Verantwortung
Merkel in Auschwitz: „Ich empfinde tiefe Scham“
Bundeskanzlerin Merkel hat erstmals in ihrer Amtszeit das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz besucht. Die Verantwortung der Deutschen für den Holocaust werde niemals enden, betonte die Regierungschefin in ihrer Rede.
Montag, 09.12.2019, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 10.12.2019, 16:19 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Bei einem Besuch im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur bleibenden deutschen Verantwortung für den Holocaust bekannt. „Auschwitz war ein deutsches, von Deutschen betriebenes Vernichtungslager“, sagte Merkel am Freitag in Auschwitz. Die Verantwortung der Deutschen werde niemals enden. „Sie ist nicht verhandelbar. Sie ist fester Teil unserer Identität“, sagte die Kanzlerin.
Merkel besuchte erstmals in ihrer Amtszeit das frühere Konzentrationslager und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in Polen. Nur zwei Bundeskanzler waren vor Merkel in Auschwitz: Helmut Schmidt (SPD) und Helmut Kohl (CDU). Vor ihrer Rede machte Merkel gemeinsam mit dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki einen Rundgang durch die Gedenkstätte. Gemeinsam durchschritten sie das Tor mit dem Schriftzug „Arbeit macht frei“ und legten Kränze an der sogenannten Todeswand nieder. Vor der Mauer wurden Tausende Todesurteile vollstreckt. Offizieller Anlass für Merkels Besuch war das zehnjährige Bestehen der Stiftung Auschwitz-Birkenau.
Merkel: „Ich empfinde tiefe Scham“
Merkel sagte zu Beginn ihrer Rede, dass es ihr alles andere als leicht falle, an diesem Ort zu stehen. „Ich empfinde tiefe Scham angesichts der barbarischen Verbrechen, die hier von Deutschen begangen wurden.“ Sie erinnerte an die sechs Millionen Juden, die in der NS-Zeit in Europa ermordet wurden, aber auch an andere verfolgte Gruppen wie Sinti und Roma, Widerstandskämpfer oder Menschen mit Behinderungen.
Ferner erinnerte Merkel daran, dass das heutige jüdische Leben in Deutschland und die guten Beziehungen zu Israel keine Selbstverständlichkeiten seien. Gerade in diesen Tagen sei das keine Rhetorik, sagte die Bundeskanzlerin. „Wir erleben einen besorgniserregenden Rassismus, wir erleben einen Angriff auf die Demokratie und einen gefährlichen Geschichtsrevisionismus.“ Alle Juden müssten sich jedoch in Deutschland und in Europa sicher fühlen, betonte Merkel.
Der Erinnerung verpflichtet
Polens Ministerpräsident Morawiecki appellierte in seiner Ansprache, die Erinnerung über die Verbrechen von Nazi-Deutschland wachzuhalten. „Wir sind verpflichtet, diese Erinnerung weiterzutragen“, sagte Morawiecki. Zu den Rednern zählte neben Kanzlerin Merkel und dem polnischen Regierungschef auch der Auschwitz-Überlebende Bogdan Stanislaw Bartnikowski. Er erzählte von seiner traumatischen Zeit in Auschwitz. Als damals Zwölfjähriger wurde er mit seiner Mutter in das Konzentrationslager deportiert.
Kanzlerin Merkel traf in Auschwitz zudem den Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder. Er dankte ihr für die 60 Millionen Euro, die Deutschland am Donnerstag als Unterstützung für den internationalen Fonds der Stiftung Auschwitz-Birkenau zugesagt hatte. Das Geld fließt in den Stiftungsfonds, aus dem der Erhalt der Überreste des ehemaligen Vernichtungs- und Konzentrationslagers finanziert wird. Kanzlerin Merkel sei eine geschätzte und zuverlässige Verbündete im Kampf gegen Antisemitismus, sagte Lauder.
1,5 Millionen Menschen ermordet
Der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Christoph Heubner, begrüßte den Besuch der Kanzlerin. „Es ist ein Höhepunkt für die Überlebenden, die das als einen sehr bewusst gesetzten Akt der Solidarität mit ihnen empfinden“, sagte Heubner dem Bayerischen Rundfunk.
Am 27. Januar 2020 jährt sich die Befreiung von Auschwitz durch die sowjetische Armee zum 75. Mal. Der 27. Januar ist in Deutschland seit 1996 und weltweit seit 2005 Holocaust-Gedenktag. In Auschwitz-Birkenau wurden 1,1 bis 1,5 Millionen Menschen aus ganz Europa ermordet, die meisten von ihnen Juden. (epd/mig) Aktuell Politik
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