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Berliner Straßennamen und die deutsche Kolonialgeschichte © bennobild @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Blutige Geschichte

Niedersachsen plant neuen Umgang mit deutscher Kolonialgeschichte

Die Kolonialzeit wird häufig mit Verbrechen der Briten, Franzosen oder Spanier verbunden. Doch auch Deutschland hat schon vor den Weltkriegen eine blutige Geschichte. Rot-Grün möchte nun das öffentliche Bewusstsein schärfen - und die Lehrpläne reformieren.

Sonntag, 14.05.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 14.05.2023, 14:02 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die niedersächsische Landesregierung möchte den Umgang mit der deutschen Kolonialgeschichte verändern. Sie plant daher unter anderem eine Reform der Lehrpläne an Schulen. „Es muss Verantwortung übernommen werden für die Gräueltaten des Kolonialismus. Es geht darum, das öffentliche Bewusstsein für die deutsche Kolonialgeschichte zu schärfen“, sagte Grünen-Landtagsabgeordnete Lena Nzume der Deutschen Presse-Agentur.

Die Auswirkungen deutscher und europäischer Ausbeutung seien noch heute spürbar, besonders in der Machtverteilung zwischen globalem Norden und globalem Süden.

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„Überall finden sich Spuren und kolonial-rassistische Aussagen und Andeutungen, so auch in Schulbüchern und Lernmaterialien“, sagte die Grünen-Politikerin. Auch die Ausbildung gelte es zu verbessern: „Lehrkräfte sind nicht ausreichend darin ausgebildet, sich kritisch mit diesen Inhalten auseinanderzusetzen“, meinte Nzume. Das solle geändert werden.

Kolonialgeschichte in Schulbüchern

Ein SPD-Sprecher sagte zu den Plänen: „Die Regierungsparteien haben sich im Koalitionsvertrag verpflichtet, die kritische Auseinandersetzung mit der europäischen Kolonialgeschichte zu fördern.“ Daher arbeite man an einer grundsätzlichen Reform der Lehrkräfteausbildung.

Die Kritik an der Darstellung der Kolonialgeschichte in Schulbüchern ist nicht neu. „Begriffe, Stereotype und Perspektiven, die vor einigen Jahren noch nicht hinterfragt wurden und deshalb auch in älteren Lehrwerken vorkommen können, werden jetzt – zu Recht – als problematisch identifiziert“, sagte Regine Meyer-Arlt, Sprecherin der Westermann Verlagsgruppe mit Sitz in Braunschweig, zu deren Angebot zahlreiche Bildungsmedien und Lehrmaterialien gehören.

„Historische Verantwortung sichtbar machen“

Es habe sich in der redaktionellen Arbeit einiges geändert. „Wenn im Rahmen der Lehrplanvorgaben möglich, versuchen wir, die historische Verantwortung sichtbar zu machen“, sagte Meyer-Arlt. „So greifen wir beispielsweise standardmäßig in aktuellen Ausgaben unserer Geschichtslehrwerke das Thema „Genozid an den Herero“ rassismus- und kolonialismuskritisch auf.“

Zwischen 1904 und 1908 hatten deutsche Kolonialtruppen Aufstände der Herero und Nama im damaligen Deutsch-Südwestafrika brutal niedergeschlagen. Mehr als 80 000 Menschen wurden getötet oder verdursteten in der Wüste. Erst 2021 erkannte die deutsche Bundesregierung den Völkermord im heutigen Namibia an.

Viele Straßen nach ehemaligen Kolonialherren benannt

Noch heute sind einige Straßen und Denkmäler in Niedersachsen nach ehemaligen Kolonialherren benannt. Ein Beispiel sei Carl Peters, „der als nationalsozialistischer Kolonialist mit einem erheblichen Anteil an der unrühmlichen Geschichte des deutschen Kolonialismus beteiligt war“, erklärte Grünen-Abgeordnete Djenabou Diallo-Hartmann.

In der Zeit des Nationalsozialismus war für ihn ein Denkmal in Hannover geschaffen worden. Es steht am Bertha-von-Suttner-Platz, der lange nach Peters benannt war. Das Denkmal wurde 1988 zu einer Mahntafel gegen den Kolonialismus umgestaltet.

Schwarze Deutsche sichtbar machen

In Zukunft will die Landesregierung nach eigenen Angaben bedeutende Schwarze Deutsche mit besonderen Geschichten sichtbar machen. Ein Beispiel sei Anton Wilhelm Amo, der erste bekannte Philosoph afrikanischer Herkunft in Deutschland, der im 18. Jahrhundert an den Universitäten Wittenberg, Halle und Jena lehrte. Er wuchs am Hof des Herzogs von Braunschweig auf.

Diallo-Hartmann betonte: „Seinen Werdegang und sein Leben sichtbar zu machen, könnte für viele Schülerinnen und Schüler ein lehrreiches Beispiel sein und das Schicksal von Schwarzen Deutschen aufzeigen.“ (dpa/mig) Aktuell Panorama

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