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Menschen versuchen auf das rollende Flugzeug zu kommen © Sezene aus einem Twitter/Video

Deal mit Taliban

USA haben Taliban die Macht in Afghanistan übergeben

Nach dem Abzug westlicher Truppen habe die Taliban die Macht in Afghanistan ergriffen, heißt es offiziell. Wie aus Berichten der US-Regierung hervorgeht, wurde die Macht im Land der Taliban jedoch überlassen – per Deal und mit Abstimmung. Im Gegenzug wurden US-Soldaten nicht angegriffen.

Montag, 10.04.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 10.04.2023, 13:08 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Ein Bericht der US-Regierung gibt Ex-Präsident Trump weitgehend die Schuld für die dramatischen Entwicklungen in Afghanistan rund um den Abzug der US-Streitkräfte. Biden habe die richtige Entscheidung getroffen, heißt es.

Die Regierung von US-Präsident Joe Biden hat die Vorgängerregierung unter Donald Trump weitgehend für die Schwierigkeiten bei dem US-Truppenabzug aus Afghanistan verantwortlich gemacht. Biden sei in seinen Entscheidungen, wie der Abzug durchzuführen sei, durch die von Trump geschaffenen Bedingungen „stark eingeschränkt“ gewesen, hieß es in einem jüngst veröffentlichten Bericht verschiedener Nachrichtendienste unter der Führung des nationalen Sicherheitsrates.

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US-Deal mit Taliban

Biden war für den Abzug Ende August 2021 stark kritisiert worden. Bereits zwei Wochen zuvor waren die Taliban in der Hauptstadt Kabul einmarschiert und hatten die Macht übernommen. Bei einer Terrorattacke vor dem Flughafen von Kabul wenige Tage vor dem endgültigen Abzug wurden Dutzende Afghanen und 13 US-Soldaten getötet.

Der Bericht gibt dem Republikaner Trump die Schuld an den für die USA ungünstigen Machtverhältnissen in Afghanistan zum Zeitpunkt von Bidens Amtsübernahme. Als der Demokrat Biden ins Weiße Haus einzog, seien die Taliban in der stärksten militärischen Position seit 2001 gewesen, hieß es. Zugleich seien nur noch 2.500 US-Soldaten in Afghanistan gewesen, so wenige wie zu keinem Zeitpunkt in diesem Zeitraum. Grund dafür sei ein von Trump im Februar 2020 mit den Taliban geschlossenes Abkommen gewesen. Darin war vereinbart worden, dass die USA bis Mai 2021 alle Soldaten aus Afghanistan abziehen. Im Gegenzug wollten die Taliban die US-Einheiten nicht mehr angreifen. In der Folge sei die US-Präsenz stark reduziert worden, hieß es.

Abstimmung mit Taliban

Dem Präsidenten seien jedoch von seinem Vorgänger keine Pläne für den endgültigen Abzug oder die Evakuierung der verbleibenden US-Staatsbürger und der afghanischen Verbündeten übergeben worden. Biden habe dann die Frist für den Abzug in Abstimmung mit den Taliban nach hinten verschoben, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Donnerstag bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus.

Der Bericht legt jedoch nahe, dass Biden bei den Abzugsvorbereitungen unter Zeitdruck stand. In dem Schriftstück wird eine Aussage von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin vom 28. September 2021 zitiert, wonach man klare Informationen gehabt habe, dass die Taliban ihre Angriffe auf US-Truppen fortsetzen würden, sollte man sich nicht an das Abkommen halten.

Dramatische Szenen am Flughafen

Am Ende verließ der letzte US-Soldat Afghanistan am 31. August. Mit dem Abzug endete der internationale Militäreinsatz in Afghanistan nach fast 20 Jahren. Er gilt als der längste Krieg der USA in der Geschichte.

Als die letzten US-Militärmaschinen vom Flughafen in Kabul abhoben, spielten sich dort dramatische Szenen ab. Menschen klammerten sich aus Angst zurückgelassen zu werden an das Fahrwerk eines Flugzeugs und stürzten in den Tod. Am Einlass zum Flughafengelände versammelten sich Massen in der Hoffnung, außer Landes gebracht zu werden. In dieser Situation sprengte sich am 26. August ein Selbstmordattentäter vor einem der Eingangstore inmitten einer Menschenmenge in die Luft und riss etliche Menschen mit in den Tod.

Trump: Biden ist schuld

Trump und andere politische Gegner Bidens übten am Donnerstag scharfe Kritik an der Darstellung der Ereignisse in dem Bericht. Auf Trumps sozialem Netzwerk Truth Social bezeichnete der ehemalige Präsident seinen Amtsnachfolger und dessen Mitarbeiter im Weißen Haus als „Trottel“, die mit Hilfe von Desinformationen ihm die Schuld für „ihre krass inkompetente Kapitulation in Afghanistan“ zuschöben. „Biden ist verantwortlich, sonst niemand!“, schrieb Trump. Der Vorsitzende des auswärtigen Ausschusses im Repräsentantenhaus, der Republikaner Michael McCaul, erklärte in einer schriftlichen Mitteilung: „Präsident Biden hat die Entscheidung für den Abzug getroffen und sogar das genaue Datum festgelegt. Er ist verantwortlich für die massiven Fehler bei der Planung und der Ausführung.“

Kirby sagte, Biden trage Verantwortung für US-Militäroperationen und für die Befehle, die er als Präsident gebe. Biden glaube aber weiterhin, dass die Anordnung, aus Afghanistan abzuziehen, die richtige war, sagte Kirby. Die USA seien strategisch jetzt stärker und besser in der Lage, die Ukraine zu unterstützen, ihren weltweiten Sicherheitsverpflichtungen nachzukommen und mit China in Konkurrenz zu treten, weil sie nicht in einen Bodenkrieg in Afghanistan verwickelt seien. Dass es dem US-Militär gelungen sei, mehr als 124.000 Menschen vor dem Abzug sicher aus Afghanistan auszufliegen, wertete er als Erfolg.

USA zeigt sich überrascht

Mit den dramatischen Entwicklungen, die sich im Zusammenhang mit dem Abzug in Afghanistan abspielten, habe man nicht rechnen können, betonte Kirby. Weder die schnelle Machtübernahme der Taliban, noch die rasche Flucht des afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani sei von den Nachrichtendiensten vorhergesagt worden. Das Gleiche gelte für die Tatsache, dass die mehr als 300.000 ausgebildeten und ausgerüsteten afghanischen Soldaten und Sicherheitskräfte nicht für ihr Land kämpfen würden, sagte Kirby. Von afghanischer Seite sei den USA das Gegenteil zugesichert worden.

Der am Donnerstag veröffentlichte Bericht sei die Zusammenfassung einer Untersuchung, die nach dem Truppenabzug von der US-Regierung in Auftrag gegeben worden sei und deren Ergebnisse dem Kongress vorgelegt worden seien, hieß es. Man habe aus dem Abzug gelernt. Man priorisiere jetzt einen früheren Abzug, wenn sich die Sicherheitslage an einem Einsatzort verschlechtere, steht in dem Bericht. (dpa/mig) Aktuell Ausland

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