Gericht
Berliner Mohrenstraße kann umbenannt werden
Ob der Name „Mohrenstraße“ rassistisch ist oder nicht, bleibt weiter offen. Die strittige Umbenennung der Straße im Zentrum Berlins ist nach der Gesetzeslage aber kein Verstoß gegen Rechte der Anwohner. Die Macht über Straßennamen haben vor allem Behörden, so das Gericht.
Von Andreas Rabenstein Donnerstag, 06.07.2023, 19:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 06.07.2023, 18:07 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Die Richtung des Urteils über die umstrittene Umbenennung der Berliner Mohrenstraße gab der Richter schon in den ersten Minuten der mündlichen Verhandlung vor. Der zuständige Berliner Bezirk Mitte habe ein „weites Ermessen“ bei Straßennamen, der Klageweg einzelner Bürger dagegen sei eingeschränkt, sagte Richter Wilfried Peters am Donnerstag im Verwaltungsgericht zu den Klagen gegen die Umbenennung. Damit war klar, was einige Stunden später als Urteil folgte: Die Umbenennung der Mohrenstraße ist rechtlich zulässig. Das Gericht wies eine Musterklage des Historikers und Journalisten Götz Aly als Anwohner dagegen zurück.
Der jahrelange inhaltliche Streit um die Umbenennung, bei der es um den Begriff „Mohr“ und einen möglichen Rassismus ging, war für das Gerichtsurteil nicht der Grund. Bei der Diskussion gebe es eine „Menge Für und Wider“, sagte Peters. „Wir haben nicht entschieden, ob es gute Gründe geben könnte, den Namen zu behalten oder zu ändern. Historische und politische Gründe waren nicht Gegenstand der Entscheidung.“ Formal und rechtlich sei die Behörde zuständig. Die Umbenennung als „Verwaltungsakt“ sei auch nicht „willkürlich und fehlerhaft“ erfolgt. Das sei der „maßgebliche Punkt“ für das Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist. Eine Berufung wurde nicht zugelassen. Dagegen könnten die Kläger aber mit einem Antrag auf Zulassung vorgehen.
Umbenennung 2021 beschlossen
Grüne, SPD und Linke im Bezirk Mitte hatten die Umbenennung 2021 beschlossen, weil der Name Mohrenstraße rassistisch und kolonialistisch sei. Der künftige Name Anton-Wilhelm-Amo-Straße bezieht sich auf einen afrikanischstämmigen Gelehrten im 18. Jahrhundert in Berlin. Auch die Umbenennung der gleichnamigen U-Bahnstation stand an, wurde dann aber vorerst zurückgestellt.
Mehr als 1.000 Einwände gab es in früheren Jahren dagegen, 200 offizielle Beschwerden gingen beim Bezirk ein, der sie alle zurückwies. Die Anwohner monierten, der Bezirk habe ihre Interessen nicht berücksichtigt. Sieben Anwohner klagten. Alys Klage wurde vom Richter als Musterklage behandelt, die anderen sechs Klagen vorerst „ruhend gestellt“.
Sprachlicher Wandel in weiten Teilen der Gesellschaft
Richter Peters betonte weiter, angesichts des Straßengesetzes und der Zuständigkeit des Bezirks habe das Gericht enge Grenzen für eine inhaltliche Überprüfung der Klagen. Die Begründung für die Umbenennung könne man für falsch halten, „da spricht einiges dafür“. Anderseits gebe es einen sprachlichen Wandel in weiten Teilen der Gesellschaft, „der Ausdruck der Änderung des Zeitgefühls“ sei.
Die Kritik der Anwohner, sie seien nicht beteiligt worden, wies der Richter zurück. Sie hätten Beschwerden eingereicht, der Bezirk habe diese abgelehnt. Rechtlich sei das eine Form der Beteiligung. Zugleich warf er dem Bezirk vor: „Der Diskurs mit den Anwohnern hätte geführt werden müssen.“
Umbenennung Ausdruck der Demokratie
Ein Vertreter des Bezirk Mitte sagte, die Umbenennung sei Ausdruck der Demokratie. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und das von Grünen und SPD geführte Bezirksamt seien gewählte Instanzen.
Aly argumentierte, die Namensgebung für die Straße vor 300 Jahren sei keineswegs rassistisch, sondern wertschätzend gemeint. Er verwies auf die Taubenstraße, die nach tauben Menschen, die dort gepflegt wurden, benannt sei als „Zeichen des Respekts“. Historische Straßennamen hätten oft mehrere Seiten, „aber sie waren Teil der Geschichte dieser Stadt und wir sollten sie erklären“. Die Mohrenstraße gehöre zum Kern Berlins und kreuze die nach dem Königspaar benannte Friedrichstraße und Charlottenstraße. Damit sei sie auch eine Art Denkmal. „Daran sollte man sich nicht einfach vergreifen.“
Afrika-Rat: Straßenschild kann endlich ausgetauscht werden
Weiter betonte Aly: „Wir haben nicht das Recht, das heutige Denken auf damals zu übertragen.“ Er sei gegen eine Entfernung des Thälmann-Denkmals oder Umbenennung des Rosa-Luxemburg-Platzes, obwohl beide Kommunisten keineswegs Demokraten gewesen seien und deswegen als Vorbilder zweifelhaft. „Aber sie waren Teil der Geschichte dieser Stadt.“ Als Kompromiss würde er einen bislang namenlosen Platz an der Mohrenstraße nach Anton Wilhelm Amo benennen.
Initiativen wie der Afrika-Rat Berlin Brandenburg und Decolonize Berlin reagierten auf das Urteil und forderten in einer Mitteilung, „dass die Straßenschilder – fast 3 Jahre nach dem BVV-Beschluss – endlich ausgetauscht werden“. Straßenumbenennungen, Gedenktafeln und Interventionen seien „notwendige Instrumente, um eine Auseinandersetzung mit kolonialen Kontinuitäten im öffentlichen Raum anzustoßen“. (dpa/mig) Aktuell Recht
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