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Landeswappen Thüringen © de.depositphotos.com

Wahlen im Osten

Wahlen im Osten: Sind Demokratie-Projekte in Gefahr?

Die AfD macht keinen Hehl daraus, dass sie die Finanzierung von manchen Landesprogrammen und Vereinen ablehnt. Die anstehenden Landtagswahlen werden entscheidend sein. Sinti und Roma beklagten jetzt schon Stellenstreichungen.

Von Mittwoch, 07.08.2024, 11:12 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 04.08.2024, 12:28 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Dort, wo jetzt Gedenksteine liegen, haben einst die Nazis die Asche verbrannter Menschen abgekippt. Ein Ort des Grauens, ein Ort, an dem es sehr leise ist, wenn die Vergangenheit für einen kurzen Moment als Film durch die Gedanken zieht, hier im thüringischen Nordhausen, ganz nah an den Resten des Krematoriums in der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora. Wer sich hier engagiert, hat eine Botschaft: Nie wieder – und niemals vergessen. Diese Botschaft will auch das Bündnis „Nordhausenzusammen“ verbreiten.

Es ist dieses Bündnis, das im September 2023 die Zivilgesellschaft mobilisiert und so mitgeholfen hat zu verhindern, dass ein AfD-Politiker zum Landrat des Kreises Nordhausen gewählt wurde. Der AfD-Kandidat Jörg Prophet hatte bei der Landratswahl in der ersten Runde mit 42,1 Prozent der Stimmen deutlich vor seinem parteilosen Herausforderer Kai Buchmann gelegen. Die Stichwahl brachte dann die überraschende Wendung – an der auch die Leitung der KZ-Gedenkstätte durch entsprechende Warnungen einen Anteil hatte.

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Verein der Sinti und Roma klagt über Streichung von Stellen

Ein Vorgang, der auch Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) beeindruckt hat. Sie ist nach Thüringen gekommen, um sich die Arbeit der Engagierten direkt vor Ort anzuschauen. „Ja, natürlich“, ist ihre Antwort auf die Frage, ob sie sich angesichts der starken Präsenz der AfD in der Region Sorgen mache. Wenn der Einfluss der AfD dazu führe, dass „Länder oder Kommunen ihre Förderungen zurückziehen und die Initiativen und Vereine im Stich lassen“, dann betreffe das die Arbeit von unzähligen Ehrenamtlichen, sagt sie. Davor hatte ihr Jens Hellmann vom Verein der Sinti und Roma in Thüringen berichtet, dass ihm gerade zwei Stellen gestrichen worden seien, weil Antiziganismus in Thüringen aus seiner Sicht nicht mehr als Problem wahrgenommen werde. Schuld daran sei auch das Klima, das die AfD verbreite, sagt Hellmann.

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Dass der Druck auf Engagierte weiter steigen könnte, befürchten auch viele andere, mit denen Paus auf ihrer Reise durch Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen spricht. Die AfD erreicht in aktuellen Umfragen zu den Landtagswahlen in Thüringen und in Sachsen am 1. September Werte um die 30 Prozent. In beiden Ländern stuft der Verfassungsschutz die Partei als „gesichert rechtsextremistisch“ ein.

AfD in Thüringen will Finanzierung bestimmter Projekte stoppen

Auf Anfrage macht die AfD in Thüringen keinen Hehl aus ihrer Haltung zu bestimmten Demokratieprojekten: „Es ist richtig, dass die AfD in Thüringen die Finanzierung von Landesprogrammen und Vereinen ablehnt, die den Menschen vormachen, wie und was sie zu denken haben“, schreibt ein Sprecher der dpa. Es gehöre zu den „zentralen Wahlversprechen, dass wir solche Finanzierung beenden werden“. Die AfD wolle „nur echte Beiträge zum kulturellen Leben unserer Heimat“ fördern und unterstützen.

