Hass-Chronologie
17 Fälle aus 30 Tagen zeigen: Rassismus ist Alltag in Deutschland
Rassismus ist für viele Menschen in Deutschland Alltag. Die meisten Fälle erfährt die Öffentlichkeit nicht, nur ganz wenige werden – wenn überhaupt – kleingedruckt. MiGAZIN dokumentiert 17 Fälle aus den vergangenen 30 Tagen in chronologischer Reihenfolge:
Montag, 12.06.2023, 19:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 12.06.2023, 20:34 Uhr Lesedauer: 11 Minuten |
Berlin, 8.5.23 – Rassistischer Angriff auf Blumenladen-Besitzerin
Nach einer rassistischen Attacke gegen eine Ladenbesitzerin in Reinickendorf ermittelt der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz der Polizei. Wie die Polizei mitteilte, kam es am Montagmorgen zu „einer fremdenfeindlichen Beleidigung und der Verwendung von verfassungswidrigen Äußerungen und Kennzeichen“. Ein 32-Jähriger soll die gleichaltrige Frau zunächst vor ihrem Laden beleidigt haben. Dann habe der Mann gegen die Auslagen getreten und wollte ihren Blumenladen betreten. Die 32-Jährige habe jedoch die Tür abgeschlossen. Daraufhin sei es zu Beschimpfungen gekommen und der Mann habe den rechten Arm gehoben.
Einen Zeugen des Vorfalls bedrohte der 32-Jährige laut Polizei dann noch mit einem Taschenmesser, bevor er den Tatort verließ. Alarmierte Polizisten konnten den Mann jedoch wenig später festnehmen, hieß es von der Polizei. Nach Feststellung seiner Personalien und einem Alkoholtest kam er aber wieder auf freien Fuß.
Hoyerswerda, 6.5.23 – Böller auf junge Migranten geworfen
Nach einer Böller-Attacke auf junge Leute mit ausländischen Wurzeln hat die Stadt Hoyerswerda mit klaren Worten Stellung bezogen. In einer Mitteilung sprach die Verwaltung am Donnerstag unter anderem, die Tat sei ein gezielter Akt der Einschüchterung und des Rassismus gewesen. „Wir als Stadtverwaltung von Hoyerswerda möchten klarstellen, dass wir solche rassistischen Angriffe auf das Schärfste verurteilen. Wir dulden keinerlei Form von Diskriminierung, Intoleranz oder Gewalt in unserer Gemeinschaft“, hieß es. Zugleich wurde eine lückenlose Aufklärung des Vorfalls verlangt.
Nach Angaben der Stadt hatten am vergangenen Samstag zwei Männer mittleren Alters aus dem Fenster eines Wohnblocks einen Böller in Richtung einer Gruppe junger Migranten geworfen. „Zum Glück wurde niemand körperlich verletzt, da der Böller die Gruppe knapp verfehlte und auf einem Gehsteig explodierte“, teilte die Stadt mit.
Die jungen Leute gehörten zu einer Gruppe, die über ein Projekt des „Dachverbandes von Migrant:innenorganisationen in Ostdeutschland“ nach Hoyerswerda gereist war. Die Stadt appellierte an Zeugen der Attacke, bei der Aufklärung mit den Behörden zusammenzuarbeiten.
Erfurt, 13.5.23 – Mann zeigt Hitlergruß in der Innenstadt
Ein betrunkener Mann hat in der Erfurter Innenstadt den Hitlergruß gezeigt. Gegen ihn wurde eine Strafanzeige wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Beleidigung erstattet, wie die Polizei am Montag mitteilte.
Nach bisherigen Erkenntnissen war der 42-Jährige am Samstagabend mit einer 24-Jährigen mit dunkler Hautfarbe aneinandergeraten. Als sich die Frau mit ihrem Lebensgefährten entfernte, soll der Mann in Richtung des Pärchens den Hiltergruß gezeigt haben. Mehrere Zeugen schritten laut Polizei daraufhin ein, um den 42-Jährigen von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.
Kurze Zeit später sei er von Beamten gestellt worden. Eine Atemalkoholkontrolle ergab mehr als zwei Promille. Der Mann soll ein politisches Tatmotiv eingeräumt haben.
Meißen, 16.5.23 – Jugendliche mit Kopftuch verletzt und rassistisch beleidigt
Eine Jugendliche mit Kopftuch ist im sächsischen Meißen körperlich angegriffen und rassistisch beleidigt worden. Wie die Dresdner Polizei am Mittwoch berichtete, war das Mädchen am Dienstagnachmittag auf dem Weg von der Schule nach Hause, als eine bislang unbekannte Frau der 14-Jährigen das Kopftuch herunterriss und sie zu Boden drückte. Danach schlug die Frau nach Angaben der Polizei auf die Jugendliche ein, beschimpfte sie rassistisch und flüchtete. Das Mädchen wurde bei dem Angriff leicht verletzt.
