Lohnbetrug
Die vergessenen DDR-Vertragsarbeiter Mosambiks
Allwöchentlich marschieren aus Deutschland zurückgekehrte Mosambikaner, die als Vertragsarbeiter in der DDR aushalfen, vor das Arbeitsministerium in Maputo. Sie fordern die ihnen vorenthaltenen Löhne ein. Seit Jahrzehnten warten sie vergeblich.
Dienstag, 05.07.2022, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 05.07.2022, 11:28 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Es ist ein frischer Wintermorgen im Juni in der Innenstadt von Maputo. Eine Gruppe von Männern in ihren 50ern kommt in einem Park zusammen, wie jede Woche, seit vielen Jahren. Inzwischen wird schon der Ort nach ihnen benannt: der Garten der „Madgermanes“, der aus Deutschland zurückgekehrten Mosambikaner, die zu DDR-Zeiten als Vertragsarbeiter in Fabriken, auf Baustellen oder im Bergbau aushalfen – und noch immer auf einen Teil ihres Lohns warten.
Den fordern die „Madgermanes“ wöchentlich ein. Jeden Mittwochmorgen um 10 Uhr beginnt ihre Protestdemonstration, einige tragen Kleidung in Schwarz-Rot-Gold. Seit rund 30 Jahren warten sie auf das Geld, das ihnen noch zusteht. Mehr als 20.000 Mosambikaner, es gab nur sehr wenige Frauen unter ihnen, wurden in den 1970-er Jahren während des Kalten Krieges als Vertragsarbeiter aus Mosambik in die DDR geschickt. Sie wussten nichts von der Vereinbarung der beiden Regierungen, dass ein Teil des Lohns in Deutschland abgezogen würde, um die riesigen Schulden Mosambiks an die DDR abzubezahlen. Den Männern wurde gesagt, den Rest des Geldes würden sie zurück in der Heimat bekommen.
Jose Cossa, 54, ist einer der Rückkehrer. Mehr als die Hälfte seines Lebens fordert er schon sein Recht ein. Er war in der 10. Klasse, als er von der Möglichkeit erfuhr, nach Ostdeutschland zu gehen, um zu lernen und zu arbeiten. Weil damals in Mosambik Bürgerkrieg herrschte und ihm der Einzug in die Armee drohte, schien ihm das Angebot ein lockender Ausweg. „Ich war damals 18, meine Eltern stimmten zu, dass dies eine gute Alternative war, also gab ich dem Arbeitsministerium meinen Namen“, sagt Cossa. Am 5. Dezember 1984 landete er in Dresden und lernte dort den Beruf des Buchbinders.
Der Traum von einer DDR-Rente
Nach dem Fall der Mauer 1989 seien nur wenige seiner Landsleute in Deutschland geblieben, die meisten seien zurück nach Mosambik geschickt worden, erklärt Cossa. Er selbst arbeitete weiter in einem Verlagshaus und studierte noch zwei Jahre BWL an der Uni Magdeburg, bevor er nach Mosambik zurückkehrte. Dort erfuhr er, dass kein Geld auf ihn wartete. Zudem herrschte immer noch Bürgerkrieg, und niemand in Maputo suchte nach einem Buchbinder. Heute verdient Cossa seinen Lebensunterhalt mit einem Lebensmittelgeschäft, zusätzlich bietet er privat Deutschunterricht an. Der Traum des dreifachen Familienvaters: eine Sprachschule zu eröffnen. Und dass er eines Tages eine Rente aus den in der DDR gezahlten Sozialversicherungsbeiträgen bekommt.
Die Lage der „Madgermanes“ scheint vertrackt. Die Regierung und die seit Jahrzehnten bestimmende Frelimo-Partei blockieren Gespräche über die juristischen, finanziellen und sozialen Fragen.
Hoffnung auch auf Deutschland
Hoffnung setzen die Mosambikaner aber weiter auch auf Deutschland. Hier werde mehr und mehr anerkannt, dass den ehemaligen Vertragsarbeitern Unrecht widerfahren sei, sie zu einer SED-Opfergruppe gehörten, sagt Hans-Joachim Döring, der in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland den Fall der „Madgermanes“ lange in Deutschland vertreten hat. Durch Fehler im Einigungsvertrag seien ihnen erhebliche Nachteile entstanden, und wegen der Korruption in Mosambik seien sie um ihre Ansprüche betrogen worden, erklärt er. „Es wächst die Bereitschaft in Deutschland, für das Schicksal und die Ansprüche der Vertragsarbeiter Verantwortung zu übernehmen.“
Derweil kommen Cossa und seine Schicksalsgenossen weiter mittwochs in Maputo zusammen. Sie tragen Schilder und deutsche Fahnen. Trommelnd und mit Trillerpfeifen, teils auch singend und tanzend legen sie die zwei Kilometer bis zum Arbeitsministerium zurück. Polizeiautos und Motorräder führen den Zug an. Die Straßen sind gesperrt, Autofahrer warten geduldig. „Margarida! Margarida! Wir wollen unser Geld!“, rufen sie vor dem Ministerium den Namen von Ressortchefin Margarida Talapa. Wie jeden Mittwoch. Doch die Ministerin zeigt sich nie auf dem Balkon im ersten Stock des Gebäudes. (epd/mig) Ausland Leitartikel
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