Lernen, wie man vorbetet
Bundesweit erste Imamausbildung an Hochschule startet
Die Imame der rund 2.500 Moscheegemeinden in Deutschland stammen noch immer zum weitaus größten Teil aus dem Ausland. Das neue Islamkolleg in Osnabrück setzt einen Meilenstein für eine Trendumkehr. Es will jedes Jahr mindestens 30 Imame ausbilden - gefördert mit staatlichen Geldern.
Von Martina Schwager Freitag, 11.06.2021, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 10.06.2021, 11:43 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Muhammed Memedi ging schon als Kind und Jugendlicher in der Moschee ein und aus. Sein Vater ist Imam der kleinen mazedonischen Gemeinde in Düsseldorf. Die Arbeit dort hat den Sohn immer begeistert: „Man kann so viel bewegen“, sagt Memedi. Als er nach seiner Ausbildung zum Chemisch-Technischen Assistenten keinen Job fand, begann er Theologie zu studieren. Derzeit macht der 30-Jährige gerade seinen Bachelor an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Parallel wird er als einer der ersten im Juni eine zweijährige Ausbildung am bundesweit einzigartigen Islamkolleg in Osnabrück beginnen.
Memedi könnte danach als Imam in einer Moscheegemeinde arbeiten, will aber voraussichtlich eine akademische Laufbahn einschlagen. „Ich finde aber, auch als Theologe sollte man wissen, wie man vorbetet, eine Gemeinde leitet oder eine Predigt hält.“ Wenn er gebraucht wird, will er helfen können. Memedi hat bewusst die bundesweit erste verbandsunabhängige und deutschsprachige Ausbildungsstätte ausgewählt. Ein Imam in Deutschland sollte sich mit der deutschen Sprache und der deutschen Lebenswirklichkeit auskennen, findet er. Die meisten kämen aber noch immer aus dem Ausland.
Eben deshalb ist auch für Bülent Uçar die Gründung des Deutschen Islamkollegs ein „Meilenstein“. Jahrelang hat der Leiter des Instituts für Islamische Theologie an der Uni Osnabrück und Direktor der neuen Einrichtung dafür gekämpft, dass angehende muslimische Vorbeter nach ihrem Theologiestudium eine deutschsprachige praxisbezogene Ausbildung erhalten. Sie sollten wie katholische Priester, evangelische Pastorinnen und jüdische Rabbiner auf ihren Gemeindedienst vorbereitet werden. Nun wird das Kolleg am Dienstag kommender Woche (15. Juni) offiziell eröffnet.
Die Imam-Ausbildung
Die Kollegiaten lernen zu predigen, den Koran zu rezitieren, Gemeindegruppen anzuleiten und Seelsorge-Gespräche zu führen. „In einer Praktikumsphase in Moscheegemeinden in ganz Deutschland sollen sie die neuen Kenntnisse anwenden“, erklärt Uçar.
Auch die Herausforderungen zwischen der Lebensrealität in einer säkularen Gesellschaft und religiösen Idealen werden Memedi und die übrigen rund 35 Auszubildenden diskutieren. Der angehende Imam ist vor allem auf die Themen politische Bildung und Soziale Arbeit gespannt. Das Kolleg bietet außerdem eine anderthalbjährige Seelsorge-Ausbildung mit unterschiedlichen Schwerpunkten etwa für Krankenhäuser, Gefängnisse oder Hospize an. Zudem gibt es die Möglichkeit, in einer modularen Ausbildung nur einzelne Module der Imam-Ausbildung zu wählen.
Kolleg positioniert sich nicht zu Imaminnen
Alle Lehrpläne werden in einer Kommission festgelegt, erklärt Uçar. In der sind auch die fünf Verbände vertreten, die neben Moscheegemeinden und Theologen das Kolleg tragen. Dazu gehört unter anderen der Zentralrat der Muslime. Die Auswahl der Kollegiaten sei aber unabhängig von der Verbandszugehörigkeit. Der Bund und das Land Niedersachsen finanzieren die Einrichtung für fünf Jahre mit insgesamt rund 5,5 Millionen Euro, haben aber inhaltlich kein Mitspracherecht.
Unter den 30 Kollegiaten sind laut Direktor etwa 20 Prozent Frauen. Grundsätzlich stehe die Ausbildung für „religiöses Betreuungspersonal“ – so nennt Uçar es geschlechtsneutral – Männern und Frauen offen. An der Diskussion, ob es auch weibliche Imaminnen geben sollte, will das Kolleg sich nicht beteiligen, sagt der Theologe. „Das müssen die Moscheegemeinden jeweils für sich entscheiden.“
Männer und Frauen gleichermaßen gebraucht
Elif Demirkan-Çoban findet, dass Männer und Frauen gleichermaßen in den Moscheegemeinden gebraucht werden. Seit zehn Jahren engagiert sich die 41-jährige ehrenamtlich in Bremen und ihrem Wohnort Oldenburg dafür, dass Christen und Muslime mehr voneinander erfahren. Die vierfache Mutter und Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache hält gemeinsam mit einer evangelischen Pastorin Vorträge in Kirchen und Schulen, organisiert interkulturelle Projekte.
Sie muss oft erklären, warum sie ein Kopftuch trägt, wie sie fastet und was sie eigentlich glaubt. Jetzt will Demirkan-Çoban ihr Engagement durch eine Ausbildung am Islamkolleg auf eine breitere Basis stellen: „Ich möchte den Islam fundiert erklären können.“ (epd/mig) Leitartikel Panorama
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