Der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz der Polizei ermittelt nun wegen Körperverletzung und Beleidigung.
Wuppertal, 20.5.23 – Mann bricht in Moschee ein – Festnahme
Ein Unbekannter hat am Samstagmorgen mit einem Einbruch in eine Moschee in Wuppertal einen umfangreichen Polizei-Einsatz ausgelöst. Der Mann war nach Angaben der Polizei über den Hinterhof gewaltsam in die Gebetsräume eingedrungen und zerschlug dort „Inventar“. Im Rahmen einer Fahndung wurde demnach in der Nähe der Moschee ein Tatverdächtiger festgenommen.
Man habe zunächst in alle Richtungen ermittelt, sagte ein Polizeisprecher auf dpa-Anfrage. Also habe man auch religiöse oder politische Motive geprüft. „Schließlich ist das ein sensibles Thema. Deshalb war dieser Einsatz anfänglich umfangreich“, sagte der Sprecher. Im Verlauf des Tages habe sich die Tat dann als Einbruchsdelikt entpuppt. Beute habe der Tatverdächtige den Angaben zufolge nicht gemacht.
Gegenwärtig wird laut Polizei noch geprüft, ob Haftgründe vorliegen und der Mann einem Richter vorgeführt werden soll. Wegen der laufenden Ermittlungen habe die Polizei keine weiterführenden Details zu dem Mann veröffentlicht, hieß es.
Stuttgart, 18.5.23 – Brandstiftung in türkischem Reisebüro? – Staatsschutz ermittelt
Nach der mutmaßlichen Brandstiftung in einem türkischen Reisebüro in Stuttgart hat die Polizei eine Ermittlungsgruppe gegründet. Wie ein Sprecher der Polizei am Montag mitteilte, gibt es weiterhin keine konkreten Erkenntnisse zu Tätern oder möglichen Motiven. Da ein politischer Hintergrund jedoch nicht ausgeschlossen werden könne, wurde der Fall den Ermittlern des Dezernats für Staatsschutz beim Polizeipräsidium Stuttgart übergeben.
Bei dem Brand in der Nacht zum Freitag war ein Schaden von mehreren Zehntausend Euro entstanden. Laut einer Mitteilung der Polizei vom Freitag waren zwei Männer vom Tatort weggerannt. Das Reisebüro liegt in Stuttgart in einem bekannten türkischen Viertel rund um eine Moschee.
Dortmund, 19.5.23 – Soko Rechts ermittelt nach Angriff auf zwei Frauen
Nach einem Angriff auf zwei Frauen in der Dortmunder Innenstadt, bei dem eines der beiden Opfer ins Gesicht getreten wurde, ermittelt die Soko Rechts der Polizei. Vor der Tat in der Nacht zu Samstag sei aus einer Männergruppe heraus einmal oder mehrfach „Heil Hitler“ gerufen worden, teilte Polizei am Sonntag mit.
Nach ersten Erkenntnissen hat die aus mindestens vier Männern bestehende aggressive Gruppe dann unvermittelt die beiden Frauen angegriffen, die an einer Straße saßen. Ein Täter habe einer 55-jährigen Frau mit dem Fuß in das Gesicht getreten. Die andere Frau, eine 39-Jährige, ist laut Polizei unverletzt geblieben.
Kurz darauf flüchteten die Täter. Zeugen alarmierten die Polizei. Die Einsatzkräfte ermittelten durch Zeugenhinweise einen Tatverdächtigen, der sich noch in der Nähe aufhielt. Der 19-jährige Mann aus Niedersachsen erhielt einen Platzverweis für die Dortmunder Innenstadt. Er hat nach Polizeiangaben einen Bezug zur rechten Szene.
Die 55-jährige Frau ist bei der Tat den Angaben zufolge leicht verletzt worden. Die Besatzung eines alarmierten Rettungswagens behandelte die Frau ambulant. Die Soko Rechts ermittelt in dem Fall wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
Berlin, 19.5.23 – Frau belästigt – Helfer rassistisch beleidigt
Ein Mann ist in Berlin-Mahlsdorf einer 34-Jährigen zur Hilfe gekommen, die sexuell belästigt worden sein soll – und daraufhin nach Angaben der Polizei selbst rassistisch beleidigt worden. Der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz ermittele wegen des Vorfalls am Freitagabend gegen einen 42-Jährigen, teilte die Polizei am Samstag mit.
