Grünen bleiben beim Nein
Abstimmung über sichere Herkunftsstaaten verschoben
Die Grünen bleiben bei ihrem Nein zu der geplanten Regelung, die Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer einzustufen. Im Bundesrat war die Abstimmung darüber am Morgen kurzfristig vertagt worden. FDP, Union und AfD sind verärgert.
Montag, 18.02.2019, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 20.02.2019, 16:23 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der Bundesrat hat die Abstimmung über eine Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsstaaten kurzfristig verschoben. Die Beratung eines Gesetzes zur Aufnahme der Maghreb-Staaten Marokko, Tunesien und Algerien sowie von Georgien wurde von der Tagesordnung genommen, wie der stellvertretende Bundesratspräsident Dietmar Woidke (SPD) am Freitag zu Beginn der Sitzung in Berlin mitteilte. Wegen des Widerstandes der Grünen war eine Zustimmung unwahrscheinlich. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach den Grünen wegen ihrer Haltung beim Kurznachrichtendienst Twitter die Regierungsfähigkeit ab.
Das rot-rot-grün regierte Thüringen hatte kurzfristig den Antrag gestellt, über das Gesetz nicht zu beraten, wie eine Sprecherin der thüringischen Landesvertretung in Berlin bestätigte. Thüringen wolle weg von der Verkürzung der Diskussion auf sichere Herkunftsstaaten. Man wolle über den gesamten Komplex Asyl, Einwanderung und langjährig Geduldete mit der Bundesregierung in die Diskussion und zu praktischen Lösungen kommen, erklärte sie.
Der Bundestag hatte die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer im Januar beschlossen. Das Gesetz muss aber auch der Bundesrat zustimmen, damit es in Kraft treten kann.
Baerbock begrüßt Absetzung
Die Grünen-Chefin Annalena Baerbock begrüßte die Absetzung. Sie hoffe, dass die Debatte um das „rechtsstaatlich hochproblematische Instrument“ der sicheren Herkunftsstaaten damit beerdigt sei, erklärte sie. Die Grünen wollten stattdessen über schnelle, rechtssichere und faire Asylverfahren sprechen. „Wir brauchen echte Lösungen, nicht Symbole“, sagte Baerbock.
Info: Das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten war Teil des 1993 beschlossenen Asylkompromisses. Angesichts einer damals hohen Zahl von Flüchtlingen wurden im Grundgesetz Regelungen ergänzt, die eine Bewilligung von politischem Asyl in der Regel ausschließen, wenn die Betreffenden aus Ländern eingereist sind, in denen keine politische Verfolgung zu vermuten ist. Asylverfahren von Bewerbern aus als sicher eingestuften Ländern können beschleunigt werden, weil von vornherein angenommen wird, dass keine Verfolgung vorliegt. Der Antragsteller muss das Gegenteil glaubhaft machen, um nicht als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt zu werden. Kirchen und Flüchtlingsorganisationen sehen darin einen Verstoß gegen das im Asylrecht zugrunde gelegte Recht auf eine Einzelfallprüfung. Sie befürchten, dass tatsächlich Verfolgte oder Diskriminierte durch das Schnellverfahren durchs Raster fallen.
Bei Asylbewerbern aus als sicher eingestuften Herkunftsstaaten gilt für die Behörden in der Regel, dass ihr Antrag auf Schutz unbegründet ist. Das soll die Verfahren beschleunigen und in den Herkunftsländern eine abschreckende Wirkung entfalten. Im Bundesrat war die Einstufung sicherer Herkunftsstaaten stets umstritten. Die Erweiterung der Liste um die Maghreb-Staaten scheiterte dort im März 2017 bereits einmal am Widerstand der grün-mitregierten Länder.
Kretschmann hätte zugestimmt
Vor der nunmehr verschobenen Abstimmung hatte der grüne baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann erklärt, er tendiere dazu, dem Gesetz zuzustimmen. Dennoch hätte aufgrund der Ablehnung der übrigen grün-mitregierten Länder und einer voraussichtlichen Enthaltung aus Brandenburg die Zahl der Ja-Stimmen im Bundesrat nicht gereicht. Auf Antrag eines Landes oder der Bundesregierung könnte das Gesetz nun in einer der nächsten Sitzungen des Bundesrates behandelt werden.
Die FDP bedauerte die Verschiebung. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, erklärte bei Twitter, man brauche schnell eine Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer. Das würde helfen, Menschen schneller zurückzuführen, die sich ohne Recht in Deutschland befinden.
AfD wirf Grünen Sabotage vor
Auch Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) bedauerte, dass „eine so wichtige Entscheidung erneut auf die lange Bank geschoben wird“. Der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bundestag, Alexander Gauland, warf den Grünen „Sabotagepolitik gegen deutsches Interesse“ vor.
Der Lesben- und Schwulenverband begrüßte, dass der Bundesrat das Thema von der Tagesordnung genommen hat. Die Einstufung von Verfolgerländern als „sicher“ verharmlose die Kriminalisierung von Homosexualität in Algerien, Marokko und Tunesien, erklärte der Verband. (epd/mig) Aktuell Politik
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