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Palästinenser inspizieren Ruinen nach israelischen Luftangriffe in der Gaza-Stadt © de.depositphotos.com / thenews2.com

Vorwurf: Völkermord

Israel vor UN-Gericht

Der Gaza-Krieg wird nun auch vor Gericht ausgetragen. Israel muss sich erstmals einer Völkermord-Klage stellen. Südafrika erhebt vor dem höchsten UN-Gericht harte Vorwürfe: „Politik der Apartheid“ und „Rhetorik des Völkermordes“. Israel weist die Anschuldigungen zurück.

Donnerstag, 11.01.2024, 20:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 11.01.2024, 16:13 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Südafrika hat Israel vor dem Internationalen Gerichtshof vorgeworfen, „systematisch Taten von Völkermord“ gegen die Palästinenser im Gazastreifen begangen zu haben. Vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen schilderten die Rechtsvertreter Südafrikas am Donnerstag in Den Haag Beispiele der militärischen Gewalt sowie Äußerungen israelischer Politiker und Militärs in den vergangenen rund drei Monaten. Dies sei mit der „Absicht des Völkermordes“ geschehen, hieß es. Demnach strebt Israel eine Zerstörung des palästinensischen Lebens an.

Israel soll am Freitag zu den Vorwürfen Stellung beziehen. Kurz vor Beginn der Anhörung wies Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erneut alle Vorwürfe zurück: „Israel kämpft gegen Hamas-Terroristen, nicht gegen die palästinensische Bevölkerung, und wir tun dies in voller Übereinstimmung mit dem internationalen Recht.“ Auch die USA, Großbritannien und die Bundesregierung sehen keine Grundlage für die Klage Südafrikas, riefen angesichts von Schreckensmeldungen Israel inzwischen wiederholt zum Schutz von Zivilisten in Gaza auf.

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Südafrika beruft sich auf die UN-Völkermordkonvention, die auch Israel unterzeichnet hat. In der Konvention wird Völkermord definiert als eine Handlung, „die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“. Israel bestreitet, diesen Passus verletzt zu haben.

Entscheidung bindend, aber bedingt durchsetzbar

Südafrika fordert in einem Eilverfahren auch einen Rechtsschutz für die Palästinenser. So sollten die Richter das Ende der militärischen Handlungen anordnen. Das Gericht, das Konflikte zwischen Staaten klären soll, wird sich zunächst nur mit dem Eilantrag befassen und dann in den nächsten Wochen entscheiden. Ein Verfahren zur Hauptsache, dem Völkermord-Vorwurf, kann Jahre dauern.

Eine Entscheidung des Gerichts ist bindend – auch wenn die UN-Richter selbst keine Machtmittel haben, diese auch durchzusetzen. Ein negativer Beschluss könnte Israel schaden und den internationalen Druck weiter erhöhen.

Israel trifft Vorwurf historisch

Es ist das erste Mal, dass Israel sich vor einem internationalen Gericht dem Vorwurf des Völkermordes stellt. Die Klage trifft das Land besonders schwer. Denn Israel war gerade auch als eine Folge des Holocaust im Zweiten Weltkrieg gegründet worden.

Israel weist auf sein Recht auf Selbstverteidigung nach den Terrorangriffen der islamistischen Hamas und anderer Extremisten am 7. Oktober 2023 hin. Dabei waren rund 1.200 Menschen getötet und etwa 250 aus Israel entführt worden, von denen bislang etwa die Hälfte wieder freigelassen wurde.

„Politik der Apartheid“

Südafrika verurteilte zwar die Angriffe der Hamas-Terroristen. „Aber kein bewaffneter Angriff ist eine Rechtfertigung für die Verletzung der Völkermordkonvention“, sagte Justizminister Ronald Lamola. Er sprach von einer „Politik der Apartheid gegen Palästinenser seit etwa 76 Jahren“. Israel hat auch den Apartheid-Vorwurf in den vergangenen Jahren immer wieder zurückgewiesen.

Die Rechtsvertreterin Südafrikas, Adila Hassim, zählte Gewalttaten der Armee auf, wie Bombenangriffe und Blockaden humanitärer Hilfe. Sie sprach von „Taten des Völkermordes“ und einem „systematischen Muster, das auf Absicht des Völkermordes hinweist.“ Mehr als 23.000 Palästinenser seien getötet worden, mindestens 70 Prozent davon Frauen und Kinder.

„Rhetorik des Völkermordes“

Südafrika begründete die Vorwürfe auch mit Äußerungen von israelischen Ministern und Offizieren. Zitate wie „Wir werden keinen verschonen“, „Wir werden den Gazastreifen von der Erde ausradieren“ oder „Israel kämpft gegen menschliche Tiere“ seien „Rhetorik des Völkermordes“.

Vor dem Friedenspalast, dem Sitz des Gerichtshofes, hatten sich einige Hundert Anhänger der Palästinenser versammelt. Zugleich zogen auch mehrere Hundert Unterstützer Israels vor das Gericht und erinnerten an die Opfer der Gewalt von Hamas. (dpa/mig) Aktuell Ausland

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