Der Tatverdächtige habe am Freitagabend laut Zeugenaussagen zunächst eine Mutter sexuell belästigt, die mit zwei Kindern unterwegs gewesen sei, hieß es in einer Mitteilung der Polizei. Der 34-Jährige sei ihr zur Hilfe gekommen und habe den anderen Mann aufgefordert, sie in Ruhe zu lassen. Daraufhin habe ihn der ältere Mann rassistisch beleidigt. Dieser sei offensichtlich alkoholisiert gewesen, habe aber einen Atemalkoholtest abgelehnt. Gegen ihn werde nun wegen „Beleidigung auf sexueller Grundlage sowie wegen Beleidigung mit fremdenfeindlichem Hintergrund“ ermittelt, hieß es.
Göttingen, 24.5.23 – „NSU 2.0“: Ditib-Gemeinde erhält erneut rechten Drohbrief
Die türkisch-islamische Ditib-Gemeinde in Göttingen hat erneut einen Drohbrief von Rechtsextremisten erhalten. Wie die Gemeinde am Mittwoch im Internet mitteilte, enthält das Schreiben die Worte „Kill all Islam“, „Dauert nicht mehr lange“ und „Der Deutsche wird es euch Türken noch richtig zeigen“. Der mit „NSU 2.0“ unterzeichnete Brief sei zudem mit Hakenkreuzen bemalt worden. Die Ditib-Gemeinde hatte bereits im November vergangenen Jahres ein ähnlich lautendes Drohschreiben erhalten.
Dem Gemeindevorstand zufolge wurde die Polizei inzwischen über den Vorgang informiert. Der Drohbrief sei zur Beweissicherung an den Staatsschutz übergeben worden. Göttingens Oberbürgermeisterin Petra Broistedt (SPD) habe sich mit den Gemeindemitgliedern solidarisch erklärt.
Dresden, 30.6.23 – Mann attackiert und beleidigt Frau rassistisch
Bei einem Streit soll ein Mann in Dresden eine 26-Jährige körperlich angegriffen und rassistisch beschimpft haben. Wie die Polizei am Mittwoch mitteilte, war der 58-Jährige am Dienstagvormittag mit dem Auto vor einer Grundstückseinfahrt mit der Frau aneinandergeraten. Dabei soll er sie gewürgt und beleidigt haben. Gegen ihn wird jetzt unter anderem wegen Beleidigung und Körperverletzung ermittelt.
Hamburg, 1.6.23 – Betrunkene am Hauptbahnhof – Mann ruft „Heil Hitler“
Zwei stark alkoholisierte Männer haben für Einsätze am Hamburger Hauptbahnhof gesorgt. Durch lautes Herumschreien geriet ein 36-Jähriger am späten Donnerstagabend in das Visier der Polizei. Der Mann habe sich kaum noch auf den Beinen halten können. Zur kontrollierten Ausnüchterung wurde er in ein Krankenhaus gebracht, ein Atemalkoholtest ergab 3,24 Promille, wie ein Sprecher der Bundespolizei am Freitag mitteilte.
Einige Stunden später fiel ein ebenfalls stark alkoholisierter 39-Jähriger auf. Trotz mehrfacher Platzverweise reagierte der Mann nicht, beleidigte die Beamten und leistete Widerstand. Außerdem rief er mehrfach „Heil Hitler“. Ein Atemalkoholtest konnte nicht durchgeführt werden. Er verbrachte die Nacht in einer Ausnüchterungszelle. Gegen ihn wird nun ermittelt.
Berlin, 1.6.23 – Rassistischer Angriff? – Mann beleidigt und geschlagen
Ein 41-jähriger Mann ist in Berlin-Neukölln nach eigenen Angaben rassistisch beleidigt und angegriffen worden. Ein bislang unbekannter Mann beschimpfte ihn demnach am Donnerstagabend an der Hobrechtstraße, wie die Polizei am Freitag mitteilte. Dann soll der Täter ihm mehrfach mit der Faust ins Gesicht und danach das Handy aus der Hand geschlagen haben, als er versuchte, die Tat zu filmen. Anschließend flüchtete der Angreifer.
