Braune Suppe
Das Dorfdrama „Wolfswinkel“ im Ersten
Daily-Soap-Sternchen Lydia kehrt aus Berlin ins brandenburgische Heimatdorf zurück. Sie versucht sich als Influencerin und flirtet mit dem Rechtsextremismus. Bald droht der beschauliche Ort zu kippen.
Von Johannes von der Gathen Dienstag, 28.03.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 28.03.2023, 10:59 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Ab und zu mal ein Fahrraddiebstahl. Oder ein paar Jugendliche, die gesetzeswidrig von einer Brücke in den Kanal springen: Richtig stressig wird es für die patente Polizistin Melanie Kosse (Annett Sawallisch) eigentlich selten in ihrem idyllisch gelegenen Dörfchen Wolfswinkel nördlich von Berlin. Wenn die gut geerdete Ordnungshüterin mit ihrem feixenden Kollegen Heiko (Robert Höller) Dienst schiebt, bleibt sogar noch Zeit für ein Bad im See.
Dies ändert sich, als Melanies alte Schulfreundin Lydia (Claudia Eisinger), eine ausgemusterte Daily-Soap-Darstellerin, nach Brandenburg zurückkehrt. Lydia mischt die Dorfgemeinschaft mit rechtslastigen Parolen über Heimat und Identität auf. Sehr zum Ärger der Grundschullehrerin Anja (Alina Levshin), die sich gegen Geschichtsvergessenheit engagiert. Früher waren die drei Frauen mal ganz gut befreundet, davon scheint heute nicht mehr viel übrig zu sein. Das mal heitere, mal brisante Dorfdrama „Wolfswinkel“ läuft an diesem Mittwoch um 20.15 Uhr im Ersten.
Dabei wirkt Dorfpolizistin Melanie auf den ersten Blick etwas naiv. Aus politischen Diskussionen würde sie sich am liebsten raushalten. Ihr ist die Gemeinschaft im Dorf wichtig, aber hinter der biederen Fassade entdecken wir dann doch noch eine Frau, die ganz genau weiß, was sie will: Mit einem attraktiven polnischen Binnenschiffer steigt sie regelmäßig in die Koje, ohne sich binden zu wollen. Muss ja keiner wissen. Als sie schließlich schwanger wird, ändern sich die Prioritäten für Melanie, und sie bekennt politisch Farbe.
Braune Suppe
Das wird auch Zeit. Ihre Ex-Freundin Lydia fischt mit einem reißerischen Video-Blog eifrig in der braunen Suppe, etliche gelangweilte Jugendliche finden etwas mehr Heimatliebe gar nicht so schlimm. Den Bürgermeister und Bauunternehmer Elvis Neumann (Jörg Schüttauf) scheinen die Umtriebe nicht weiter zu stören, solange seine Wiederwahl nicht gefährdet ist. Ein alte Pflasterstraße, die an das bittere Schicksal von Zwangsarbeitern während der NS-Zeit erinnert, lässt er kurzerhand abbaggern und verscherbelt die Steine.
Es ist diese Ignoranz und Gleichgültigkeit, die den Nährboden für die braue Populistin bereitet hat. Als die von Lydia gesteuerte Gruppe mitten im Dorf einen Findling als Kriegerdenkmal für Wehrmachtssoldaten aufstellt, übermalt die Lehrerin Anja den riesigen grauen Brocken prompt mit bunter Farbe. Die Lage eskaliert. Irgendwann fliegt der erste Stein durchs Fenster der Grundschule.
Kaum Konfliktanalyse
Das Autoren-Duo Scarlett Kleint und Alfred Roesler-Kleint (die zwei schrieben auch Bücher für mehrere „Der Usedom-Krimis“) tippt jede Menge brisanter Themen an. Doch wirklich durchgespielt und tiefer analysiert werden die Konflikte nicht. Da verlässt sich dann der durchaus kurzweilige Film in der Regie von Ruth Olshan lieber auf die von Annett Sawallisch überzeugend gespielte Protagonistin.
Gegen diese profunde Polizistin hat es selbst eine so profilierte Darstellerin wie Claudia Eisinger („Der Masuren-Krimi“) gar nicht so leicht, eigenes Profil als neurechte Menschenfischerin zu gewinnen. Und auch Alina Levshin als Pädagogin, die sich eben nicht den einfachen Parolen beugen will, kommt im halbherzigen Drehbuch viel zu kurz. Wenn es ernst wird, versammeln sich die Dorfbewohner dann zu launigen Gesangseinlagen mit Playback-Begleitung. Das ist dann angesichts der brisanten Themen einfach etwas wenig. (dpa/mig) Aktuell Feuilleton
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