Bundessozialgericht, BSG, Rechtsprechung, Entscheidung, Urteil, Sozialhilfe
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Bundessozialgericht

Staat muss Klinik-Kosten von Ausländern ohne Versicherung tragen

Ein obdachloser Pole wurde mit Verdacht auf Herzinfarkt in ein Aachener Krankenhaus gebracht. Die Klinik verlangte von der Stadt Erstattung der Behandlungskosten. Dieser lehnte ab. Jetzt hat das Bundessozialgericht den Streit entschieden.

Sonntag, 16.07.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 15.07.2023, 11:51 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Ausländer ohne Krankenversicherungsschutz haben im akuten Notfall Anspruch auf medizinische Behandlung auf Kosten des Sozialstaats. Selbst wenn die erkrankte Person kein Aufenthaltsrecht in Deutschland hat, kann sich die behandelnde Klinik die Kosten für die Notfallbehandlung von der Sozialhilfe wieder zurückholen, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel am Donnerstag. (AZ: B 8 SO 11/22 R) Dem nicht versicherten Ausländer stünden Überbrückungsleistungen in Form von Hilfen bei Krankheit zu. Auf die Ausreisebereitschaft des Ausländers komme es hierfür nicht an.

Im konkreten Fall ging es um einen alkoholkranken und wohnsitzlosen Mann aus Polen, der seinen Lebensunterhalt mit Betteln bestreitet. Sozialhilfeleistungen bezieht der unter Betreuung stehende Mann nicht. Er verfügt weder in Polen noch in Deutschland über eine Krankenversicherung.

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Wegen des Verdachts auf Herzinfarkt kam er an einem Freitag mit einem Rettungswagen in das Uniklinikum Aachen. Der Verdacht bestätigte sich nicht, sodass er einen Tag später die Notfallaufnahme wieder verlassen konnte. Das Uniklinikum machte bei der Stadt Aachen als Sozialhilfeträger die Behandlungskosten in Höhe von 166,47 Euro geltend. Die vor Beginn der Behandlung übliche vorherige Absprache zur Übernahme der Kosten war nicht möglich, da der Wohnsitzlose erst nach Dienstschluss der Behörde eingeliefert wurde.

Stadt lehnt Behandlungskosten ab

Die Stadt lehnte die Kostenübernahme ab. Das Krankenhaus müsse für die Kosten selbst aufkommen. Denn hier habe keine vom Gesetz geforderte Behandlung einer „akuten Erkrankung“ vorgelegen, sondern es sei nur eine reine Diagnostik durchgeführt worden. Da der Patient über kein Aufenthaltsrecht verfügte, kämen allenfalls Überbrückungsleistungen für die Erstattung der Behandlungskosten in Betracht. Hierfür müsse sich der Ausländer aber bereiterklären, innerhalb eines Monats auszureisen, was der Mann nicht getan habe.

Das BSG urteilte, dass dem Klinikum die Erstattung der Behandlungskosten zusteht. Mit dem Herzinfarkt-Verdacht habe auch eine „akute Erkrankung“ vorgelegen. Das Gericht sah die Voraussetzungen zur Gewährung von Überbrückungsleistungen als erfüllt an. Diese Form der Sozialhilfeleistung umfasse im akuten Notfall auch Hilfen bei Krankheit. Eine Ausreisebereitschaft sei nicht erforderlich. (epd/mig) Aktuell Recht

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