Das Ziel, das Paus seit längerem verfolgt, geht in eine ganz andere Richtung: Sie will den Demokratie-Engagierten im Land mehr Planungssicherheit geben. Dazu stellte sie mit ihrer Kollegin im Innenressort, Nancy Faeser (SPD), vor Monaten das sogenannte Demokratiefördergesetz vor. Es soll dem Bund ermöglichen, Projektträger künftig institutionell zu fördern, also langfristig finanziell abzusichern. Ein Vorhaben, das der AfD-Sprecher aus Thüringen als „verfassungswidrig“ bezeichnet. Auch die FDP hat Bedenken – und sorgt bislang dafür, dass das Gesetz im Parlament festhängt. Ein Argument der Kritiker: Es könnte auch den falschen Kräften – etwa Islamisten oder Linksextremisten – eine Absicherung bieten.

Engagierte kritisieren zeitlich befristete Projektförderung

Mario Zenner, Geschäftsführer der Veranstaltungsstätte Altes Gasometer in Zwickau, betont dagegen den Mehrwert. Es sei ein „ganz großes Problem“, sagt er, dass Demokratiearbeit von Projekten abhänge, die jährlich neu beantragt werden müssten. Es brauche stattdessen „verlässliche Strukturen“, sonst würden auch engagierte Mitarbeiter irgendwann abspringen.

Was Ministerin Paus Zenner immerhin zusichern kann: Auch im nächsten Jahr wird es 182 Millionen Euro für das Programm Demokratie Leben geben. Darauf habe sich die Ampel bei ihren Haushaltsverhandlungen geeinigt. Das Bundesförderprogramm umfasst mehr als 700 Angebote in ganz Deutschland. Die Botschaft von Paus an die Engagierten: Es geht erst mal weiter, ihr werdet nicht im Stich gelassen! Eine Botschaft, die die Ministerin als grüne Politikerin natürlich auch in Zeiten des Wahlkampfs gerne medienwirksam verbreitet. Bis zum 1. September sind es nur noch wenige Wochen.

Im Mehrgenerationenhaus des SOS Kinderdorfs in Zwickau blicken sie zum Teil mit Sorge auf dieses Datum. Dort kommen Familien mit Babys, Frauen, die nicht gut Deutsch sprechen, und ältere Menschen, die gemeinsam Kaffee trinken, zusammen. Bereichsleiterin Gabriele Friedrich betont, dass es in ihrem Haus um freiwillige Angebote gehe, niemand müsse hier sein, jeder dürfe aber kommen. Eine stärkere Präsenz der AfD nach der nächsten Wahl könne dazu führen, dass ihre Arbeit für überflüssig erklärt werde, sagt sie. „Wir befürchten, dass sie dann sagen: Die Frauen können doch zu Hause bleiben und Essen kochen, statt hierher zu kommen.“

Eine dieser Frauen ist Chaza aus Syrien. Die junge Mutter, die ein Kopftuch trägt, schaut etwas angestrengt in ihr Deutschlernheft. Die Frauen, die mit ihr am Tisch sitzen und teilweise auch aus Ländern wie der Ukraine und Afghanistan kommen, können hier keinen offiziellen Abschluss erwerben, aber sie dürfen hier üben. Chaza erzählt, dass sie seit sieben Jahren in Deutschland sei, aber wegen Corona und einer hohen Nachfrage nach den Kursen bislang nur einen A1-Deutschkurs belegt habe. Sie sei froh und dankbar, dass sie hier zweimal pro Woche üben könne. Ihr Mann spreche schon perfekt Deutsch. Auf die Frage, ob sie in Zwickau etwas von Ausgrenzung und rechter Hetze spüre, zuckt sie mit den Schultern: „Es hält sich in Grenzen, die Mehrheit behandelt uns gut.“ Sie persönlich sei keinen Anfeindungen ausgesetzt und fühle sich auch sicher. „Zwickau ist schön. Sehr, sehr schön.“ (dpa/mig) Leitartikel Politik

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