Max-Ophüls-Preis
Appell für vielfältigere Perspektiven im Film
Keine große Party, keine Massen, trotzdem Freudentränen und Applaus - zwischen New York, Wien und Saarbrücken. Der Max Ophüls Preis wurde erstmals digital vergeben. Zwei Spielfilme räumten gleich mehrfach ab.
Montag, 25.01.2021, 5:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 24.01.2021, 15:21 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Lauter Wohnzimmerjubel, virtueller Applaus und ein Appell: „Für alle, die die letzten 20 Jahre Angst hatten, so etwas zu tun, traut euch“, sagte Eugene Boateng, Hauptdarsteller des diesjährigen Gewinnerfilms „Borga“, bei der 42. Ausgabe des Filmfestivals Max Ophüls Preis. Dass dieser Film aus der Perspektive des Afrikaners, des dunkelhäutigen Menschen erzähle, sei „so wichtig“. „Es ist möglich“, unterstrich er. Mitautor Toks Körner ergänzte: Diese neuen Geschichten und Protagonisten bräuchten einen festen Platz „in unserer Gemeinschaft“. Der Hauptpreis ist mit 36.000 Euro dotiert.
Der Film von Regisseur York-Fabian Raabe erzählt die Geschichte des Ghanaers Kojo und wie er in Deutschland erfolgreich sein will. Das Wort „Borga“ ist laut Regisseur Raabe ein ghanaisches Wort, das von „Hamburg“ abgeleitet ist und „der reiche Onkel aus dem Ausland“ bedeutet.
Die Schauspielerin Pegah Ferydoni erklärte stellvertretend für die Hauptjury: „In einer epischen Erzählweise, ohne Angst vor Schönheit und mit Empathie für sämtliche Figuren, spricht der Film eine ganz besondere Einladung aus: mit Hilfe eines unerhörten Narrativs – einer konsequent schwarzen Perspektive im deutschen Kino – nach Antworten zu suchen.“ Dort, wo das Menschsein das Problem sei, liege im Menschsein aber auch die Chance.
Mehr als eine Geschichte über einen Migranten
Der Film sicherte sich zugleich auch den Preis für den gesellschaftlich relevanten Film, den Publikumspreis und den Preis der ökumenischen Jury. Letztere lobte den Film als „authentisches, aktuelles und fesselndes Drama“. „Borga“ erzähle mehr als eine Geschichte über einen Migranten. Der Film problematisiere kapitalistisches Handeln, hinterfrage den Traum der illegalen Einwanderer und zeige die Familie als letztgültigen Halt, sagte Jurymitglied Guido Convents.
Den mit 13.000 Euro dotierten Fritz-Raff-Drehbuchpreis, den Preis für die beste Regie und den der Jugendjury sicherte sich Arman T. Riahi für seinen Film „Fuchs im Bau“. Der Zuschauer begleitet dort den Lehrer Hannes Fuchs, die Pädagogin Elisabeth Berger und ihre Schüler im Alltag einer Gefängnisschule. „Fuchs im Bau“ und „Borga“ teilen nicht nur die Spielfilmpreise unter sich auf, sie haben beide auch mit rund zehn Jahren eine ähnlich lange Produktionszeit.
„Mir fehlen langsam die Worte. Normalerweise bin ich sehr schlagfertig“, sagte Regisseur Riahi, aus Wien zugeschaltet, der 2017 beim Festival den Publikumspreis für die Komödie „Die Migrantigen“ gewann. Die Geschichte von „Fuchs im Bau“ breche „mit Konventionen, gibt sich skurril, originell, kauzig“, urteilte die Drehbuchjury. Riahi erzähle mit „kristallklarer Härte“ und „einer großen Portion Menschlichkeit“.
Als bester Schauspielnachwuchs wurden Sara Fazilat für ihre Rolle als „Nico“ im gleichnamigen Film von Regisseurin Eline Gering sowie Jonas Holdenrieder für seine Darstellung in „Trübe Wolken“ von Regisseur Christian Schäfer ausgezeichnet. Die Preise sind mit jeweils 3.000 Euro dotiert.
Den mit 7.500 Euro dotierten Dokumentarfilmpreis gewann „Stollen“ von Laura Reichwald. Der Film handelt von einem Bergbaudorf im Erzgebirge, das um seine Identität ringt. „Die Filmemacherin blickt zart, vorsichtig und poetisch auf ein Stück Heimat, die bewahrt werden will, die mit ihrer Vergangenheit und ihrer Zukunft hadert und sich dabei klammert an das, was immer da war“, urteilte die Jury.
Coronabedingt digital
Das Saarbrücker Filmfestival fand coronabedingt zum ersten Mal rein digital statt. Auf der festivaleigenen Streaming-Plattform konnten die Zuschauer die insgesamt 98 Filme sehen – darunter 50 Filme in den Wettbewerben Kurz-, Mittelang-, Doku- und Spielfilm. Dort und bei Youtube lief auch die Preisverleihung im Livestream. „Wir haben gezeigt: Filmfestivals können auch unter Corona stattfinden“, sagte Saarbrückens Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU).
Zuschauer und Filmschaffende wurden virtuell vernetzt und konnten sich so austauschen. Auch über die sozialen Medien kamen Rückmeldungen, und die Filmschaffenden starteten dort einen Tanz-Wettbewerb für die nur zu Hause stattfindende Filmparty. Der Max Ophüls Preis ist eines der bedeutendsten Filmfestivals für Nachwuchsfilmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Benannt ist es nach dem in Saarbrücken geborenen Regisseur Max Ophüls (1902-1957). (epd/mig) Aktuell Feuilleton
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