Berlin, 8.6.23 – Fahrgast beleidigt Mann in Bus fremdenfeindlich und schlägt ihn
Ein Vater, der mit seinen beiden Kindern unterwegs war, ist in einem Berliner Bus von einem Mann fremdenfeindlich beleidigt, bedroht und mit der Faust ins Gesicht geschlagen worden. Der 38-Jährige wurde bei der Tat in Berlin-Marzahn an der Lippe verletzt, wie die Polizei am Donnerstag mitteilte. Er war mit seinen zwei Kindern am Mittwochnachmittag gemeinsam mit dem Täter an der Haltestelle Allee der Kosmonauten/Poelchaustraße in den Bus der Linie 191 eingestiegen. Dort soll es dann zu einem Streit zwischen den Männern gekommen sein. Nach der Attacke stieg der Täter aus und flüchtete in unbekannte Richtung. Der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamtes ermittelt wegen Beleidigung, Bedrohung und Körperverletzung.
Rosenthal-Bielatal, 9.6.23 – Jugendliche attackieren Asylbewerberunterkunft mit Flaschen
Zwei Jugendliche haben in der Nacht zu Samstag Flaschen auf eine Asylbewerberunterkunft in Rosenthal-Bielatal (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) geworfen. Verletzt wurde nach derzeitigem Ermittlungsstand niemand, am Gebäude entstand kein Schaden, wie die Polizei am Sonntag mitteilte. Gegen die beiden 15 Jahre alten Deutschen ermittelt der Staatsschutz wegen Bedrohung.
Berlin, 10.6.23 – Mann ruft rassistische Beleidigungen
Ein 52-Jähriger ist in Berlin-Neukölln in seiner Wohnung festgenommen worden. Zuvor habe er lautstark rassistische Äußerungen gerufen, teilte die Polizei am Samstag mit. Demnach alarmierten Bewohner des Hauses am frühen Samstagmorgen die Polizei, weil sie wegen der Rufe des Mannes nicht schlafen konnten. Als die Polizisten den Mann in der Wohnung antrafen, bedrohte der 52-Jährige die Beamten. Daraufhin wurde er festgenommen. Dabei beleidigte der Mann seine Nachbarschaft weiter rassistisch.
Ermittlungen der Polizei ergaben den Angaben zufolge, dass gegen den Mann ein gültiger Haftbefehl wegen einer nicht gezahlten Strafe vorlag. Der 52-Jährige kam in Polizeigewahrsam. Er muss sich wegen des Verdachts der rassistischen Beleidigung verantworten.
Berlin, 10.6.23 – Mann ruft nationalsozialistische Parole und beleidigt Nachbarn
Ein 81-jähriger Mann hat im Ortsteil Rudow in Berlin-Neukölln volksverhetzende Äußerungen getätigt und eine nationalsozialistische Parole gerufen. Wie die Polizei am Sonntag mitteilte, alarmierten Nachbarn und Zeugen am Samstagvormittag insgesamt drei Mal innerhalb von rund drei Stunden die Polizei, weil der Mann mehrfach volksverhetzende und menschenverachtende Äußerungen gegenüber ihnen getätigt haben soll. Zudem soll er die Nachbarn beleidigt und eine nationalsozialistische Parole gerufen haben. Nach Angaben der Zeugen soll er sich dabei durchgehend aggressiv verhalten haben.
Laut Polizei wurden gegen den 81-Jährigen Ermittlungsverfahren unter anderem wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher und terroristischer Organisationen, der Volksverhetzung sowie der Bedrohung und Beleidigung eingeleitet.
Berlin, 10.6.23 – Mann ruft nationalsozialistische Parolen
Ein 35-jähriger Mann ist in Berlin-Mitte festgenommen worden. Zuvor soll er aus einer Gruppe heraus nationalsozialistische Parolen gerufen und dazu den sogenannten Hitlergruß gezeigt haben, wie die Polizei am Sonntag mitteilte. Demnach alarmierten Zeugen in der Nacht auf Sonntag die Polizei zur Köpenicker Straße. Dort nahmen die Polizisten den Mann fest und führten einen Atemalkoholtest durch. Dieser ergab einen Wert von rund einem Promille. Daraufhin sprachen die Polizisten einen Platzverweis gegen den 35-Jährigen aus. Der Tatverdächtige muss sich nun wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verantworten.
Leitartikel PanoramaRedaktioneller Hinweis
Die hier aufgeführten Fälle sind Agenturtexte, die redaktionell nicht bearbeitet, geändert, ergänzt oder gekürzt wurden und zumeist polizeiliche Mittelungen wiedergeben. Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es werden nur solche Fälle aufgeführt, bei denen Ermittlungsbehörden einen möglichen rassistischen Hintergrund genannt haben und die der MiGAZIN-Redaktion bekannt geworden sind. Studien zufolge ist die Dunkelziffer deutlich höher. (dpa/epd/mig)
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