Haushalt 2024

Sorge um Kürzungen beim Kampf gegen rechts

Die für Donnerstag geplante abschließende Sitzung des Haushaltsausschusses wurde verschoben. Nach dem Karlsruher Urteil steht nun die Haushaltspolitik der Ampel-Koalition auf dem Prüfstand, weil Milliarden für Klimaschutz und andere Vorhaben fehlen. Betroffen sind auch Mittel für den Kampf gegen Rechtsextremismus.

Von Donnerstag, 23.11.2023, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 23.11.2023, 14:44 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

An diesem Donnerstag wollte der Haushaltsausschuss des Bundestags abschließend über den Etat für 2024 entscheiden. Doch die Sitzung wurde verschoben, ein neuer Termin wurde nicht genannt. In die Endphase der Haushaltsberatungen platzte Mitte vergangener Woche das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Milliarden für Klimaschutz und den Umbau der Wirtschaft fehlen dem Bund seitdem, und die am häufigsten gestellte, aber nicht beantwortete Frage lautet: Was bedeutet das? Wirkt sich das Urteil direkt oder indirekt auch auf Sozialausgaben aus?

Vor den Haushaltsberatungen hatten die Sparpläne der Ampel-Koalition monatelang für Proteste gesorgt. Das Spitzenpersonal der sechs großen Wohlfahrtsverbände – nicht immer beste Freunde – versammelte sich Anfang November vor dem Reichstagsgebäude zum gemeinsamen Foto und Protest gegen teils drastische Kürzungen im Etat des Familienministeriums bei Freiwilligendiensten, Migrationsberatung oder Hilfen für junge Familien. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie nannte es „widersinnig“, ausgerechnet das Engagement von Freiwilligen klein zu sparen, in Zeiten, wo jeder Mensch, der sich für die Allgemeinheit engagiert, dringend gebraucht werde.

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Nach der Nachtsitzung des Haushaltsausschusses – auch „Nacht der langen Messer“ genannt und alljährlicher Höhepunkt der Haushaltsberatungen – gab es dann am vergangenen Freitag viele gute Nachrichten. SPD und Grüne meldeten um die Wette, welche Kürzungen sie hätten abwenden können. Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Sven-Christian Kindler, nannte den Etat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend seiner Parteikollegin Lisa Paus „zentral für unser demokratisches und gesellschaftliches Miteinander“.

Programme gegen rechts

Einsparungen von 80 Millionen Euro bei den Freiwilligendiensten werde es nicht geben, auch der Kinder- und Jugendplan werde nicht zusammengestrichen, hieß es. Ein Programm an 600 Schulen gegen Antisemitismus und Extremismus unter dem Titel „Respekt Coaches“ soll weiter laufen, die Jugendmigrationsdienste der Sozialverbände müssten ihre Angebote nicht einschränken, ebenso wenig die Beratungsstellen für obdachlose Jugendliche.

Für das Patenschaftsprogramm „Menschen stärken Menschen“, vor allem aber für das Bundesprogramm „Demokratie leben“, das die Ampel-Koalition als wichtigen Baustein zur Extremismusprävention ansieht und das mit rund 700 Projekten an vielen Orten gut etabliert ist, wurden 60 Millionen Euro für mehrjährige Projekte zugesichert. Auch die Sorgen um die Jobcenter und die Förderprogramme für Langzeitarbeitslose konnten die Haushälter beschwichtigen. Statt Kürzungen von 700 Millionen Euro sind nun 50 Millionen Euro zusätzlich vorgesehen.

Alles auf dem Prüfstand

Die Haushaltsexperten aller drei Koalitionsfraktionen betonten Ende vergangener Woche, über die Einzeletats der Ministerien habe man sich abschließend verständigt. An der politisch gewollten Rücknahme der Kürzungen ändere das Karlsruher Urteil nichts. Auch am Tag vor der nun abgesagten Sitzung des Haushaltsausschusses war von Experten in den Fraktionen zu erfahren, es sei unwahrscheinlich, dass Detailvereinbarungen wieder aufgeschnürt würden.

Andererseits aber steht alles auf dem Prüfstand. Erst nach und nach wird deutlich, in welchem Ausmaß die Haushaltspolitik der Ampel-Koalition durch das höchstrichterliche Urteil durchgeschüttelt wird: Hochkonjunktur für Unsicherheit und Befürchtungen. Die Finanzexperten, die der Haushaltsausschuss am Dienstag anhörte, empfahlen – jeweils mit guten Argumenten – die Verabschiedung des Haushalts 2024 zu verschieben oder ihn zunächst zu beschließen und dann an die Vorgaben der Verfassungsrichter anzupassen. Für soziale Projekte heißt das schlicht, dass endgültige Entscheidungen weiter ausstehen.

Sozialverbände warnen vor Einsparungen

Vertreter der Sozialverbände wiederholten am Donnerstag ihre Warnungen vor Einsparungen bei den Sozialausgaben und den Folgen für die Demokratie. „Wir können jetzt nur hoffen, dass möglichst schnell Planungssicherheit entsteht und nicht der Sozialstaat geschreddert wird“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. Er plädierte für eine Reform der Schuldenbremse, „sodass Investitionen auch über Kredite finanziert werden können. Sonst fliegen uns dieser Staat und diese Gesellschaft um die Ohren.“

Die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, sagte der Zeitungsgruppe: „Wir brauchen jetzt mehr denn je einen starken Sozialstaat und eine starke Regierung, die den Menschen das Gefühl gibt, die Lage im Griff zu haben.“ Die Schuldenbremse müsse ausgesetzt werden. Der Staat brauche zudem mehr Einnahmen. Dazu müssten „Reiche, Spitzenverdienende und Unternehmen, die zuletzt fette Übergewinne gemacht haben“, beitragen.

Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK Deutschland, Verena Bentele, forderte: „Die Bundesregierung muss in der Haushaltspolitik die richtigen Prioritäten setzen. Investitionen in die Zukunft wie die Kindergrundsicherung oder die Wärmewende dürfen nicht der Finanzdisziplin geopfert werden.“ Ganz oben auf der Agenda müsse der Kampf gegen Kinderarmut stehen. Drei Millionen Kinder seien betroffen. Sie sprach sich für die Einführung einer Vermögenssteuer aus. (dpa/mig) Aktuell Wirtschaft

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