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Hände eines alten Mannes (Symbolfoto) © 123rf.com

AOK-Pflegereport 2022

Zu hohe Hürden für Migranten in der Pflege

Migranten werden aufgrund schwerer Arbeitsbedingungen zehn Jahre jünger pflegebedürftig und fast immer zu Hause von Angehörigen gepflegt. Gründe: bürokratische Hürden, Sprachbarrieren und fehlende kultursensible Angebote. Das geht aus dem AOK-Pflegereport hervor. Die Studienautoren fordern Besserungen.

Donnerstag, 07.07.2022, 20:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 07.07.2022, 13:04 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Mehr als jeder Vierte in Deutschland hat eine Einwanderungsgeschichte (ca. 22 Mio.). 1,4 Mio. dieser Menschen sind über 65 Jahre alt. Hochrechnungen zufolge wird sich diese Zahl bis 2030 verdoppeln. Dem kürzlich vorgelegten AOK-Pflegereport zufolge gehören ältere Migranten zu einer der am stärksten wachsenden Bevölkerungsgruppe in Deutschland. Dennoch werden sie in der Pflege kaum berücksichtigt und mitgedacht.

Dabei sind diese Menschen „in höherem und in stärkerem Maße als die deutschstämmige Bevölkerung von Pflegebedürftigkeit betroffen“, heißt es im Pflegereport. Das Durchschnittsalter von pflegebedürftigen Migranten beträgt den Angaben nach 62,1 Jahre, in der restlichen Bevölkerung liegt das Durchschnittsalter bei 72,2 Jahren. Der durchschnittlich ermittelte Pflegegrad liegt bei Migranten ebenfalls signifikant höher.

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Türkeistämmige werden von Angehörigen gepflegt

Dem Bericht zufolge gibt es mehrere Ursachen: schwerere Arbeits- und Lebensbedingungen, niedrigere Einkommen, weniger Gesundheitsvorsorge, höhere Altersarmut, schlechter ausgestattete Wohnungen und nicht zuletzt Diskriminierungserfahrungen. Das hat zur Folge, dass beispielsweise in der türkischen Community 98 Prozent der Pflegeleistungen zu Hause von Angehörigen erbracht werden. Im deutschlandweiten Durchschnitt liegt dieser Wert bei vergleichsweise niedrigen 80 Prozent.

Diese Differenz hat ebenfalls ihre Gründe: Die Hürden, die Migranten zu nehmen haben, um Leistungsansprüche der Pflegeversicherung zu nutzen, Selbsthilfeangebote anzunehmen, selbstbestimmt mit sich selbst in der Pflegesituation umzugehen, „sind oft höher als für Einheimische“, heißt es im Pflegereport. Hierbei seien nicht nur Sprachbarrieren ausschlaggebend, sondern auch mangelnde religions- und kultursensible Angebote, die die Sozialisierung und die konkrete Lebenswelt der Betroffenen berücksichtigt.

Handlungsempfehlungen

Hinzu kommen laut Report ungenügende Kenntnis der Leistungsansprüche aus der Pflegeversicherung sowie fehlendes Verständnis für das deutsche Pflegesystem. Auch Unzufriedenheit mit der professionellen Pflege sowie sprachliche Barrieren und Diskriminierungserfahrungen führten zu Hemmungen und Misstrauen. „Kulturell und religiös bedingte Tabus sowie Schamgefühle, Pflegebedarf und bestimmte Krankheitsbilder wie Demenz anzuerkennen, können die Barrieren weiter erhöhen“, heißt es. Schließlich seien bürokratische Hürden „für viele unüberwindbar“.

Die Studienautoren leiten aus den Defiziten mehrere Handlungsempfehlungen ab. An oberster Stelle steht die interkulturelle Öffnung der Pflege. Dies umfasse Ausbildung sowie fortlaufende Schulungen sowohl für das Pflege- als auch für das medizinische Personal. Außerdem müssten Barrieren abgebaut werden durch Bereitstellung professioneller Sprachmittlungsangebote sowie mehrsprachiger Informationen. (mig) Gesellschaft Leitartikel

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