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Kirche (Symbolbild) © Yevhen1971 @ pixabay.com (Lizenz), bearb. MiG

Richterin zu Kirchenasyl-Urteil

„Er hätte nicht anders handeln können“

Der Freispruch in einem Kirchenasyl-Prozess gegen einen Benediktinermönch hatte für Aufsehen gesorgt, weil der Benediktinerbruder gegen Recht verstoßen hatte. Jetzt erklärt die Richterin, warum sie den Angeklagten freigesprochen hat.

Donnerstag, 10.06.2021, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 09.06.2021, 14:40 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Nach dem bundesweit beachteten Freispruch im Kirchenasyl-Prozess gegen einen Benediktinermönch Ende April hat die Kitzinger Amtsrichterin Patricia Finkenberger nun erstmals ihre Gründe für das Urteil dargelegt. „Mein Verständnis von Artikel 4 des Grundgesetzes ist, dass Gewissensfreiheit kein bloßes Abwehrrecht ist, sondern ein Recht auf aktives Handeln“, sagte die Richterin der „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“. Als das Grundgesetz entstanden sei, sei jedem bewusst gewesen, dass man von Menschen nicht erwarten könne, „dass er oder sie tatenlos zusieht, wenn andere Unecht tun“, betonte Finkenberger.

Im vorliegenden Fall war der Benediktinerbruder Abraham Sauter von der Abtei Münsterschwarzach (Kreis Kitzingen) angeklagt gewesen, weil die Benediktinerabtei im August 2020 einen Geflüchteten aus dem Gazastreifen aufgenommen hatte. Der Mann war über Rumänien in die Europäische Union eingereist und sollte als „Dublin-Fall“ wieder dorthin abgeschoben werden.

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„Hätte nicht anders handeln können“

Abraham war angeklagt, weil er die Flüchtlingsarbeit der Abtei mit verantwortet. Die Staatsanwaltschaft warf ihm daher „Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt“ vor und forderte eine Geldstrafe von 2.400 Euro. Zum Prozess kam es, weil Finkenberger den Strafbefehl ablehnte und eine Verhandlung ansetzte.

Zwar habe Abraham „gegen das Gesetz verstoßen“, aber eben auch „für mich überzeugend dargelegt“, dass er nach seinem Gewissen nicht anders habe handeln können, sagte Finkenberger weiter. Es sei „anerkannt, dass in Einzelfällen eine Straftat entschuldigt sein kann“, die rechtliche Konsequenz sei dann ein Freispruch: „Eine Gewissensentscheidung als Entschuldigungsgrund, der sich direkt aus dem Grundgesetz – in diesem Fall Artikel 4 – ergibt, wird in der juristischen Literatur wiederholt behandelt.“ Für Finkenberger liegt das Hauptproblem beim Thema Kirchenasyl darin, dass es bislang „keine obergerichtliche Leitentscheidung gibt“, an der man sich orientieren könne.

Juristische Hochseilartistik

Der Würzburger „Mainpost“ hatte Finkenberger gesagt, im Fall von Bruder Abraham sei es „nicht um Gnade“ gegangen, sie habe „nicht gegen das Gesetz entschieden“, sondern vielmehr das Grundgesetz „direkt angewendet“. Dies komme zwar selten vor, sei aber zulässig: „Das Ergebnis beruht dann auf einer Abwägung, die in diesem Einzelfall zugunsten des Grundrechts ausging.“

Man dürfe sich aber nichts vormachen, sagte die 48-jährige Juristin: „Das ist juristische Hochseilartistik, die aber wohl auch der nächsten Instanz nicht erspart bleibt.“ Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil Rechtsmittel ein – ob Revision oder Berufung will sie bis Ende Juni entscheiden, hieß es. (epd/mig) Aktuell Panorama

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