„Demütigend“
Spahn und Günther fordern „europäischen Islam“
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther und Gesundheitsminister Jens Spahn fordern einen „europäischen Islam“ und ernten Kritik. Muslime empfinden die Forderung als demütigend. Religionssoziologe hingegen kontert, der Islam sei bereits europäisch.
Freitag, 24.05.2019, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 27.05.2019, 16:58 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die CDU-Politiker Daniel Günther und Jens Spahn plädieren für die Förderung eines „europäischen Islams“. „Wenn Frauen und Mädchen in Universitäten und Schulen mit Vollverschleierung erscheinen, dann dürfen wir nicht nur gegenhalten, wir müssen es auch“, schreiben der schleswig-holsteinische Ministerpräsident und der Bundesgesundheitsminister in einem gemeinsamen Gastbeitrag für die in Düsseldorf erscheinende „Rheinische Post“. Statt Symbole einer reaktionär-frauenfeindlichen Strömung des Islams zu tolerieren, müsse man „die Entwicklung eines europäischen Islams“ fördern, schreiben die beiden, ohne ihre Vorstellungen weiter auszuführen.
Der Islam-Experte Rauf Ceylan von der Universität Osnabrück ist hingegen überzeugt, dass es bereits einen europäisch geprägten Islam gibt. Er gebe Günther und Spahn insofern Recht, als dass man religiösem Fundamentalismus entgegentreten müsse. Doch was die Mehrheit der Muslime angehe, müsse man differenzieren. „Der muslimische Lebensstil ist schon europäisch“, sagte Ceylan dem „Evangelischen Pressedienst“ am Donnerstag.
Widerspruch ernten Spahn und Günther auch vom früheren Vorsitzenden des Islamrats, Ali Kızılkaya, für ihren Vorstoß. „Manche Politiker wollen immer noch einen eigenen Islam basteln/bestellen“, schrieb Kızılkaya im Kurznachrichtendienst Twitter. Um vorgebliche Verschleierungen gehe es bei der ganzen Diskussion nicht. „Diese Einmischungsversuche sind demütigend. Zusammenhalt einer Gesellschaft kann nur mit Respekt und Anerkennung gefestigt werden“, so Kızılkaya weiter.
Ceylan: Europa ist eine Chance für den Islam
Laut Ceylan wird sich Pluralität auch im Islam durchsetzen. Die Mehrheit der Muslime werde in Zukunft keine oder nur eine lockere Beziehung zu Moscheegemeinden haben und religiöse Vorschriften pragmatisch auslegen. „Das Problem ist, dass Muslime häufig als sehr fromme religiöse Gruppe wahrgenommen werden, die wächst“, sagte Ceylan. Die Debatte über einen europäischen Islam sei alt, sie stamme aus den 90er Jahren und sei eng mit der Diskussion über eine europäische Leitkultur verknüpft.
Mit der kontinuierlich wachsenden Zahl an wissenschaftlichen Instituten für islamische Theologie erhält laut Ceylan auch der intellektuelle Islam in Europa Auftrieb. Das Ziel der universitären islamischen Theologie sei es, die islamische Tradition neu zu reflektieren und Anschluss an die christlichen Theologien zu finden. „Es existiert eine europäische Denkschule des Islam, ebenso wie eine türkische oder ägyptische“, sagte Ceylan. „Für den Islam ist Europa eine große Chance. Hier herrscht intellektuelle Freiheit, und ich erhoffe mir vom europäischen Islam in Zukunft noch stärkere Impulse für islamische Länder wie Saudi-Arabien.“ (epd/mig) Aktuell Politik
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