Chronologie
Was seit dem ersten großen Bootsunglück vor Lampedusa passiert ist
Am 3. Oktober 2013 ertranken vor der italienischen Insel Lampedusa mehr als 360 Geflüchtete, die Europa über das Mittelmeer erreichen wollten. Das Bootsunglück sorgte für Entsetzen und Aufmerksamkeit für das Thema. Seitdem ist viel passiert. Chronologie der letzten zehn Jahre:
Dienstag, 03.10.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 03.10.2023, 11:56 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
2013: In der ersten Hälfte des Jahres kommen 3.648 Migrantinnen und Migranten über das Mittelmeer auf Lampedusa an. Mehr als dreimal so viel wie im gleichen Zeitraum 2012. Im Juli führt die erste Reise des neu gewählten Papstes Franziskus auf die kleine Insel. Dort prangert er die Gleichgültigkeit der Menschen im Umgang mit Flüchtlingen an.
3. Oktober 2013: Mehr als 360 Migranten ertrinken vor der Insel Lampedusa. Das Boot, in dem etwa 545 Menschen die Überfahrt über das Mittelmeer wagten, hatte Feuer gefangen. Die Küstenwache kann 155 Menschen retten. Sie stammen überwiegend aus Somalia und Eritrea.
18. Oktober 2013: Die italienische Regierung reagiert mit dem Seenotrettungsprogramm „Mare Nostrum“. Marine und Küstenwache werden zwischen Italien und Nordafrika für die Rettung von Flüchtlingen eingesetzt. Zugleich sollen auch Schleuser aufgegriffen werden. Nach offiziellen Angaben werden so etwa 100.000 Menschen aus Seenot gerettet. Die Kosten belaufen sich auf neun Millionen Euro im Monat.
2. Dezember 2013: Die EU unterstützt Italien mit dem neuen Grenzüberwachungssystem Eurosur, mit dem das Mittelmeer via Satellit überwacht wird. Informationen über Bewegungen an den EU-Außengrenzen werden damit allen EU-Staaten zugänglich. Die Federführung hat die EU-Grenzschutzagentur Frontex.
27. Juni 2014: In der Abschlusserklärung eines EU-Gipfels heißt es, das Staatenbündnis brauche eine „wirksame und gut gesteuerte Migrations-, Asyl- und Grenzpolitik“.
1. November 2014: Die Seenotrettungsoperation „Mare Nostrum“ wird von Italien eingestellt und von der europäischen Mission „Triton“ abgelöst, die der Verantwortung von Frontex unterliegt. Das Mandat: Überwachung der Grenzen und Verfolgung von Schleppern. Die Rettung von Geflüchteten aus Seenot ist nicht explizit enthalten. Im gesamten Jahr 2014 sterben UN-Daten zufolge 3.279 Migrantinnen und Migranten bei Bootsunglücken im Mittelmeer.
April 2015: Zwei weitere schwere Bootsunglücke mit Hunderten Toten: In einem Fall ertrinken vermutlich 400 Menschen 120 Kilometer südlich von Lampedusa. Ein weiteres Boot kentert vor der libyschen Küste, zwischen 800 und 900 Menschen sterben dabei. Die italienische Marine kann 169 Leichen aus dem Meer bergen. Im Juni 2016 wird das Schiff vom Meeresgrund gehoben, in dem Wrack werden 675 weitere Leichen entdeckt.
April 2015: Die Frontex-Operation „Triton“ wird ausgeweitet. Zur gleichen Zeit nehmen erste private Seenotrettungsorganisationen ihre Einsätze auf. Sie berufen sich auf das internationale Seerecht, wonach jeder Mensch in Seenot gerettet werden muss. Diese Pflicht gilt für staatliche wie private Schiffe.
Juni 2015: Die EU-Operation „Sophia“ (Eunavfor Med) soll unter der Beteiligung von Schiffen und Luftstreitkräften die Schleuserkriminalität vor der libyschen Küste bekämpfen und die Migration eindämmen. Zudem werden Einheiten der libyschen Küstenwache, die vorwiegend aus Milizen besteht, ausgebildet.
2015: Nach Angaben von Hilfsorganisationen kamen im gesamten Jahr 2015 fast eine Million Geflüchtete über das Mittelmeer nach Europa, die meisten über Griechenland und die Balkan-Route und nicht mehr von Nordafrika aus nach Italien.
2016: Nach UN-Angaben sterben im April bis zu 500 Menschen bei einem Bootsunglück zwischen Libyen und Italien und im Mai innerhalb einer Woche vermutlich mehr als 1.000 bei mehreren Unglücken.
Juni 2018 bis September 2019: Italiens Innenminister Matteo Salvini, Chef der rechten Lega, erlässt zahlreiche Dekrete, die die Rettungsmissionen der privaten Seenotretter erschweren.
29. Juni 2019: Das Schiff „Sea Watch 3“ legt trotz Verbots der Behörden mit 40 geretteten Migranten an Bord im Hafen von Lampedusa an. Es streift dabei ein Schiff der Finanzpolizei. Kapitänin Carola Rackete wird daraufhin vorübergehend festgenommen.
22. September 2022: Die ultrarechte Partei Fratelli d Italia gewinnt die Parlamentswahlen und ihre Chefin Giorgia Meloni wird Ministerpräsidentin. Im Wahlkampf hatte sie versprochen, die Fluchtroute über das Mittelmeer zu schließen. Lega-Chef Salvini wird Vizeregierungschef und ist als Verkehrsminister unter anderem für die Küstenwache verantwortlich.
16. Juli 2023: Nachdem in der ersten Hälfte des Jahres 2023 die Zahl der Migranten wieder drastisch gestiegen ist, schließen die EU und Tunesien eine Absichtserklärung, beim Thema Migration enger zusammenzuarbeiten. Im Gegenzug werden Tunesien Finanzhilfen von rund 105 Millionen Euro zugesagt.
12. September 2023: Neuer Rekord: Innerhalb von 24 Stunden kommen in Lampedusa mehr als 100 Boote an. Die Insel verhängt kurz darauf den Ausnahmezustand. Zeitweise sind fast 7.000 Geflüchtete zeitgleich in den völlig überfüllten Aufnahmelagern.
17. September 2023: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Regierungschefin Meloni besuchen gemeinsam Lampedusa. Von der Leyen verspricht in einem 10-Punkte-Plan unter anderem eine neue EU-Mission im Mittelmeer zur Eindämmung der Migration.
20. September 2023: Das Europaparlament kündigt eine Blockade der Verhandlungen über die geplante Reform des EU-Asylrechts an, an der seit Jahren gearbeitet wird. Die Begründung: die EU-Staaten hätten sich bislang nicht zu einem umstrittenen Punkt positioniert, der unter anderem die Länge der Unterbringung von Asylsuchenden in grenznahen Einrichtungen betrifft. (epd/mig) Aktuell Panorama
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