Mehr Abschiebungen im Südwesten
Flüchtlingsrat: „Für viele der soziale Tod“
Baden-Württemberg hat mehr Menschen abgeschoben. Und es sollen noch mehr werden. Bund und Land wollen den Druck auf die Menschen erhöhen. Der Flüchtlingsrat sieht ein anderes Problem.
Donnerstag, 10.08.2023, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 10.08.2023, 11:25 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
In diesem Jahr sind bislang mehr Menschen aus Baden-Württemberg abgeschoben worden als in den ersten Monaten des vergangenen Jahres. Insgesamt mussten bis Ende Juli 1100 Menschen das Land verlassen nach 993 im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Mehr als 500 davon waren nach Angaben des Landes Straftäter, im vergangenen Jahr waren es bis Ende Juli etwas mehr als 330, wie ein Sprecher des Justizministeriums am Mittwoch mitteilte. Allerdings hat Baden-Württemberg in den ersten sieben Monaten dieses Jahres auch 17.150 neue Asylzugänge gezählt. Zuerst hatte der SWR über einen Teil der Zahlen berichtet.
Insgesamt zählten die Behörden im vergangenen Jahr rund 1.700 Abschiebungen, ungefähr 600 davon betrafen Straftäter. Freiwillig verlassen haben das Land im gesamten vergangenen Jahr rund 1.850 Menschen. Eine sogenannte Duldung hatten Ende 2022 mehr als 34.000 Menschen im Südwesten. Das heißt: Sie sind weiterhin ausreisepflichtig, dürfen aber vorübergehend bleiben, weil sie nicht abgeschoben werden können, da sie zum Beispiel keine Ausweisdokumente haben oder krank sind.
Justizministerin Gentges: strukturelle Probleme bei Abschiebungen
Die auch für das Thema Migration zuständige Landesjustizministerin Marion Gentges (CDU) hatte die Bundesregierung und insbesondere Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zuletzt wiederholt aufgefordert, ausreisepflichtige Menschen konsequenter abzuschieben. „Bei der Rückführung von ausreisepflichtigen Ausländern bestehen strukturelle Probleme, die der Bund endlich lösen muss und für die er auch verantwortlich ist“, sagte sie am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.
Es gebe in Baden-Württemberg zudem mehrere vollziehbar Ausreisepflichtige, bei denen keine Abschiebungsverbote vorlägen. „Deren Abschiebung sollte mit Hochdruck betrieben werden, weil eine deutliche Gewaltbereitschaft vorliegt oder weil es sich um verurteilte Sexualstraftäter mit besonders hoher Wiederholungsgefahr handelt“, warnte Gentges.
Flüchtlingsrat sieht ein anderes Problem
Der Flüchtlingsrat sieht hingegen ein anderes Problem: „Viele von ihnen sind fester Bestandteil der Gesellschaft, sie haben oft einen Arbeitsplatz, bringen sich ein und verdienen Geld“, sagte eine Sprecherin. „Aber sie werden dennoch teils nach vielen Jahren erst aus dem System gerissen, um in einer für sie fremden Gesellschaft neu anfangen zu müssen. Für sie ist das die völlige Perspektivlosigkeit, der soziale Tod.“ Es gebe zudem weiterhin Menschen, die zwar ein Bleiberecht hätten, die aber mangels Kenntnis und wegen schlechter Beratung durch die Behörden abgeschoben würden.
Auch der Begriff der Straftäter könne täuschen und falsche Vorstellungen wecken. „Er suggeriert, dass es sich um Menschen handelt, die kriminell seien“, sagte die Sprecherin des Flüchtlingsrates. „Dabei gibt es aufenthaltsrechtliche Straftaten, die nur von Migrantinnen und Migranten begangen werden können, wie zum Beispiel eine illegale Einreise.“ (dpa/mig) Aktuell Politik
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