Türkei-Wahl
Türken in Deutschland stimmen überwiegend für Erdogan
Die Wahllokale in Deutschland sind weiter in der Hand Erdoğans. Dass Deutsch-Türken dem Amtsinhaber die Stange halten, hat laut Beobachtern nicht nur historische Gründe. Experten sprechen auch von einer Protesthaltung – wegen Diskriminierungserfahrungen.
Dienstag, 16.05.2023, 13:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 20.11.2023, 11:23 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Bei den wahlberechtigten Türkinnen und Türken in Deutschland zeichnet sich bei der Präsidentschaftswahl erneut eine deutliche Mehrheit für Recep Tayyip Erdogan ab. Auf den Amtsinhaber entfielen beim Stand von knapp 98 Prozent der ausgezählten Wahlurnen aus Deutschland knapp zwei Drittel der Stimmen, wie aus Zahlen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Montag hervorging. Offizielle Zahlen der Wahlbehörde zum Ergebnis in Deutschland liegen aber noch nicht vor.
In Deutschland sind rund 1,5 Millionen Deutsch-Türken wahlberechtigt. In der Türkei waren am Sonntag rund 61 Millionen Menschen aufgerufen, ein neues Parlament und einen Präsidenten zu wählen. Laut dem Zwischenstand von Anadolu erhielt Erdogan in Deutschland rund 65,4 Prozent der Stimmen. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroğlu kam dagegen nur auf 32,6 Prozent. Erdogan dürfte in Deutschland somit wohl wieder viel besser abschneiden als bei der Wahl insgesamt: Nach Angaben der Wahlbehörde entfielen auf Erdogan 49,51 Prozent der Stimmen, Oppositionsführer Kemal Kilicdaroğlu kam auf 44,88 Prozent.
Bereits 2018 hatte Erdogan bei den Deutsch-Türken 64,8 Prozent der Stimmen erhalten. Dass er in Deutschland so gut abschneidet, hat laut Yunus Ulusoy vom Zentrum für Türkeistudien in Essen auch historische Gründe. Die Gastarbeitermigration habe in erster Linie Menschen aus dem anatolischen Kernland mit einer religiös-konservativen Einstellung nach Deutschland gebracht, sagte er.
Protesthaltung wegen Diskriminierung
Gökay Sofuoğlu, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, sagte, Erdoğan sei auch so erfolgreich, weil er in den vergangenen Jahren hier eine gute Struktur aufgebaut habe. „Er hat sich als Kümmerer der Türken in Deutschland dargestellt“, sagte er. Menschen lebten seit Jahrzehnten in diesem Land, dürften aber zum Beispiel auf kommunaler Ebene nicht wählen und seien ständig mit Alltagsrassismus konfrontiert.
Ulusoy sagte, vor allem bei den jüngeren Wählerinnen und Wählern gebe es eine Art Protesthaltung aufgrund von Diskriminierungserfahrungen. Erdoğan gebe sich als „starker Mann, der ihnen das Gefühl gibt, Teil einer großen Nation zu sein, ihnen Identität und Zugehörigkeit verspricht und diese auch zementiert – anders als womöglich die deutsche Politik.“ Er betonte, dass die Ergebnisse die Haltung der wahlberechtigten Deutsch-Türken widerspiegelten und nicht die aller türkischstämmigen Menschen.
Erdoğan hat besten Zugang
Laut dem türkischstämmigen Journalisten Hüseyin Topel hat die Regierungspartei AKP besten Zugang zu türkischen Erdoğan-Unterstützern in Deutschland. „Die sind in diesen Haushalten drin. Das heißt, die gehen in die Moscheen, die nehmen die Menschen mit“, sagte er. Dazu käme der Einfluss der türkischen Pro-Erdoğan-Medien, die diese Haushalte prägten. Auch in sozialen Medien ist die AKP demnach unter anderem mit Pro-Erdoğan-Influencern gut vertreten.
Türken mit Wohnsitz außerhalb der Türkei können seit 2014 auch vom Ausland aus ihre Stimmen abgeben. Die AKP bemühe sich seitdem stark um diese Stimmen, sagte Topel. Schließlich könnten diese bei Wahlen das Zünglein an der Waage sein. In diesem Jahr kommt es am 28. Mai zu einer Stichwahl. Die Deutsch-Türken stimmen – wie beim ersten Wahlgang – nicht am Wahltag, sondern bereits einige Tage vorher ab. (dpa/mig) Aktuell Gesellschaft
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Symbol der Abschottung Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete sofort stoppen!
- Studie AfD ist Gefahr für jüdisches Leben
- Abschiebedebatte Ministerin rät Syrern von Heimreisen ab: können…
- Umbruch in Syrien Was bedeutet der Sturz Assads – auch für Geflüchtete…
- Debatte über Rückkehr Bamf verhängt Entscheidungsstopp für Asylverfahren…
- „Wir wissen nicht, wohin“ Familie verliert ihr in der Nazizeit gekauftes Haus