse – etwa in Reinigungsdiensten (14,5 Prozent) oder im Bereich der Lebensmittel- und Gastronomie (8,2 Prozent). Doch in hochqualifizierten Berufen bleibt die Sprachflexibilität eine Seltenheit. Lediglich in der Softwareentwicklung ist eine leichte Öffnung erkennbar, hier verzichten immerhin 3,7 Prozent der Anzeigen auf Deutschkenntnisse. Dies ist möglicherweise dem hohen Fachkräftemangel in der IT-Branche geschuldet, wo Englisch als Arbeitssprache oft ausreichend ist.

Lisa Feist betont, dass Sprachbarrieren im deutschen Arbeitsmarkt ein Wettbewerbsnachteil seien. „Unsere Analyse verdeutlicht, dass sich deutsche Unternehmen insbesondere in hochqualifizierten Berufsfeldern offener für nicht-deutschsprachige Arbeitskräfte präsentieren könnten. Natürlich gibt es Berufe, bei denen Deutschkenntnisse unverzichtbar sind, etwa im Rechtswesen. Doch in anderen Bereichen wie den MINT-Berufen – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – ist dies oft nicht der Fall“, so Feist.

Sprachbarrieren nicht mehr zeitgemäß

Der Vergleich mit anderen europäischen Ländern zeigt, dass Deutschland die Potenziale nicht voll ausschöpft. Der Unterschied sei auch „nicht auf die länderspezifische Berufsstruktur zurückzuführen“, erklärt Feist. „Selbst wenn der Job-Mix in Deutschland dem der Niederlande entspräche, würden sich die Daten nur geringfügig ändern.“

Für die deutsche Wirtschaft bedeutet dies, dass dringend benötigte Fachkräfte in hochqualifizierten Berufen oft nicht rekrutiert werden, obwohl das Potenzial an internationalen Kandidaten vorhanden ist. Gerade global agierende deutsche Unternehmen könnten ihren Bewerberpool erweitern und ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken, wenn sie sich stärker für nicht-deutschsprachige Fachkräfte öffnen würden. Feist: „In einer globalisierten Wirtschaft sind Sprachbarrieren auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr zeitgemäß und stellen einen echten Wettbewerbsnachteil dar.“ (mig) Aktuell Panorama

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