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Auschwitz (Archiv) © DzidekLasek @ pixabay.com (Lizenz), bearb. MiG

Holocaust-Gedenktag für Sinti & Roma

„Wir können nicht Opfer achten, und ihre Kinder verachten“

Sorge vor einer Rückkehr des Nationalismus bestimmt die Beiträge zum diesjährigen Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Auch die andauernde Ausgrenzung der Minderheit bleibt ein Thema.

Mittwoch, 02.08.2023, 20:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 02.08.2023, 18:26 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

In der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau ist am Mittwoch an die von Nationalsozialisten rund 500.000 ermordeten Sinti und Roma aus ganz Europa erinnert worden. Dabei kritisierten Vertreter der Minderheit deren andauernde Diskriminierung und Ausgrenzung in europäischen Ländern und warnten vor einem Comeback rassistischer und nationalistischer Ideologien.

Der Vorsitzende des Zentralrates der Sinti und Roma in Deutschland, Romani Rose, sagte in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, in vielen osteuropäischen Ländern lebten Roma immer noch unter Apartheid-ähnlichen Bedingungen. Antiziganismus nehme den Menschen ihre Würde. Rose forderte die Innenminister der Bundesländer auf, die Unrechtsgeschichte der Polizei im NS-Staat und nach 1945 aufarbeiten zu lassen: „Und beenden Sie damit endlich die rassistische und antiziganistische Sondererfassung und Kriminalisierung von Sinti und Roma auf dieser Grundlage.“

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Wahlerfolge rechter Parteien machen Angst

Der Vorsitzende der Vereinigung der Roma in Polen, Roman Kwiatkowski, betonte, es sei kein Widerspruch, Sinti und Roma und zugleich Bürger eines Landes zu sein. Jede Manifestation von Diskriminierung und Ausgrenzung sei heute nach den Erfahrungen der NS-Zeit ein Weckruf.

Info: Der Europäische Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma erinnert jährlich am 2. August an die Opfer des sogenannten Porajmos, des Völkermordes an den europäischen Sinti und Roma in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Gesamtzahl der Opfer wird europaweit auf bis zu 500.000 Menschen geschätzt. Bereits zuvor waren Sinti und Roma in Europa seit Jahrhunderten Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt. Am 2. August 1944 begann die SS mit der Liquidation des sogenannten Zigeunerfamilienlagers im KZ Auschwitz-Birkenau. SS-Angehörige ermordeten in der Nacht auf den 3. August die etwa 4.300 verbliebenen Sinti und Roma in Gaskammern – zumeist als arbeitsunfähig eingestufte Frauen, Kinder und ältere Menschen. Das Europäische Parlament erklärte im Jahr 2015 den 2. August zum Europäischen Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma. Die Ausgrenzung der Minderheit setzte sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fort. Sinti und Roma hatten es schwer, als rassistisch Verfolgte des NS-Regimes in der Bundesrepublik anerkannt zu werden. Der Kampf um Wiedergutmachung zog für viele Überlebende jahrelange, quälende Verfahren nach sich. Erst 1982 erkannte der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) den Völkermord an den Sinti und Roma als solchen an. Bis heute hat die Minderheit in Deutschland und Europa mit Diskriminierung, Ausgrenzung und Rassismus zu kämpfen.

Die Holocaust-Überlebende Gerda Pohl berichtete in ihrer Rede von den Demütigungen nach dem Krieg, die sie wie die NS-Zeit dauerhaft geprägt hätten. „Wir waren fleißig, aber wurden von Mitschülern und Lehrern als Sinti drangsaliert“, erzählte Pohl. Vieles sei in den vergangenen Jahren besser geworden. Aber die Wahlerfolge rechter Parteien in vielen europäischen Ländern machten ihr Angst.

„Sinti und Roma sind europäische Bürger“

Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Nicola Beer (FDP), betonte, auch das EU-Parlament müsse seine Bemühungen im Kampf gegen Diskriminierung verstärken: „Es muss jedem klar sein. Sinti und Roma sind europäische Bürger mit den gleichen Rechten, Freiheiten und Perspektiven.“

Der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antiziganismus, Mehmet Daimagüler, kritisierte die anhaltende Diskriminierung vom Roma und Sinti in Deutschland: „Wir können nicht die Opfer achten und ihre Kinder, Enkel und Urenkel verachten.“

Schande für Europa und eine offene Wunde

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) betonte in Berlin, der Kampf um deren Teilhabe müsse auch beim Zugang zu Beschäftigung, Bildung, Gesundheitsversorgung und Wohnen weitergehen. Der Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, sagte in Berlin, die Verachtung und der Hass, der Sinti und Roma bis heute in vielen europäischen Ländern entgegenschlage, sei eine Schande für Europa und eine offene Wunde. Das Deutsche Institut für Menschenrechte forderte Bundesregierung und Bundestag auf, das den Sinti und Roma während der NS-Zeit und nach 1945 zugefügte Unrecht anzuerkennen und angemessen zu entschädigen.

Am 2. August 1944 hatte die SS mit der Liquidation des sogenannten Zigeunerfamilienlagers im KZ Auschwitz-Birkenau begonnen. Etwa 4.300 dort verbliebene Sinti und Roma wurden in den Gaskammern ermordet. 2015 erklärte das Europäische Parlament den 2. August zum europäischen Gedenktag. (epd/mig) Aktuell

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