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Christian Lindner (FDP) © Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Lindner gegen Kindergrundsicherung

Vor allem „nicht ursprünglich deutsche Familien“ betroffen

Die Koalition ist zurück im Streitmodus. Finanzminister Lindner hat zur Kindergrundsicherung inhaltliche Anmerkungen: Von Kinderarmut seien vor allem „nicht ursprünglich deutsche“ Familien betroffen. Im Netz werden ihm Verbreitung von Fake-News und Rassismus vorgeworfen.

Montag, 21.08.2023, 14:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 21.08.2023, 14:02 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Eigentlich soll sich die Bundesregierung noch in diesem Monat auf eine Kindergrundsicherung einigen – doch zuvor zeichnen sich weitere heftige Debatten ab. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (SPD) will mit der Kindergrundsicherung Leistungen für Familien zusammenfassen und diese zugleich erhöhen. Erklärtes Ziel: Bekämpfung von Kinderarmut und Gewährleistung von Chancengleichheit. Die FDP sieht die Leistungsverbesserungen kritisch.

Finanzminister Christian Lindner meldete Beratungsbedarf nicht nur zur finanziellen, sondern auch zur inhaltlichen Ausgestaltung der Maßnahmen gegen Kinderarmut an: Davon seien vor allem Familien betroffen, die seit 2015 nach Deutschland eingewandert seien, sagte der FDP-Politiker am Sonntag beim Tag der offenen Tür in seinem Ministerium. Er wolle gerne diskutieren, wie man diesen Kindern und Jugendlichen am besten helfen könne.

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„In Deutschland ist die Kinderarmut deutlich zurückgegangen, ganz, ganz deutlich spürbar zurückgegangen – bei den ursprünglich deutschen Familien, die schon länger hier sind. Insgesamt ist in Deutschland die Kinderarmut aber noch vergleichsweise und, wie ich finde, indiskutabel hoch – wegen der Familien, die seit 2015 neu nach Deutschland eingewandert sind als Geflüchtete oder aus anderen Gründen. Es gibt also einen ganz klaren statistischen Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Kinderarmut“, so Lindner wörtlich.

Paus kritisiert Verknüpfung mit Staatsangehörigkeit

Und da wolle er gerne diskutieren: „Hilft man ihnen am besten dadurch, dass man den Eltern mehr Geld aufs Konto überweist?“, fragte Lindner. „Oder ist nicht vielleicht mindestens diskussionswürdig, in die Sprachförderung, Integration, Beschäftigungsfähigkeit der Eltern zu investieren und die Kitas und Schulen für die Kinder so auszustatten, dass sie vielleicht das aufholen können, was die Eltern nicht leisten können?“ Genau diese Debatte werde die Ampel-Regierung führen.

Paus entgegnet darauf: „Die Kinderarmut ist kein Problem, das sich nach Zuordnung zu einer Staatsangehörigkeit lösen lässt. Kinderarmut ist ein strukturelles Problem, weswegen er struktureller Lösung, wie der der Kindergrundsicherung, bedarf“. Scharfe Kritik kommt auch vom Co-Vorsitzenden der AG Migration und Vielfalt in der SPD, Aziz Bozkurt. Er wirft Lindner im Kurznachrichtendienst „X“ (ehem. „Twitter“) vor, „In der Rassismuskiste“ zu rühren.

Linke: Lindner sucht Unterstützung von ganz rechts außen

Kritik erntet Lindner auch bei der Opposition. „Wie schon bei vergangenen Auseinandersetzungen innerhalb der Regierungskoalition suchen Christian Lindner und die FDP die Unterstützung von ganz rechts außen. Die Debatte um die Kindergrundsicherung mit rassistischen Narrativen aufzuladen ist gefährlich und verantwortungslos“, schreibt Linke-Politikerin Clara Bünger auf „X“.

Autorin und Journalistin Annette Dittmann meint sogar, Lindner streue Fake News, „die nach rechts anschlussfähig sind“. Die Wahrheit sei: Kinderarmut stagniere seit Jahrzehnten in Deutschland bei 20 Prozent. „Die größte Betroffenengruppe sind Kinder Alleinerziehender & Familien mit 3+ Kindern“, so Dittmann auf „X“.

Experte sieht Fehler in Lindners Behauptung

Prof. Marcel Fratzscher von der Humboldt Universität und Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sieht in Lindners Behauptung gar einen logischen Widerspruch und Fehler: Zwar seien einige „ursprünglich deutsche Familien“ seit 2015 aus der Armut gekommen, dies sei allerdings rein statistisch bedingt.

In Deutschland werde Armut definiert „als alle, die in einem Haushalt mit weniger als 60% des mittleren Einkommens“ leben. Durch die Zuwanderung von armen Menschen sei das mittlere Einkommen gesunken. Heißt: Viele dieser ‚ursprünglich deutschen Familien‘ seien seit 2015 statistisch nicht wegen höherer Einkommen aus der Armut herausgekommen, „sondern, weil noch ärmere Menschen hinzugekommen sind“, so Fratzscher auf „X“. (dpa/mig) Aktuell Politik

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