USA
Biden nominiert erste Afro-Amerikanerin für Oberstes Gericht
In den USA gilt die Besetzung des Obersten Gerichtes als eine der wichtigsten Richtungsentscheidungen des amtierenden Präsidenten. Erstmals hat Joe Biden jetzt eine afro-amerikanische Richterin nominiert.
Von Konrad Ege Montag, 28.02.2022, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 26.02.2022, 15:53 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Trotz der die Medien dominierenden Ukraine-Krise: In den USA ist das Oberste Gericht gegenwärtig ein Top-Thema, denn Präsident Joe Biden hat am Freitag eine neue Richterin nominiert. Die Juristin und Bundesrichterin Ketanji Brown Jackson wäre bei ihrer Bestätigung durch den US-Senat die erste Afro-Amerikanerin als Richterin in der mehr als 200-jährigen Geschichte des Gerichtshofes. Die 51-jährige Juristin sei bei Rechtsfragen „einer der klügsten Köpfe“ der Nation, erklärte Biden auf Twitter. Unter dem demokratischen Präsidenten Barack Obama war Jackson stellvertretende Leiterin einer Regierungskommission, die sich mit einer Reform der Bestrafungsrichtlinien befasste.
Das Oberste Gericht übt großen Einfluss auf Gesetz und Gesellschaft aus. Es profitieren gegenwärtig eher die Republikaner als die regierenden Demokraten. Der „Supreme Court“ in Washington hat bei vielen juristischen Kontroversen das letzte Wort. Die neun Richterinnen und Richter prüfen, ob Gesetze und Vorschriften verfassungskonform sind. Urteile betreffen den Alltag und die Politik, von Klimaschutz und Wahlrecht bis zur Religionsfreiheit, vom Schusswaffenrecht bis zur Abtreibung.
Damit „wir alle repräsentiert sind“
Im liberalen Amerika wächst der Unmut, dass die Richterinnen und Richter zusehends politisch handeln. Sechs der neun gelten als gestandene Konservative. Drei von ihnen – Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett – wurden noch vom republikanischen Präsidenten Donald Trump ernannt, letztere im Schnelltempo 2020 vier Monate vor Trumps Abgang.
Die Obersten Richter werden auf Lebenszeit ernannt. Der Präsident nominiert, der Senat muss zustimmen. Biden kam wegen des Rücktritts des 83-jährigen Richters Stephen Breyer zum Zug. Er hatte während des Wahlkampfes im Februar 2020 bei einer Fernsehdebatte versprochen, er werde dafür sorgen, „dass eine schwarze Frau im Obersten Gericht sein wird, um sicherzustellen, dass wir alle repräsentiert sind“. Der 1994 von Bill Clinton nominierte Breyer gilt als gemäßigter und eher liberal eingestellter Jurist.
Heiße Themen stehen an
Für die laufende Sitzungsperiode des Gerichts stehen „heiße“ Themen an. Vor wenigen Tagen gab das Gericht bekannt, es werde entscheiden, ob eine Web-Designerin in Colorado wegen ihres Glaubens gleichgeschlechtliche Paare abweisen darf, die Hochzeitsanzeigen bestellen wollen. Nach Ansicht des Generalstaatsanwalts von Colorado verstößt die Designerin gegen Antidiskriminierungsgesetze.
Ende Februar ist eine Anhörung vorgesehen zur Frage, inwiefern die Umweltbehörde EPA Stromproduzenten Vorschriften machen darf. Es geht um die Rechtmäßigkeit des „Plans für sauberen Strom“ von 2015, demzufolge manche Erzeuger von Kohle auf saubere Energiequellen umstellen mussten. Nach Darstellung der klagenden republikanischen Bundesstaaten geht das zu weit. Die Behörde „unterjoche“ die Staaten und erzwinge die Schließung bestimmter Kraftwerke. Klimaverbände hingegen befürchten, ein Urteil gegen die EPA würde Bidens Klimapläne infrage stellen, die sich ebenfalls auf EPA-Maßnahmen stützen.
Mehrere Grundsatzurteile erwartet
In wenigen Monaten wird ein Urteil zur Legalität des Schwangerschaftsabbruchs erwartet. Befürworter und Gegner des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch erwarten, dass die konservative Mehrheit das 1973 ergangene Grundsatzurteil zur Legalisierung der Abtreibung bis zur unabhängigen Lebensfähigkeit des Fötus aufheben oder schwächen wird.
Erwartet wird auch ein Urteil zu Schusswaffen, das Kontrollgesetze in manchen Staaten außer Kraft setzen könnte. Dauerthema ist das Wahlrecht. Manche republikanisch regierte Staaten haben in den vergangenen Jahren Wahlbezirksgrenzen zu Gunsten der Republikaner gezogen und Vorschriften erlassen, die schwarzen und einkommensschwachen – also eher demokratisch eingestellten – Wählerinnen und Wählern den Urnengang erschweren. Das Oberste Gericht hat die Staaten gewähren lassen.
Keine neuen Machtverhältnisse
Biden wird mit seiner Ernennung im Gericht keine neuen Machtverhältnisse schaffen, erklärte in einem Podcast eine Expertin des Verbandes „American Civil Liberties Union“, Lizzy Watson. Demokraten sind allerdings erleichtert, dass die Senatsabstimmung zur Nominierung der Breyer-Nachfolgerin wohl in naher Zukunft und vor den Wahlen im November stattfindet. Noch haben die Demokraten die Mehrheit.
Im letzten Amtsjahr von Barack Obama (2016) hatte sich der damals republikanisch kontrollierte Senat geweigert, über dessen Kandidaten für das Gericht abzustimmen. Die Richterernennung gilt als eine der folgenschwersten Entscheidungen eines Präsidenten. Trumps drei Richter sind relativ jung, alle in ihren Fünfzigern. Sie könnten noch Jahrzehntelang auf dem Olymp der Rechtsprechung sitzen. (epd/mig) Aktuell Ausland
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