Kindergarten, Kinder, Krippe, Kita
Kinder in der Kita © Poiseon Bild & Text auf flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Zwischen Zuckerfest und Weihnachten

Wie Kitas Kindern religiöse Kompetenz vermitteln

In Kindertagesstätten treffen Kinder aus Familien aller Glaubensrichtungen aufeinander. Religiöse und nicht-konfessionelle Träger haben unterschiedliche Ansätze für das Miteinander im Alltag. Fragen und Antworten:

Von Anna Bayer Donnerstag, 15.08.2019, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 18.08.2019, 16:43 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

In Kindertagesstätten kommen die Kleinsten aus Familien mit den unterschiedlichsten religiösen und kulturellen Hintergründen zusammen. Wie bringt man Kindern zwischen Bauecke und Spielplatz gegenseitiges Verständnis und Toleranz bei?

Warum wird immer wieder über kulturelle und religiöse Gepflogenheiten in Kitas diskutiert?

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Kein Schweinefleisch mehr für Kinder in zwei Leipziger Kindertagesstätten aus Rücksicht auf muslimische Essensvorschriften – diese Nachricht sorgte auch über Leipzig hinaus für Aufregung. Auch über die Umbenennung des Martinsfests in „Laternenfest“ aus Rücksicht auf Nicht-Christen und Atheisten wird jedes Jahr aufs Neue diskutiert. Nach Ansicht der Darmstädter Expertin für Religionspädagogik, Barbara Benoit, wird Schweinefleisch in der öffentlichen Debatte als „Identitätsmarker“ genutzt, über den Kämpfe ausgetragen würden, die eigentlich ganz andere Dinge beträfen, beispielsweise die Angst, kulturell dominiert zu werden.

Warum ist interreligiöse Kompetenz in Kitas überhaupt ein Thema?

Kinder sollten begreifen, warum ihre Freunde in der Kita vielleicht anders essen, andere Feste feiern und manchmal auch noch andere Sprachen sprechen. Dabei brauchen Kinder Unterstützung von den Erzieherinnen. Durch frühkindliche interreligiöse Bildung würden Kinder auf eine zunehmend globale und plurale Welt vorbereitet, sagt die Religionspädagogin Anke Edelbrock. Bei der Vermittlung müsse es aber immer darum gehen, Gemeinsamkeiten aufzuzeigen und trotzdem den Unterschieden gerecht zu werden.

Warum gestaltet man das Kita-Programm nicht vollständig weltanschaulich neutral?

Info: Die Arbeitshilfe „Religionen in der Kita. Impulse zum Zusammenleben in religiöser Vielfalt“ kann kostenfrei heruntergeladen werden.

Es gibt viele religiöse Träger von Kindertagesstätten wie jüdische Gemeinden oder die christlichen Kirchen. „Nächstenliebe, Mitgefühl und Ehrlichkeit sind universelle Werte, die auch für Atheisten unterstützenswert sind“, sagt die Heidelberger Pädagogikprofessorin Havva Engin. „Interreligiöse Kompetenz ist unabhängig von Migration ein Dauerthema, auch für konfessionell nicht gebundene Menschen.“

Welche Rolle spielen Erzieherinnen und Erzieher bei der Vermittlung von interreligiöser Vielfalt?

Nach Ansicht der Erziehungswissenschaftlerin Engin ist es wichtig, beispielsweise mit interkulturellem Personal die Rahmenbedingungen zu schaffen, um Kindern Vielfalt vorzuleben. Kitas sollten nicht nur vereinzelt religiöse Rituale anzusprechen, sondern sie kontinuierlich thematisieren – etwa anlässlich hoher religiöser Feiertage. In vielen Kindertagesstätten werden oft muslimische oder jüdische Feiertage nicht begangen, weil es kein muslimisches oder jüdisches Personal gibt. Laut Engin gibt es noch Nachholbedarf bei der interkulturellen Bildung innerhalb der Kitas. Dies liege auch an der Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher.

Wie gehen Kitas mit den unterschiedlichen religiösen Festen um?

Evangelische Kitas der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau besuchen zum Beispiel zum muslimischen Zuckerfest eine Moschee, wo ein Imam die Bedeutung des Festes erklärt. Das Zuckerfest gehört zu den wichtigsten muslimischen Feiertagen, an diesem Tag wird das Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan gefeiert. An Weihnachten und Ostern werden Kinder und Eltern, die keine Christen sind, im Gegenzug als Gäste in die Kirche eingeladen.

In jüdischen Einrichtungen werden zumeist nur jüdische Feste gefeiert. Dabei werden aber alle miteinbezogen, sagt Vera Katona vom jüdischen Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment in Frankfurt, das fünf jüdische Kindertagesstätten in ganz Deutschland berät. „Auch jüdische Feste können inklusiv begangen werden“, sagt sie.

In den weltanschaulich-überkonfessionellen Kitas des Betreibers „Konzept-e“ kommt es auf die Ideen und Wünsche von Kindern und Erzieherinnen an, ob Ostereier bemalt oder ein muslimisches Fest gefeiert wird. Ausgeschlossen seien aber gemeinsame Gebete, erklärt die Geschäftsführerin Waltraud Weegmann. „Konzept-e“ betreibt 42 Kitas in ganz Deutschland im Auftrag von Unternehmen und der öffentlichen Hand.

Wie gehen die Kitas mit Essensvorschriften um?

Evangelische Kindertagesstätten haben meist alles auf dem Speiseplan. Zugleich wird aber erklärt, warum muslimische Kinder kein Schweinefleisch essen. In jüdischen Einrichtungen wird für alle Kinder koscher gekocht. Dies würden die Eltern mit dem Kita-Vertrag am Anfang unterschreiben, betont Vera Katona. Die nicht-konfessionellen Kitas des Betreibers „Konzept-e“ hingegen bieten ein vegetarisches und ein fleischhaltiges Essen an. Den Kindern werde zwar mitgeteilt, wenn ein Gericht Schweinefleisch enthalte. Ob sie es essen wollten oder nicht, dürften sie aber selbst entscheiden, erklärt „Konzept-e“-Geschäftsführerin Weegmann. (epd/mig) Aktuell Panorama

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  1. A.F:B. sagt:

    „Zuckerfest“ – „Was ist denn das?“ Frage ich mich als deutscher Muslim. – Eine schlechte Übersetzung aus dem türkischen „Şeker Bayram“, wobei Şeker nicht nur „Zucker“ bedeutet, sondern jede Süßigkeit, insbesondere Bonbon. Kann man nicht das Arabische ʿĪd al-Fiṭr als „Fest des Fastenbrechens“ wörtlich ins Deutsche übersetzen, oder ist das für Kinder zu schwer? Schließlich ist Arabisch die Sprache des Korans und der anderen Primär- und Sekundärquellen der islamischen Religion, und das ʿĪd al-Fiṭr wurde jahrhundertelang auf Arabisch so bezeichnet, bevor die Türken den Islam annahmen und ein überwiegend muslimisches Volk wurden.
    Die Umbenennung des Martinsfestes in „Laternenfest“ wird von sehr vielen – wenn nicht den meisten – Muslimen NICHT befürwortet, weil der für die Christen heilige Martin auch nach islamischen Maßstäben ein guter und vorbildlicher Mensch war, dessen Andenken es zu bewahren gilt. Allerdings versuchen manche Islamgegner es unzutreffenderweise so darzustellen, als stünden die Muslime – als Nichtchristen – hinter der Forderung nach einer Umbenennung, um dann ein vorgebliches „Einknicken vor dem Islam“ zu behaupten.